Bötzow-Brauerei

Bötzow-Brauerei
Logo der Brauerei auf einem Bierdeckel

Die Brauerei Julius Bötzow war eine Brauerei im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg und die größte Berliner Privatbrauerei. Sie bestand von 1864 bis 1945. Im Biergarten der Brauerei fanden 6.000 Besucher Platz.

Inhaltsverzeichnis

Brauereien in Berlin

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war das obergärige Weißbier in Berlin sehr gefragt. Dies änderte sich, als das bayerische „echte“ untergärige Bier immer beliebter wurde. Während noch 1860 rund 340.000 hl Weißbier und 150.000 hl untergäriges Bier in Berlin gebraut wurden, kehrte sich das Verhältnis in nur 15 Jahren um.

Da die meisten der Berliner Brauereien nicht das nötige Know-how und die technische Ausstattung für das untergärige Bier hatten, mussten viele Brauereien in dieser Zeit schließen. Allein die Familie von Julius Bötzow besaß drei Brauereien, die allesamt in dieser Zeit schließen mussten. Nach der Reichsgründung 1871 begannen gerade Großstädte wie Berlin rasant zu wachsen. Der enorme Bevölkerungszuwachs hatte auch einen Boom der Nahrungs- und Genussmittelindustrie zur Folge. Allein im Prenzlauer Berg gab es um 1900 vierzehn Brauereien:

Die Bötzow-Brauerei in der Prenzlauer Allee um 1900
  • die Schultheiss-Brauerei-AG in der Schönhauser Allee (heute Kulturbrauerei)
  • die Brauerei Königstadt AG
  • die Malzbierbrauerei Christoph Groterjan & Co GmbH
  • die Weißbierbrauerei „Zum Berliner Bären“ (Kienz)
  • die Brauerei Pfefferberg
  • die Actien-Brauerei Friedrichshain
  • die Berliner Weißbierbrauerei AG (Landré-Breithaupt)
  • die Bayerische Malzbier Brauerei Max Böhm
  • die Berliner Stadtbrauerei A. Lorch & Co GmbH
  • die Brauerei Saxonia
  • die Brauerei Schneider mit dem Biergarten „Schweizer Garten“
  • die Brauerei Weißenburg E. Lewin
  • das Volksbrauhaus Georg Tarlau und
  • die Bötzow-Brauerei als größte Berliner Privatbrauerei.

Lage

Die Brauerei befand sich auf einem über 30.000 m² großen Areal zwischen Prenzlauer Allee 242–247, Metzer Straße, Straßburger Straße und Saarbrücker Straße im heute als Kollwitzkiez bezeichneten Wohnquartier. Einige Bauten sind bis heute erhalten.

Unternehmensgeschichte

Julius Bötzow (1871)
Brauereigelände um 1900
Der Brauerei-Eingang um 1900
Liebknecht-Gedenkstein an der Bötzow-Brauerei
Die Reste der Brauerei 2006

Am 13. April 1864 eröffnete der 1839 geborene Berliner Großgrundbesitzer Julius Bötzow seine Brauerei in der Alten Schönhauser Straße 23/24. Diese und etwas Startkapital hatte er von seinem Onkel Franz Bötzow erhalten, der den Geschäftssinn seines Neffen früh erkannte. Julius Bötzow hatte sich während seiner Lehre beim Amtsrat Schulz in Grüntal intensiv mit der Herstellung und dem Vertrieb von untergärigem Bier beschäftigt. Er baute die Brauerei seines Onkels komplett um. So wurde hier der erste Dampfkessel in einer Berliner Brauerei installiert. Aufgrund eines enormen Zuspruchs begann Bötzow wenige Jahre später am Windmühlenberg in der Prenzlauer Allee einen 4.000 m² großen unterirdische Lagerkeller und einen fast 6.000 Menschen fassenden Biergarten anzulegen. 1884 baute Bötzow auf diesem Areal Erweiterungsbauten, die teilweise bis heute erhalten sind.

Im März 1885 wurde mit der Bierherstellung auf dem Windmühlenberg begonnen. Bereits ein Jahr später durfte sich Bötzow als erster Brauer im Deutschen ReichHoflieferant seiner Majestät des Königs von Preußen[1] nennen. Durch neuartige Dampfkessel kam die Brauerei bereits zu dieser Zeit auf eine Produktionskapazität von 210.000 Hektolitern. Bötzow war stets einer der Ersten, der Neuerungen in seiner Brauerei einführte. So wurde 1887 ein noch größeres Sudhaus gebaut und eine moderne Flaschenbierabfüllung eingeweiht. Es wurde ein helles Versandbier, das Dunkle Nürnberger und ein helles Julherna-Bier gebraut. Das Wohnhaus der Familie Bötzow an der Prenzlauer Allee wurde bis 1900 zu einer prunkvollen Villa ausgebaut und wurde „Schloss im Norden“ genannt. Zu dieser Zeit hatte die Brauerei bereits 2 Direktoren, 7 Buchhalter und 350 Arbeiter und Angestellte.

Julius Bötzow erkannte, dass der Vertrieb seines Bieres besonders wichtig war. Neben dem riesigen Biergarten auf dem Windmühlenberg gab es 10 weitere Spezial-Ausschanklokale der Bötzow-Brauerei, so zum Beispiel der „Königshof“ in der Bülowstraße und ein Ausschank im „Architekten-Haus“ in der Wilhelmstraße, später ein prachtvoll eingerichtetes Lokal im „Monopol-Hotel“ in der Friedrichstraße und das „Bötzow-Stüb´l“ am Kurfürstendamm.

Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges starb Julius Bötzow am 9. Juli 1914. Die Brauerei wurde zunächst als Offene Handelsgesellschaft weitergeführt, ab 1918 als Kommanditgesellschaft. Dabei blieben stets alle Gesellschaftsanteile in der Familie Bötzow. Die Erben mussten mit ansehen, wie während des Krieges der Bierkonsum zurückging und die Malzkontingente immer geringer wurden.

In den Nachkriegswirren des Jahres 1919 fand im Biergarten der Brauerei die Gründung des Revolutionsausschusses aus Mitgliedern der KPD und der USPD unter der Leitung von Karl Liebknecht statt. An dieses Ereignis erinnert heute noch ein Gedenkstein oberhalb der Kreuzung Prenzlauer Allee/Saarbrücker Straße des Bildhauers Otto Maercker aus dem Jahr 1959. Die bereits verblichene Inschrift unter dem Liebknecht-Bildnis lautet „Karl Liebknecht – Kämpfer gegen Militarismus und Krieg führte von hier aus die Kämpfe der revolutionären Arbeiter und Soldaten am 7. und 8. Januar 1919“. Am 26. Oktober 1923 gab die Bötzow-Brauerei eigenes Notgeld in Scheinen à 10 Milliarden Mark heraus. Zu dieser Zeit kostete ein halber Liter Bier 500 Milliarden Mark.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Brauerei grundlegend erneuert. Im Sudhaus wurde eine über 600 Hektoliter fassende Würzepfanne eingebaut. Die Flaschenabfüllung wurde mit den neuesten automatisch arbeitenden Maschinen ausgestattet.

Nach dem Tod von Julius Ludwig Bötzow, dem ältesten Sohn des Gründers, wurde die Brauerei am 18. Juli 1927 in die Josef Bötzow Brauerei-Aktiengesellschaft umgewandelt. Aus dem Aktienerlös wurden zahlreiche soziale und kulturelle Projekte unterstützt, so eine umfangreiche Schenkung an das Märkische Museum.

Ab 1929 wurde die Marke Bötzow-Privat hergestellt. 1938 wurde die Brauerei wieder in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt. Hermann Bötzow, der zweitälteste Sohn des Gründers, fungierte hierbei als persönlich haftender Gesellschafter. Aufgrund seiner Nähe zum NS-Regime beging dieser im April 1945 Selbstmord. Noch während des Zweiten Weltkrieges wurden große Teile des Fabrikgeländes zerstört, hierbei die Villa und das Ausschankgebäude vollständig.

Das Areal nach 1945

Wenngleich auch einige Teile nach 1945 als Brauerei (1948/49), Lagerhallen für die VVB Fischwirtschaft und als Spirituosen- und Tabaklager genutzt wurden, blieb das Gelände des Biergartens bis heute eine Brachfläche. Nach 1990 wechselte das Gelände mehrfach den Besitzer. Zunächst wurde das Areal 1995 für 48 Mio. DM an eine Firma aus Süddeutschland verkauft. Diese veräußerte es weiter an die Metro AG, die auf dem Areal einen Großmarkt mit 40.000 Quadratmeter Fläche vorsah. Weitere Pläne wie ein Dienstleistungszentrum oder der Bau von Lofts kamen nie zur Ausführung. Seit 1990 steht der Komplex unter Denkmalschutz.

Ende 2010 wurde das 25.000 Quadratmeter große Brauereigelände an den Unternehmer Hans Georg Näder verkauft. Dieser plant, ein medizinisches Kreativzentrum zu errichten. Die Otto Bock Health Care will ihren Forschungs- und Entwicklungsbereich hier ansiedeln und die Firma plant eine Rollstuhlmanufaktur. Die Architekten Eric van Geisten und Georg Marfels entwickeln ein Projekt für eine Mischnutzung aus Gewerbe und Wohnungen.

Literatur

  • 75 Jahre Julius Bötzow Brauerei Berlin. 1864–1939. Verlag Hoppenstedt, Berlin 1939
  • Hopfen & Malz. Geschichte und Perspektiven der Brauereistandorte im Berliner Nordosten. TEXTPUNKT Verlag, 2005, ISBN 3938414324

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 75 Jahre Julius Bötzow Brauerei Berlin. 1864–1939. Verlag Hoppenstedt, Berlin 1939
52.53027777777813.417222222222

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