Bürckel

Bürckel

Josef Bürckel (* 30. März 1895 in Lingenfeld (Pfalz); † 28. September 1944 in Neustadt an der Weinstraße) war ein nationalsozialistischer Gauleiter und Bürokrat in hohen politischen Ämtern. Zwischen 1935 und 1936 war er „Reichskommissar für die Rückgliederung des Saarlands“, ab 1938 „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich“ und von 1940 bis 1944 Reichsstatthalter der Westmark in Neustadt an der Weinstraße sowie Chef der Zivilverwaltung (CdZ) in Lothringen. Bekannt wurde er auch durch die Wagner-Bürckel-Aktion, bei der 1940 in der Westmark mehr als 6000 Juden deportiert und interniert wurden.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Bürckel war Sohn eines Handwerkers. Er war katholisch. Von 1909 bis 1914 besuchte er die Lehrerbildungsanstalt in Speyer. Von 1914 bis 1918 nahm er als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teil. 1920 bestand er die Staatsprüfung für das Lehramt und war anschließend als Volksschullehrer tätig.

Bürckel trat 1921 in die NSDAP ein[1]. 1923 beteiligte er sich an Aktionen gegen die separatistische Bewegung in der Pfalz. 1925 trat er der zuvor verbotenen NSDAP erneut bei[2]. Ab 1926 war Bürckel NSDAP-Gauleiter der Rheinpfalz; ab 1933 zugleich Gauleiter des noch von Frankreich verwalteten Saargebiets[1]. Die Ernennung zum Gauleiter beziehungsweise kommissarischen Leiter des Saargebiets erfolgte somit zwei Jahre vor dem „Wiederanschluss“ des Saargebiets an das Deutsche Reich. 1935 wurde der Gau Saarland mit dem Gau Rhein-Pfalz zum Gau Saarpfalz zusammengeschlossen, der 1942 um Lothringen zum Gau Westmark erweitert wurde. Sitz der Gauleitung war zunächst Neustadt an der Weinstraße, ab 1940 Saarbrücken. Bürckel übte das Amt des Gauleiters bis zu seinem Tod im Jahre 1944 aus.

Seit 1930 war Bürckel Mitglied des Reichstags. Im Jahre 1934 wurde er von Adolf Hitler als Saarbevollmächtigter eingesetzt[2]. Zwischen 1935 und 1936 war er „Reichskommissar für die Rückgliederung des Saarlands“[1]. Damit übte er ein Amt aus, dass der Position eines Reichstatthalters entsprach, „wobei ihm hier jedoch keine landeseigene Regierung zur Seite stand“[3]. Das Saargebiet, das er zu verwalten hatte, war das erste von den Nationalsozialisten geschaffene „führerunmittelbare Territorium“, in dem der Reichskommissar neben seiner Position als oberster Präsentant der Reichsaufsicht zugleich die Funktion eines Regierungschefs ausübte[3]. Daneben war Bürckel seit 1936 SA-Obergruppenführer und ab 1937 SS-Gruppenführer. Ebenfalls war er Obergruppenführer im NS-Kraftfahrkorps. 1937 schrieb Goebbels über ihn in sein Tagebuch: „Er ist ein ganz undisziplinierter Bursche“[2].

1938 erhielt Bürckel den Auftrag, die seit 1934 in Österreich verbotene NSDAP zu reorganisieren und das Plebiszit zum „Anschluss an das Deutsche Reich“ vorzubereiten. Nach der Abstimmung wurde er noch im selben Jahr „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich“ und somit ein Beauftragter für die Gleichschaltung Österreichs[2]. Die Gleichschaltung bezog sich zunächst auf das Kommissarwesen: In Österreich soll es bis zu diesem Zeitpunkt rund 25 000 so genannte „wilde Kommissare“ gegeben haben (vor allem in Wien), für die es laut Wiener Zeitung vom 3. Juni 1938 „in einem geordneten Wirtschaftsleben auf Dauer keine Beschäftigung“ mehr geben könne[4]. Einige dieser Kommissare hätten zudem, wie in der Zeitung ergänzt wurde, bereits „Mein und Dein“ verwechselt. Im Juli 1938 brachte Bürckel das Kommissarwesen endgültig unter seine Kontrolle[4].

Zwischen 1939 und 1940 war er zusätzlich Gauleiter in Wien, Reichsstatthalter der Ostmark und Reichsverteidigungskommissar (Wehrkreis XVII)[2].

Ab August 1940 war Bürckel Reichsstatthalter der Westmark in Neustadt an der Weinstraße und Chef der Zivilverwaltung (CdZ) in Lothringen[2]. Das Amt des CdZ übte er bis zu seinem Tod im Jahre 1944 aus[1].

In Lothringen organisierte er die Deportation der nach 1918 zugezogenen französischen Familien und der alteingesessenen „Franzosenfreunde“ nach Innerfrankreich. Am 22. Oktober 1940 ließ er in der Westmark bei der Wagner-Bürckel-Aktion alle etwa 6000 Juden in Konzentrationslager deportieren, die im unbesetzten Vichy-Frankreich lagen, z. B. in das Camp de Gurs. Von den Deportierten kamen viele bereits in den ersten Wochen und Monaten infolge der Strapazen um, die meisten der Überlebenden wurden ab 1942 in Vernichtungslagern ermordet.

Bürckel starb am 28. September 1944 durch Suizid[1].

Literatur

  • Peter Hüttenberger: Die Gauleiter. Studie zum Wandel des Machtgefüges in der NSDAP. Stuttgart 1969, DNB
  • Dieter Muskalla: NS-Politik an der Saar unter Josef Bürckel. Gleichschaltung, Neuordnung, Verwaltung. Saarbrücker Dr. und Verl., Saarbrücken 1995, ISBN 3-925036-94-6.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e Wolf Gruner: Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945. Bd. 1: Deutsches Reich 1933-1937. München / Oldenbourg 2008, S. 558, ISBN 3-486-58480-4
  2. a b c d e f Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1945. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, S. 82
  3. a b Michael Wedekind: Nationalsozialistische Besatzungs- und Annexionspolitik in Norditalien 1943 bis 1945. Die Operationszonen „Alpenvorland“ und „Adriatisches Küstenland“. München / Oldenbourg 2003, S. 96 f., ISBN 3-486-56650-4 (Quelle: Peter Hüttenberger: Die Gauleiter. Stuttgart 1969, S. 140 ff.)
  4. a b Jörg Osterloh: Nationalsozialistische Judenverfolgung im Reichsgau Sudetenland 1938-1945. München / Oldenbourg 2006, S. 314, ISBN 3-486-57980-0

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