Dominique Görlitz

Dominique Görlitz

Dominique Görlitz (* 15. Juni 1966 in Gotha) ist ein deutscher Amateurexperimentalarchäologe und Autor. Der ehemalige Lehrer für Sport und Biologie wird in den Medien auch als „Abenteurer“, „Vegetationsgeograph“ und „Steinzeit-Segler“[1] bezeichnet, allerdings besitzt er keinen Segelschein.[2]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Görlitz beschäftigt sich, angeregt durch die Berichterstattung über Thor Heyerdahl, seit seiner frühen Jugend mit dem prähistorischem Schilfbootbau. In seiner Schulzeit baute er mit Schulkameraden kleine Versuchsboote an dem thüringischen Flüsschen Nesse.

Dominique Görlitz studierte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Sport und Biologie auf Lehramt. Zusammen mit Kommilitonen und seiner Lebensgefährtin Cornelia Lorenz begann er nach wissenschaftlichen Vorlagen, besegelte Schilfboote zu bauen.

Nach Studium und Referendariat war er als Gymnasiallehrer angestellt. 1995 begann er als Lehrer mit Schülern im Rahmen von Jugend forscht mit der Rekonstruktion von frühen Booten. Von 2000 bis 2004 lehrte er am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Limbach-Oberfrohna. Die an dieser Lehranstalt gegründete Arbeitsgemeinschaft „Experimentelle Archäologie“ liefert Vorarbeiten für die Abora 2.

Görlitz, der seit 2003 Mitglied des New Yorker Explorers Club ist, schreibt zurzeit seine Doktorarbeit über „Transatlantischen Kulturpflanzentransfer in der Vorzeit“ an der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Immer wieder wird der 2002 verstorbene Norweger Thor Heyerdahl als das Görlitz'sche Vorbild genannt. Gleich wie Heyerdahl, mit dem er persönlich bekannt war, versucht Görlitz zusammen mit seiner Partnerin Cornelia Lorenz und den Schilfboot-Expeditionen über den Atlantik „die Geschichte umzuschreiben“.[2] Auf seiner Homepage bezeichnet er seine Projekte als das „größte maritim-wissenschaftliche Abenteuer seit Thor Heyerdahl“.[2]

Projekte und Expeditionen

Einbaum

1995 und 1996 testete die Projektgruppe „Experimentelle Archäologie“ zwei sechs Meter lange Einbäume aus Pappelholz mit Segel auf dem Stausee Wangenheim und auf der Ostsee.

Dilmun

Dilmun (Dilmun war ein heiliger Ort der sumerischen Mythologie) ist der Name vierer Schilfboote.

Dilmun I

Die Dilmun I war ein elf Meter langes und acht Tonnen schweres Schilfboot, das Görlitz 1990 anlässlich des 20. Jubiläums der Atlantiküberquerung der RA II anfertigte und in Greifswald in der Ostsee zu Wasser gelassen wurde. Die Manövrierfähigkeit war jedoch stark eingeschränkt.

Dilmun II

Die Dilmun II war ein etwa sechs Meter langes Schilffloß, das 1993 nach vorägyptischen Felsbildern mit Hilfe beweglicher Seitenschwerter am Stausee Wangenheim leicht unter 90° am Wind zu segeln war.

Dilmun III

Die Dilmun II wurde modifiziert und als Dilmun III 1994 auf der Kieler Woche auf ihre Seetauglichkeit getestet. Sie lieferte das Fundament für die späteren Schilfboot-Experimente unter dem Namen Abora.

Dilmun IV

Görlitz beabsichtigt 2010 mit der Dilmun IV den Atlantik in West-Ost-Richtung zu überqueren und damit seine These zu belegen, dass mit primitiven Schiffen prinzipiell schon zur Steinzeit Seehandel möglich gewesen war. Die von Görlitz genutzte Bootsbautechnik stammt vom Titicaca-See. Die Dilmun IV wurde in Bolivien gebaut, der Stapellauf erfolgte am Stausee Wangenheim, dem erste Segelexperimente auf dem Wasser folgten. Am 23. Mai 2009 wurde die Dilmun IV auf dem Bodensee mit einer Fahrt vom Pfahlbaumuseum Unteruhldingen zur Insel Mainau getestet, wo sie bei völliger Flaute manövrierunfähig wurde und in den Hafen der Mainau geschleppt werden musste.

Abora

Abora (nach der kanarischen Gottheit Abora) ist der Name dreier Schilfboote. Die offizielle Schreibweise für die Namen der Boote ist ABORA.

Abora I

Die zwischen 1996 und 1999 konzipierte, gebaute und eingesetzte Abora I war ein kielloses Schilfboot, das mit Hilfe der Seitenschwertsegeltechnik quer und gegen vorherrschende Winde zu steuern war. Die Seefahrt von Alghero nach Piombino lieferte Erkenntnisse für die nachfolgenden Schilfbootexpeditionen Abora II und Abora III.

Abora II

Die Abora II segelte im Jahre 2002 über das Mittelmeer von der ägyptischen Hafenstadt Alexandria nach Zypern und zurück; Görlitz wollte nachweisen, dass auch mit steinzeitlichen Booten aus Schilf und Holz Hochseefahrten gegen den Wind möglich gewesen wären.

Abora III
Abora III in Jersey City, Juni 2007

Am 11. Juli 2007 startete die Abora III-Expedition in New York, um über den Atlantik nach Spanien zu segeln. Ein Großteil des Bootes wurde in Bolivien von Aymara-Indios am Titicaca-See geflochten, die schon für Thor Heyerdahl gearbeitet hatten. Im Unterschied zu Heyerdahls Papyrusbooten Ra I und Ra II verwendeten die Bootsbauer bis zu fünf Meter lange Seitenschwerter, die geringere Abdrift und somit ein besseres Navigieren am Wind ermöglichen. Görlitz entdeckte diese Technik auf jungsteinzeitlichen Felszeichnungen, die er 15 Jahre lang gesammelt hatte.

Als weitere Belege für die Möglichkeit einer transatlantischen Schiffsüberquerung im Altertum führt Görlitz den Fund gehäckselter Tabakblätter in der Mumie von Ramses II. (1298 v. Chr. bis 1213 v. Chr.) an. Weiterhin fand man in ägyptischen Gräbern Reste mexikanischer Tabakkäfer.[3] Da die Tabakpflanze aus Amerika stammt und außerhalb Amerikas erst seit Kolumbus bekannt ist, wäre dies ein wichtiges Indiz für eine mögliche Atlantiküberquerung vor der Neuzeit.

Nach einem ersten Sturm brachen drei Seitenschwerter, die jedoch per Schiff von einem der amerikanischen Förderer dieses Projekts mit weiteren acht Ersatzschwertern nachgeliefert wurden und ersetzt werden konnten. Mitte August, nach 650 km der insgesamt rund 7000 km, verzögerte eine Flaute den Zugang zur Golfstrom-Drift, mit dem man die Azoren als Zwischenziel ansteuern wollte.

Die zwölf Meter lange und vier Meter breite Abora III musste bis Montag, 27. August 2007, einen dreitägigen, schweren Sturm überstehen. Hohe Wellen hatten das Heck beschädigt, zwei Schwerter und die Achtersteven wurden zerstört. „Expeditionsleiter Görlitz habe alle wichtigen Dinge aus dem hinteren Teil des aus 17 Tonnen Schilf nachgebauten Steinzeitbootes retten müssen, unter anderem das noch intakte Steuerruder.“[4]

Am 6. September 2007 brach Dominique Görlitz das Experiment etwa 900 Kilometer vor den Azoren ab. Eine neuerliche Schlechtwetterfront wäre ein zu großes Risiko gewesen. Die elf Personen umfassende Mannschaft wechselte auf ein Begleitboot. Das Schilfboot wurde mitsamt dem Radarreflektor der See überlassen. Trotz des Abbruchs zog Görlitz ein positives Fazit nach 56 Tagen auf See und plant nach seiner Dissertation eine weitere Atlantiküberquerung.[5]

Untersuchungen am Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben zu den Pflanzensamen (Kokosnuss, Baumwolle und Kürbis), die die Abora im Wasser hinter sich herzog, ergaben, dass die Keime nach Monaten im Salzwasser unfruchtbar werden. Daraus folge, dass ein interkontinentaler Kulturpflanzenimport nur per Schiff möglich sei und nicht als Treibgut wie bisher angenommen.[6]

Kontroverse

Kurz vor dem Start von Abora III trat neben dem Arzt auch der Journalist und Skipper Winfried Burmeister[7] von dem Vorhaben zurück, weil er mit dem Hinweis auf schwerwiegende Sicherheitsmängel die Verantwortung für Schiff und Besatzung nicht übernehmen wollte.[8] Burmeister teilte weiterhin mit, dass der Schiffbauer und Aymara-Indio, Fermin Arriatia (bzw. Fermin Limachi) sich ebenso wie er aus „Angst“ kurzfristig entschieden habe, nicht mitzusegeln.[8] Dieser Angabe widersprach der in New York stationierte Sprecher der Abora III-Mission, Michael Grünert, und äußerte, dass Arriatia zwar hatte mitsegeln wollen, jedoch kein Visum für Spanien bekommen habe.[9] In mehreren Interviews unter anderem für den MDR, n-tv, Sat.1 bezeichnete Burmeister die Expedition unter den gegebenen Umständen als „Hazard-Ritt“ eines profilsüchtigen Wissenschaftlers.[10] Görlitz widersprach per Satellitentelefon seiner Darstellung und äußerte, dass er Burmeister entlassen habe, weil dieser sich nicht genügend für die Mission engagiert habe.[11]

Weiterhin trat Görlitz den Befürchtungen entgegen, das Boot könne extremen Wettersituationen nicht standhalten. „Man habe das Boot im Strömungskanal getestet, es könne weder voll laufen noch untergehen.“[12] Die größere Gefahr ginge hingegen vom Hochsee-Schifffahrtsverkehr aus, da das metallfreie Schilfboot nicht per Radar zu orten sei, doch dafür sei ein Radarreflektor mit an Bord.[13] Die Abora III stehe auch in Funkkontakt mit den Container- und Kreuzfahrtschiffen und dank mehrerer GPS-Sender sei ihr Aufenthaltsort immer bekannt. Entgegen der Stimmung der beiden abgesprungenen Mannschaftsmitglieder sei die Stimmung an Bord hingegen sehr gut.

Abora IV

Görlitz sucht bereits nach finanzstarken Sponsoren für die Fortsetzung der Abora-Expeditionsreihe. Die Abora IV soll aus Konstruktionsfehlern und Erfahrungen, die man aus der Abora III-Expedition gezogen hat, modifiziert werden.

Ehrungen

  • Am 23. April 2008 trug sich Görlitz ins Goldene Buch der Stadt Chemnitz ein.

Werke

Filme

  • Abora. Letzte Position Atlantik. Dokumentation, Deutschland, 44 Min., Buch und Regie: Rudolph Herzog, Produktion: ZDF, Erstausstrahlung: 30. März 2008, Online-Video

Fußnoten

  1. Steinzeit-Segler. „Sorry, Kolumbus!“, Spiegel Online, 12. Juli 2007
  2. a b c Josephina Maier: Sorry, Dominique!. In: spektrumdirekt vom 20. Juli 2007
  3. „Segeln wie die Steinzeitmenschen“, Hamburger Abendblatt vom 26. Juli 2007
  4. Schilfboot „Abora III“ in Seenot - Atlantiküberquerung droht zu scheitern, dpa / Hamburger Abendblatt, 29. August 2007
  5. „Schilfboot „Abora III“ bricht Atlantiküberquerung ab“, Tagesspiegel, 6. September 2007
  6. „Was bleibt von der Fahrt?“ ZDF, 30. März 2008
  7. Helfer, abora3.de, 2007
  8. a b „Diese Expedition ist der reine Wahnsinn“, Die Welt, 23. Juli 2007
  9. „Steinzeit-Segelboot. Wind von allen Seiten“, Süddeutsche Zeitung, 24. Juni 2007
  10. „Abora III Expedition: Tote nicht ausgeschlossen. Ein Vortrag des Ex-Skippers Winfield Burmeister“, PR-inside.com, 31. Juli 2007
  11. „Abora III. Kein Schiff wird kommen“, Süddeutsche Zeitung, 5. September 2007
  12. «Abora»-Kapitän weist Kritik an Atlantik-Überquerung zurück, PR-inside.com, 29. Juli 2007
  13. „Wie gefährlich ist der Steinzeit-Segler?“ Spiegel Online, 24. Juli 2007

Weblinks



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