Bön

Bön
Teil eines Bön-Lebensrades

Bön ( པོན , tibetisch transliteriert: Bon) war die vorherrschende Religion in Tibet, bevor im 8. Jahrhundert der Buddhismus ins Land gelangte. Für die Anhänger bedeutet das Wort „Bön“ so viel wie „Wahrheit, Wirklichkeit“ und „Wahre Lehre“. Mit dem Vordringen des Buddhismus in Tibet kam es zu einer gegenseitigen Beeinflussung der Religionen, wobei aus dem Bön vorwiegend schamanistische Elemente in den Buddhismus gelangten, umgekehrt der Buddhismus die "Philosophie" des Bön weitgehend überformte. Die Bön-Religion konnte sich trotz ihrer in den letzten Jahrhunderten gegenüber der buddhistischen Staatsreligion Tibets stets benachteiligten Position aufrechthalten und wurde 1977 als spirituelle Schule von der tibetischen Exilregierung förmlich anerkannt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bön-Kloster Khyungpori Tsedruk in Nord-Tibet (AGT)

Es ist schwierig, verlässliche Quellen zum Bön zu finden. Darüber hinaus besteht das Problem, dass buddhistische Quellen die Geschichte des Bön völlig anders darstellen als die Bön-Religion selbst.

Die Bön-Religion geht der Legende nach auf Tönpa (Meister) Shenrab Miwoche zurück, der in einem Land namens Tagzig in Zentralasien lebte. Durch ihn sollen die früher in Tibet verbreiteten Tieropfer durch symbolische Opferungen abgelöst worden sein.

Später breitete sich Bön nach Westen aus und war Staatsreligion in Zhang-Zhung, einem Land im Westen Tibets, das den Berg Kailash umgibt. Es verbreitete sich auch im östlich gelegenen Tibet. Die Königsdynastie von Zhang-Zhung ging im 7. Jahrhundert (vermutlich 634) mit der Eroberung durch den zentraltibetischen König Songtsen Gampo und der Tötung des Königs Ligmincha (Ligmirya) in einem Hinterhalt zu Ende. Mit der Stärkung des Buddhismus in Tibet durch König Trisong Detsen (ab 755) wurde die Bön-Religion zunehmend verdrängt und verfolgt. Bis dahin waren zum Beispiel Bön-Lamas für die Bestattungsrituale des Königs zuständig. Unter König Langdarma (Regierungszeit 836-842) besserte sich die Lage der Bönpa. Langdarma wurde jedoch von einem fanatischen Buddhisten ermordet, woraufhin das tibetische Königreich zerfiel. Durch die Verfolgung waren die Bönpa in die Randbereiche des tibetischen Kulturraumes abgedrängt, zum Beispiel nach Amdo im Nordosten sowie Dolpo in Nepal.

Mit dem Beginn der so genannten "neuen Übersetzungstradition" (Sarma) des Buddhismus im 11. Jahrhundert reorganisierten sich Bön und die buddhistische Nyingma-Tradition, beide auf der Grundlage wieder aufgefundener Lehrtexte (Terma), die in der Zeit der Verfolgung und der Wirren versteckt worden waren. Es wurde ein systematisches Lehrgebäude geschaffen und die Ordination der Mönche und Nonnen, ähnlich jener der buddhistischen Schulen, verbreitete sich.

Im Jahr 1405 wurde das Kloster Menri von Bön-Lama Nyammed Sherab Gyaltsen gegründet. Menri und das später gegründete Kloster Yungdrung Ling wurden zu den bedeutendsten Klöstern des Bön. Die Bön-Tradition, wie auch die buddhistischen Traditionen Tibets, litten ab Mitte des 20. Jahrhunderts, nach dem Einmarsch der chinesischen Armee in Tibet, unter Verfolgungen, besonders während der chinesischen Kulturrevolution (1966-76). Kein tibetisches Kloster hat die Wirren dieser Zeit unbeschädigt überstanden. Das bedeutendste Bön-Kloster, Menri, wurde in Dolanji im indischen Exil neu gegründet. 1977 erkannte der Dalai Lama Bön als fünfte spirituelle Schule Tibets an, und wie für die vier Hauptschulen des tibetischen Buddhismus wurden zwei Vertreter des Bön in das tibetische Exilparlament berufen.

Ungeachtet dessen, dass der neue Bön stark buddhisiert ist, kam es in der Geschichtsschreibung des Bön immer wieder dazu, dass der Buddhismus als Fremdreligion angesehen wurde, als allgemeine Katastrophe diffamiert wurde und auch als kollektives schlechtes Karma der Tibeter angesehen wurde.

Gegenwärtige Verbreitung

Abgesehen vom indischen Exil, z.B. im Menri-Kloster, ist Bön auch noch in seinem Ursprungsland eine lebendige Religion. Die Bön-Religion ist immer noch relativ verbreitet. Besonders in Ost-Tibet leben auch heutzutage viele Anhänger des Bön. Vereinzelte Kommunen gibt es auch in West- und Zentraltibet, sowie unter Nomaden. Auch in Nepal ist der Bön noch zu finden. Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden in Tibet einige Bön-Klöster wieder aufgebaut und von Mönchen besiedelt, so das tibetische Menri Kloster und das Kloster Yungdrung Ling.

Schulen

In der Geschichte des Bön treten drei unterscheidbare Formen der Religion auf, die alle Bön genannt werden. Die historisch gesehen erste Form ist eine schamanistische Religion, heute auch 'primitiver Bön' genannt. Die zweite Form ist der Yungdrung-Bön, auch ewiger oder glückverheissender Bön genannt, der auf den Buddha Shenrab Miwo zurückgehen soll und die dritte Form ist der reformierte Bön, der auf wiederaufgefundenen Texten (Terma), beruht. Trotz der unterschiedlichen historischen Phasen und Formen der Religion sind drei Formen nicht eindeutig abgrenzbar, sondern es handelt sich wahrscheinlich trotzdem um dieselbe Religion, obwohl dies auch wissenschaftlich umstritten ist. Alle drei Formen werden heutzutage noch praktiziert.

Bön-Schrift

Alter Bön

Alter Bön (auch Schwarzer Bön genannt) Da der alte Bön sich stark vom neuen Bön unterscheidet, ist wissenschaftlich umstritten, ob es sich hier überhaupt um die gleiche Religion handelt. Die Priester des alten Bön wurden jedoch im vorbuddhistischen Tibet auch schon Bönpa genannt, so dass auch der alte Bön häufig zur Bön-Religion gezählt wird. In Tibet gibt es bis heute eine weite Verbreitung von volksreligiösen Glaubens- und Ritualformen. Diese werden in der westlichen Literatur zumeist auch als Bön angesehen, obwohl dies in der tibetischen Kultur keinerlei Grundlage hat und diese Religionsform von Wissenschaftlern mittlerweile auch als die namenlose Religion bezeichnet wird.

Der so genannte alte Bön bezieht sich auf vorbuddhistische Riten und religiöse Anschauungen, deren System sich sowohl vom Buddhismus als auch vom späteren Bön stark unterscheidet. Während der spätere Bön z. B. die Lehre von Karma und Reinkarnation angenommen hat, spielte im frühen Bön das Leben nach dem Tod eine große Rolle, so dass Begräbnisriten besonders wichtig waren. Die komplexen Rituale des alten Bön wurden z. B. beim Tod eines Königs oder hochgestellter Adliger und Minister ausgeführt, um diese in das nachtodliche Land der Freude zu begleiten.

In dieser auch unter Bön gefassten Religionsform spielen beseelte Naturphänomene (vgl. Animismus) und deren Beherrschung oder Besänftigung durch magische Rituale eine wichtige Rolle. Die Ursprünge des alten Bön gehen in die vorgeschichtliche Zeit zurück. Die Bön-Religion hat, obwohl durch den Buddhismus beeinflusst, ein eigenes Pantheon von Göttern, Geistern, Dämonen und anderen Wesen, die in Ritus und Kult eine wichtige Rolle spielen. Die magischen Rituale des Bön drehen sich z. B. um Tranceerlebnisse, Opfer an die Götter, Wahrsagen, Reisen in die Unterwelt, Wetterzauber, den medialen Kontakt zu Geistern und die Abwehr von Dämonen. Viele Riten des alten Bön wurden bis heute erhalten und die Praktiken der tibetischen Volksreligion gehen oft bis in Zeit des alten Bön zurück. Der tibetische Buddhismus selbst wurde stark durch Bön beeinflusst, so bedienten sich z.B. die Gelugpa der Bön-Zauberer (Nagspa), um Dämonen durch diese abwehren zu lassen, und die Praktiken des tibetischen Staatsorakels stammen wohl auch aus vorbuddhistischer Zeit.

Ewiger Bön / Yungdrung-Bön

Bön-Mani-Stein mit dem Mantra Om ma tri mu ye sa le du.

Yungdrung Bön (Swastika-Bön), auch „Ewiger Bön“ genannt, geht auf den Lehrmeister (Tönpa) Shenrab Miwoche zurück. Dieser wird von den Bön auch als Buddha betrachtet. Tapihritsa und Drenpa Namkha sind historische Meister der Yungdrung-Bön Tradition.

Die Lehren dieser Schule umfassen mehr als 200 Werke. Darunter finden sich auch Schriften zu Philosophie, Heilkunde, Metaphysik und Kosmologie. Besonders die philosophischen Grundlagen stehen denen der Buddhisten nahe. Lehren über Karma (das Gesetz von Ursache und Wirkung) und über Mitgefühl lösten die Glaubenselemente des Alten Bön ab. Die Gottheiten des Alten Bön wurden im Sinne von Meditations-Gottheiten (Yidam-Gottheiten) integriert oder als Schützer der Lehre eingebunden, während z.B. die Gottheiten und Dämonen des Bön umgekehrt auch von den Nyingmapa übernommen wurden.

Tenzin Namdak, Abt eines Bön-Klosters in Nepal

Die Lehren des Yungdrung-Bön teilen sich auf in die so genannten „Neun Wege“, „Vier Pforten und eine Schatzkammer“ und in die „Äußeren, Inneren und Geheimen Unterweisungen“. Der letzte Teil der Lehren teilt sich auf in Sutra, Tantra und Dzogchen, ganz ähnlich derer, die auch in der Nyingma-Schule des tibetischen Buddhismus zu finden sind. Es gibt aber Hinweise, dass Dzogchen, die Lehren über die „Große Vollkommenheit“, bereits vor Einführung der buddhistischen Lehren in Tibet, in Zhang Zhung existierten. Die Dzogchen-Lehren der Nyingma gehen im Unterschied dazu auf Garab Dorje aus dem Land Oddiyana zurück.

Unter den Lehren der Bön finden sich auch die Belehrungen des „Zhang Zhung Nyan Gyud“, den "mündlichen Unterweisungen von Zhang Zhung", die ältesten Überlieferungen eines Dzogchen-Meditationssystems der Bön.

Bekannte gegenwärtige Lehrer der Tradition des Yungdrung-Bön sind der ehrwürdige Yongdzin Tenzin Namdak Rinpoche und Tenzin Wangyal Rinpoche, einer seiner wichtigsten Schüler. Beide Meister lehren auch im Westen. Der vielleicht berühmteste Bön-Meister der jüngeren Vergangenheit, der im Kontext der Rime-Bewegung auch viele buddhistische Schüler hatte, war Shardza Tashi Gyaltsen. Bei seinem Tod trat nach der Überlieferung das Phänomen des Regenbogenkörpers auf, demnach soll sich sein Körper in Licht (d. h. seine energetischen Bestandteile) aufgelöst haben.

Bön-Kloster in Sichuan

Neuer Bön

Neuer Bön, auch „reformierter Bön“ genannt, steht systematisch zwischen Yungdrung-Bön und der buddhistischen Nyingma-Tradition. Er entwickelte sich ab dem 14. Jahrhundert aus einer Synthese von Lehrelementen des Yungdrung-Bön und Elementen der Nyingma, vor allem durch das wechselseitige Auffinden von Termas der Bön- und der Nyingmatradition. Ein berühmter Meister des neuen Bön war Bönzhig Yungdrung Lingpa, als Nyingma-Tertön auch unter dem Namen Dorje Lingpa (1346-1405) bekannt. Der neue Bön ist gekennzeichnet durch eine Fülle von komplexen Ritualen, die durch die Bön-Mönche ausgeführt werden. Die Rituale selbst unterscheiden sich nicht besonders stark von buddhistischen Ritualen, jedoch werden sie teilweise umgekehrt ausgeführt, indem z. B. anders als im Buddhismus eine rituelle Umkreisung entgegen dem Uhrzeigersinn stattfindet, und die angerufenen Gottheiten, deren Namen, Ikonographien, Mythen und Mantren nicht buddhistisch sondern nur der Bön-Religion eigen sind.

Oberflächlich gesehen unterscheidet sich jedoch die Ausbildung eines Bön-Mönches nicht von der buddhistischer Mönche. Beispielsweise kann ein Geshe-Grad durch Studium von Logik und Philosophie erworben werden, das Ziel der Praxis, Dzogchen, unterscheidet sich nicht allzu sehr vom buddhistischen Dzogchen, in der Liturgie wird Padmasambhava angerufen und den Altar schmückt häufig auch ein Bild des Dalai Lama.

Lehren

Die Lehren des Bön basieren auf sehr umfangreichen Schriften und können auf verschiedene Art gegliedert werden. Eine der Gliederungen ist jene in die "Neun Wege" des Bön, welche in groben Zügen den neun Fahrzeugen der Nyingma-Tradition entsprechen. Die Grundsätze der Lehre sind dieselben wie im auf Buddha Shakyamuni zurück gehenden Buddhismus, der nach Bön-Auffassung in einem früheren Leben Schüler von Tönpa Shenrab Miwo war. Trotz dieser Nähe zum Buddhismus hat der Bön jedoch auch noch eigene Lehren, Rituale, Mythen und Götter, so dass er als eigenständige Religion gilt.

Die neun Wege des Bön sind folgend eingeteilt:

  • 1. Weg des Priesters der Voraussage: Wahrsagekunst, Astrologie, Ritualistik und Medizin.
  • 2. Weg des Priesters des Visuellen: Methoden zur Befriedung der Götter und Dämonen des Diesseits.
  • 3. Weg des Priesters der Illusion: Methoden zur Beherrschung von Feinden.
  • 4. Weg des Priesters der Existenz: Methoden zur Erlösung und Fragen über den Zeitraum zwischen Tod und Wiedergeburt.
  • 5. Weg der tugendhaften Anhänger: Gläubige, die tugendhaft handeln, nach Vervollkommnung streben und Stupas bauen und verehren.
  • 6. Weg der Asketen: Asketische Disziplinen, teilweise buddhistisch, teilweise unbuddhistisch.
  • 7. Weg des reinen Schalls: Praxis des höheren Tantras, Theorien über Verwandlung durch Mandalas.
  • 8. Weg des urzeitlichen Priesters: Ausüben der Praxis von Mandalas durch Anfertigung, Meditation und Verwirklichung von überrationalen Zuständen der Vollkommenheit.
  • 9. Die höchste Vollendung (Dzogchen)

Andere Einteilungen der Schriften sprechen von vier Pforten und einer Schatzkammer oder von fünf Schatzkammern.

Die neun Wege betreffen unterschiedliche Priestergruppen, die unterschiedliche Aufgaben wahrnahmen. Das Schrifttum des Bön reicht weit zurück und die Einteilungen in Kategorien von Zauber sind eine buddhisierte Form des Schrifttums. In älteren Schriften wird manchmal von anderen Kategorien gesprochen, wie z.B. Himmelsbön oder Begräbnisbön, so dass unterschiedliche Priestergruppen wohl schon unterschiedliche Aufgaben im ursprünglichen Bön wahrgenommen hatten.

Meditation und Dzogchen

Meditationssyteme sind im neuen Bön in drei Formen unterteilt:

  • 1. Das wichtigste der Meditationssysteme stellt das ZhangZhung Snyan grud dar, das auf einen Meister aus Zhang Zhung bis ins 8. Jahrhundert zurückgehen soll.
  • 2. A khrid soll auf einen Eremiten des frühen 11. Jahrhunderts zurückgehen. Diese Meditation ist in Perioden aufgeteilt, die ein bis zwei Wochen dauern. Anfänglich gab es 80 Perioden, später nur noch 15.
  • 3. Anfang des 11. Jahrhunderts fand man Texte, die Dzogchen beschrieben und von der 'höchsten Vollendung' handelten. Diese Texte ähneln denen der Nyingma.

Praktiken

Tibetischer Maskentänzer

Die Praktiken des Bön sind komplex und vielfältig. Grundlegend sind symbolische Handlungen und Rituale, die auch im alltäglichen Leben eine Rolle spielen, viele von ihnen sind als magisch zu verstehen. Schamanen und Priester, die zumeist auch außerhalb der Klosterkultur leben, haben häufig die Aufgabe, die Geister zu besänftigen und sich durch Opfergaben mit ihnen zu versöhnen. So sind Austreibung von Dämonen der Krankheit üblich, oder das Opfern von Teigfiguren, Zeremonialkuchen, Mehl und Butter. Die Bönpa glauben, dass ihre Religion schon immer aus Magie bestanden habe, und Shenrab Miwo selbst diese weitergegeben habe. Einige Praktiken des Bön sollen im folgenden beispielhaft dargestellt werden:

Mysterienspiele in denen Maskentänze und Gesänge aufgeführt werden, und Opfergaben dargebracht werden, gehören zu den Praktiken, die bis in die vorbuddhistische Zeit zurückreichen. Diese Tänze werden sTag dmar 'Cham, 'der Tanz des roten Tigerdämons', genannt und handeln oft von den alten Berggottheiten Tibets. Das ursprüngliche Cham war wahrscheinlich Fruchtbarkeitszauber und Dämonenaustreibung, auch anläßlich von jahreszeitlichen Festen. Die Cham-Tänze wurden vom Buddhismus übernommen und werden auch heutzutage noch aufgeführt.

Ebenfalls vom Buddhismus übernommen wurde der Phurba-Kult. Phurbus, bzw. Phurbas sind magische Dolche, die in vielen Ritualen eingesetzt werden, z.B. zur Dämonenbannung, für Wetterzauber und Hagelabwehr oder zur Reinigung von schädlichen Einflüssen. Der Meister Shenrab Miwo wurde stets mit einem großen Phurbu in der Hand abgebildet. Der Phurbu wurde jedoch auch immer zu schwarzmagischen Zwecken eingesetzt, so dass Phurbu-Zauberer auch gefürchtet waren. Der Fluch der wandernden Dolche z.B. sollte dazu dienen, ein Opfer auch über größere Entfernungen zu vernichten. Dazu wird der Phurbu in den Händen gerollt, mit magischen Formeln besprochen und mithilfe des Dolch-Gottes Phurpa geschleudert, um telekinetisch das Opfer zu treffen.

Zor-Rituale benutzen magische Waffen, die Zor, um schlechte Einflüsse abzuwehren. Zor sind zumeist aus Teig gemachte kleine Pyramiden, die mit magischen Kräften ausgestattet werden. Schleudert man einen Zor, so setzt er magische Kräfte frei, die den Feind oder das Unheil zerstören sollen.

Fadenkreuze, Mdos, werden als Geisterfallen hergestellt. Sie bestehen aus Fäden, die geometrische Figuren an gekreuzten Holzstäben bilden. Das Herstellen von Fadenkreuzen erfordert ein komplexes Ritual, in dessen Verlauf Gottheiten eingeladen werden, das Fadenkreuz zu beziehen. Fadenkreuze sind häufig über Haustüren angebracht, um das Haus und seine Bewohner zu schützen. Nach einer bestimmten Zeit wird das Fadenkreuz zumeist mit den darin gefangenen Dämonen verbrannt.

Sehr verbreitet sind Amulette und Talismane, die auch als Schmuck getragen werden, oft aus Koralle und Türkis oder in silbernen Behältnissen. Diese Glücksbringer werden von Männern, Frauen, Kindern und in allen sozialen Schichten getragen, häufig trägt man mehrere davon.

Schädliche Magie, die gegen Menschen gerichtet ist, soll von schwarzen Bönpa oder Nagspa (Zauberern) gegen Entlohnung ausgeübt werden. Auch hier gibt es viele Formen von Schadenszauber. Beispielsweise wird das Horn eines Wildyaks rituell mit einer Zeichnung des Opfers und mannigfaltigen unreinen Substanzen gefüllt, mit schwarzem Faden verschlossen und im Fundament der Behausung des Opfers verborgen.

Mythologie

Die Bön-Überlieferung ist reich an Mythen unterschiedlichster Art. Sie beziehen sich auf Kosmogonie, Theogonie und Genealogie, und es gibt eine Fülle von Schöpfungsmythen. Viele Mythen stellen sich konkret, andere philosophisch dar. Die verschiedenen Mythen sind regional gefärbt und bieten eine reichhaltige Vorstellungswelt, die trotz Gemeinsamkeiten kaum zu klassifizieren ist. Ursprünglich hatte wohl jede Region lokale Ahnengötter, und es gibt Hinweise, dass es auch vielfältige regionale Hauptgottheiten gab. Viele alte Mythen wurden im Laufe der Zeit als Symbole verstanden, die dem Heilsweg angehören.

In der Mythologie des Bön spiegelt sich der Prozess von sich aneinander angleichenden und sich wandelnden Glaubensvorstellungen und Kulten, die auch Erinnerungen an eine vorliterarische Überlieferung bewahrt haben. Diese beziehen sich häufig auf verschiedene Formen von Exorzismus und Magie. Da Bön ursprünglich eine Zauberreligion war, beziehen sich auch viele detaillierte Erzählungen oder Traktate, die auch rituell rezitiert wurden, auf die Ursprünge von Magie und Zaubergerätschaften.

Das Erzählen von Mythen hatte auch liturgische Zwecke, die rituelle Erzählung eines Ursprungsmythos sollte z.B. die Rückkehr zu einem ursprünglichen Zustand bewirken.

Wiederkehrende mythologische Motive sind die Unterscheidung zwischen dem Wohltuenden und dem Schädlichen, die Paarbildung von Gottheiten oder mythischen Wesen und die Einteilung in gute, böse und ambivalente Gottheiten. Auch die Sakralität von Bergen und Grotten oder von heiligen Orten ist ein immer wiederkehrendes Motiv. In einigen Überlieferungen werden die Berge auch mit den einzelnen Göttern identifiziert, und stellen wahrscheinlich auch Berg-Ahnen dar. Die heiligen Berge werden als Seele des Landes und als Schutz für die Menschen angesehen.Der wichtigste Berg in der Bön-Mythologie ist der Kailash (auch Ti Se). Der Kailash ist der Sitz der Himmelsgöttter, Mittelpunkt der Welt und verbindet Himmel und Erde. Er wird als riesiger Chörten aus Kristall oder als Palast bzw. als Sitz eines Palastes bestimmter Götter gedacht. Er hat vier Tore, die von Wächtern der Himmelsrichtungen bewacht werden.

Die heiligen Orte sind nicht nur real, sondern auch spirituelle Orte haben eine große Bedeutung in der Bön-Mythologie. So wird Tagzig Olmo Lungring als reines Land gedacht, das jenseits der unreinen Existenz liegt, und in dem alle Erleuchteten geboren werden. Olmo Lungring ist von ewigem Frieden und ewiger Freude erfüllt und wird als ewig während und unzerstörbar angesehen. Der Yungdrung-Bön hat hier seinen Ursprung und auch Buddha Shenrab Miwo wurde hier geboren.

Schöpfungsmythen des Bön stellen unterschiedliche mythologische Aspekte dar, in denen man z.B. auch zurvanitische oder shivaitische Einflüsse feststellen kann und es erscheinen theoretisch-philosophische Spekulationen. Diese Spekulationen der Bön-Mythologie beziehen sich in den unterschiedlichen Mythen häufig auf Ursprünge, von Göttern, Menschen, Stammeshäuptern. Der Ursprung wird zumeist als Zustand leerer Potentialität gedacht, aus dem ein Ur-Ei hervorgeht, das die Welt als Dasein hervorbringt oder die Welt des Daseins wird von einem ersten Wesen bewirkt.

Das Pantheon des Bön

In der Bön-Religion gilt jede natürliche Erscheinung als beseelt, so dass es eine fast unüberschaubare Fülle von Geistern, Göttern, Dämonen und Fabelwesen gibt. Diese Wesen leben an Orten, die in der Kosmologie des Bön benannt werden. Einige von ihnen sind für diese Religion besonders wichtig und überregional verbreitet.

Der Vogel Khyung

Khyung ist ein mythischer Vogel, der einen Stierkopf trägt, mit der Sonne und den Gewitterwolken verbunden ist, als mächtiger Schlangentöter gilt und eine der Hauptschutzgottheiten des Bön ist, da er gegen die Feinde des Bön kämpft. Er ähnelt dem indischen Garuda. Einerseits gilt er als Reittier des dämonischen dMu-Königs, andererseits begleitet er den hohen Weltgott Sangs po 'bum khri. Westlich des Kailash ist dem Khyung ein Tal geweiht, in dem den Mythen nach ein Silberschloss gestanden hat. Dieses Silberschloss kommt als heilige Stätte in den meisten Gebeten und Rezitationen des Bön vor.

Sangs po 'bum khri

Der Gott Sangs po 'bum khri ist eine Himmelsgottheit und gilt als Lenker (Srid pa) des gegenwärtigen Weltzeitalters. Man unterscheidet bei diesem Gott fünf Aspekte des Srid pa: Des Körpers, der Rede, des Verdienstes, der Werke und des Geistes. Der Gott ist von weißer Farbe und sein Thron wird von einem weißen Khyung mit grünen Flügeln getragen. Wie die Götter anderer Religionen hat auch er Funktionen des Erbarmens, der Erlösung und der Errettung. Bevor der Bön in Tibet entstand, soll es schon den Gott des Himmels gegeben haben, von dem dieser Bön-Gott auch abstammt.

Andere Namen für diesen Gott sind Lha chen sangs po dkar po, weißer reiner großer Geist, oder Bum khri gyal po in Westtibet. Es wird vermutet, dass dieser Himmelsgott mit dem zoroastrischen Ahure Mazda verwandt sein könnte oder von diesem abstammt, u.a. auch deshalb, weil der Bön Einflüsse von Zoroastrismus und Manichäismus aufweist.

Buddhistisches Bild von Palden Lhamo

Palden Lhamo

Palden Lhamo ist eine wichtige Göttin des tibetischen Buddhismus, sie ist jedoch älteren Ursprungs und wird deshalb auch von Bönpa verehrt. Im Bön wird sie auch Srid (pa'i) rgyalmo genannt. Sie gilt als Beschützerin der Bön-Tradition, als große Mutter und als Symbol der Rhythmen von Leben und Tod.

Pehar

Pehar oder Pekar ist eine wichtige Orakelgottheit, die auch von Buddhisten verehrt wird. Neben der Orakelfunktion hat er noch weitere vielfache Aufgaben, Würden und Pflichten, z.B. als Beschützer der Lehre, Religionswächter, Vernichter von Feinden, Freund der Heiligen und als Wächtergott über Zhang Zhung. Der buddhistischen Legende nach soll er von Padmasambhava gezwungen worden sein, den Buddhismus zu schützen.

Lha, bTsan, gNyan

In der Mythologie des Bön gibt es neben den einzelnen Göttern auch sehr viele verschiedene Gruppen von Geistwesen, die gutartig oder bösartig sein können. Einige sollen hier angeführt werden:

Lha sind himmlische Wesen, die als gutartig gelten. In jeder Himmelsregion gibt es unterschiedliche Gruppen von Lha. Die Lha verkörpern die göttliche Macht, mit der die Menschen verbunden sind. Einige Lha leben nicht in himmlischen Regionen, sondern sind z.B. der Gott des Herdes oder der Gott des Innen oder Außen. Die tibetische Hauptstadt Lhasa (Ort der Lha) ist nach den Lha benannt, und der König wurde als Enkel des Lha angesehen.

bTsan sind Gottheiten, die als besonders mächtig angesehen werden und auch im Buddhismus noch eine Rolle spielen. Sie leben in der Region zwischen Himmel und Erde, können aber auch an anderen Orten erscheinen, wie z.B. in Wäldern, Felsen, Gletschern oder Schluchten. Die Erscheinung der bTsan ist die von wilden Jägern, die von roter Farbe sind und auf roten Pferden reiten. Der König der bTsan trägt eine Kriegsrüstung, ein Banner und eine Schlinge. Die bTsan gelten als Beherrscher der unzähligen gNyan. bTsan können den Mythen nach Herzinfarkte und tödliche Krankheiten hervorrufen.

Die gNyan symbolisieren die Mitte und halten sich beispielsweise in Sonne, Mond, den Sternen, in Wolken, Regenbogen, im Wind und in den Felsen auf. Die gNyan sind auch mit den Himmelsrichtungen verbunden. Der Herrscher der gNyan trägt eine Rüstung mit Türkis-Ornamenten, ein Siegesbanner mit einer Gans darauf und hat ein kristallfarbenes Antlitz.

Literatur

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  • Christoph Baumer: Bön - Die lebendige Ur-Religion Tibets. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1999, ISBN 3-201-01723-X.
  • Andreas Gruschke: The Cultural Monuments of Tibet’s Outer Provinces. Kham - Volume 1. The TAR Part of Kham (Tibet Autonomous Region). White Lotus Press, Bangkok 2004, ISBN 3-89155-313-7, S. 80-84.
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  • Tenzin Wangyal Rinpoche: The Tibetan Yogas of Dream and Sleep. Snow Lion Publications, Ithaca, NY 1998. (Englische Ausgabe von Übung der Nacht), ISBN 1-55939-101-4.
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  • Lopön Tenzin Namdak, Karin Gungal: Der heilende Garuda - Ein Stück Bön-Tradition Garuda Verlag, Dietikon 1998, ISBN 3-906139-09-3.
  • John Myrdhin Reynolds (Vajranatha): The Oral Tradition From Zhang-Zhung. Vajra Publications, Kathmandu 2005, ISBN 99946-644-4-1 (http://vajranatha.com, nur über amerikanische Buchhändler zu beziehen)
  • Lopön Tenzin Namdak, John Myrdhin Reynolds: Bonpo Dzogchen Teachings. Vajra Publications, Kathmandu 2006, ISBN 99946-720-5-3 (http://vajranatha.com, nur über amerikanische Buchhändler zu beziehen)
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  • Gerhardt W. Schuster: Das alte Tibet. Geheimnisse und Mysterien. St.Pölten (u.a.); NP-Buchverlag 2000 ISBN 3-85326-137-X
  • Sebastian Schüler: Vom Synkretismus zum Padmaismus: Zum Verhältnis von Religion und Politik im frühen tibetischen Buddhismus unter Padma Sambhava Journal of Religious Culture, Nr. 137, 2010 http://web.uni-frankfurt.de/irenik/relkultur137.pdf
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Kanonkataloge

  • Per Kvaerne: The canon of the Tibetan Bonpos. in: Indo-Iranian Journal Vol 16 (1974), S. 18-56, 96-144.
  • Chandra Lokesh et. al.: Catalogue of the Bon-Po Kanjur and Tanjur. in: Indo-Asian Studies 2; New Dehli 1965.

Weblinks


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  • bon — BON, bonuri, s.n. 1. Bilet provizoriu pe baza căruia se eliberează o marfă, un bun etc. 2. Hârtie de valoare emisă de stat sau de o instituţie financiară recunoscută de stat. ♢ Bon de tezaur = obligaţie emisă de stat pentru sumele împrumutate pe… …   Dicționar Român

  • bon — Bon, m. Se rapporte tantost aux moeurs et conditions de l homme, et selon ce on dit, Voila un bon homme, Eccum tibi virum probum, et tantost à la robusteté, vaillance et force du corps, selon ce on dit, Il est bon chevalier, bon homme d armes, c… …   Thresor de la langue françoyse

  • Bon — /bon/; Fr. /bawonn/, n. Cape, a cape on the NE coast of Tunisia: surrender of the German African forces, May 12, 1943. Also called Ras Addar. /bawn/, n. an annual festival of the Japanese Buddhists, welcoming ancestral spirits to household altars …   Universalium

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