Al-Mukanna

Al-Mukanna

Al-Mukanna (dt. „der Verschleierte“) war der Anführer eines antiarabischen und antiislamischen Aufstandes in Sogdien (Frühjahr 776 bis 779). Er wird u.a. bei dem Bucharer Historiker Narshakhi (ca. 950) beschrieben.

Inhaltsverzeichnis

Begleitumstände

Nach der Errichtung des Kalifats beugten sich die Perser den Arabern, nahmen aber den Islam nicht so einfach und unhinterfragt hin. Die neue Religion hatte in Chorassan und Transoxanien noch wenig Wurzeln geschlagen: z.B. lebten noch viele Manichäer in Samarkand, wo al-Mukanna Unterstützung erhielt, und es gab noch Buddhisten in Süd-Transoxanien. Es war nur eine Frage der Zeit, bis neue Propheten auftauchten und dem Islam alte persische und indische Religionsbegriffe entgegensetzten. Das Problem wurde mit der Errichtung der Abbasiden-Herrschaft verkompliziert, da die neue Dynastie Kleinkönige und Dihqane (d.h. den Landadel) um ihre lokal begrenzte Autorität brachte und eine direkte Verwaltung errichtete, d.h. religiöse, politische und kulturelle Autonomie beseitigte. Daher zeigte sich z.B. Bunijat ibn Tugschada, der Herr der Buchara-Oase, den Weißhemden und al-Mukanna zugeneigt und musste von einer Reiterabteilung des Kalifen getötet werden.

Herkunft und Lehre

Al-Mukanna (der Verschleierte) war ursprünglich ein Walker aus Merw. Sein wirklicher Name ist unklar: nach Al-Chwarizmi hieß er Hashim b. al-Hakam und nach Ibn Challikan hieß er Ata. Er stammte aus einer Familie, die Abu Muslims (gest. 755) persischer Bewegung verbunden war, nahm danach an einer Rebellion teil und wurde in Bagdad inhaftiert, bis er fliehen konnte. Dann sah er sich als Prophet an und predigte in Merw, wo man ihn aber kannte und nicht ernst nahm, so dass er nach Transoxanien ging.

Nach Ibn Challikan war er von kleiner Statur, krank, blind auf einem Auge, ein Stotterer und er versteckte sein Gesicht unter einer goldenen Maske.

Der göttliche Geist – so lehrte er (laut Ibn Challikan, Ibn Athir, Ibn Chaldun u.a.) – offenbarte sich zuerst in der Gestalt Adams und forderte zu Recht die Verehrung der Engel, dann in der Noahs, dann in anderen Propheten: Abraham, Mose, Christus, Mohammed, Ali, Mohammed Ibn Alhanafijjeh und zuletzt Abu Muslim und danach ihm selbst. Laut al-Biruni verlangte er die Befolgung der Lehren des Mazdak (Gütergemeinschaft, Promiskuität[1]). Nur zwei von elf Namen seiner Unterstützer waren muslimische Namen und seine Bewegung wird häufig als antiislamisch eingeschätzt.

Seine Bewegung hatte aber auch soziale Aspekte, denn ihr wird auch die Abschaffung von Eigentum zugeschrieben, für die Verfolgung der Landbesitzer und die Verteilung ihres Eigentums gibt es jedoch keine Hinweise. Al-Mukanna erhielt nur wenig Unterstützung aus den Städten, stattdessen hauptsächlich von der Landbevölkerung und aus den Bergen.

Er wurde in zwei persischen Gedichten verewigt, in denen er einen falschen Mond aus einem Brunnen in Nachschab beschwor, der Nacht für Nacht besucht wurde.

Kämpfe gegen das Kalifat

Al-Mukanna setzte sich in Kesch fest und verband sich mit den Rebellen in Buchara, die zum Zeichen ihres Abfalls vom Abbasiden-Kalifat[2] weiße Hemden trugen, und ebenso mit den Turkstämmen nördlich und östlich von Buchara (Karluken, Oghusen), die er zu Angriffen auf die Muslime einlud. Bei den Kämpfen um Transoxanien wurden drei Feldherren des Kalifen al-Mahdi zurückgeschlagen und ein weiterer Feldherr (Jibra’il b. Yahya) hatte nur Teilerfolge. Er versagte zunächst vier Monate lang vor Buchara gegen die Weißhemden und okkupierte dann Samarkand. Die Rebellen erholten sich aber 777 wieder und besetzten fast das gesamte Kashka-Darya-Gebiet bis hinunter nach Termez. Danach brachten sie den Regierungstruppen eine Niederlage bei und holten sich Samarkand zurück, diesmal mit Hilfe der Karluken. Samarkand wechselte so dreimal den Besitzer. Daher musste das Kalifat erst die Niederschlagung eines weiteren Aufstandes in Chorassan (Jusuf al-Barm -778) abwarten und syrische Truppen heranziehen, bis es entscheidend gegen al-Mukanna und die Weißhemden in Buchara vorgehen konnte.

Sein Ende

Trotz des großen Aufgebotes zögerte sich die Vernichtung al-Mukannas weiterhin hinaus, hauptsächlich aufgrund von Streitigkeiten zwischen dem neu ernannten Gouverneur Mu’adh b. Muslim und seinem Militärbefehlshaber Said al-Harashi, die letzterer für sich entschied.

Dann belagerte al-Harashi den Bruder al-Mukannas in Nevaket (heute Kamay-tepe bei Shahr-i Sabz) und danach al-Mukanna selbst. Dieser wurde von seinen Anhängern im Stich gelassen. Nur 2.000 Mann blieben bei ihm und verteidigten die Bergfestung Sanam[3] zwei Jahre lang, d.h. bis 163 n. H. (779/80).[4] Al Mukanna vergiftete in aussichtsloser Situation seine Frauen und sich selbst, seine letzten Anhänger wurden von den Muslimen massakriert. Nach seinem Tod versuchte man ihn angeblich auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen, damit seine Leute an ein Wiedererscheinen glauben. Das misslang aber und so wurde sein abgeschlagenes Haupt zum Kalifen nach Haleb geschickt.

Seine Sekte, die al-Mubayyida (Weißhemden) existierten noch bis ins 12. Jahrhundert.[5]

Anmerkungen

  1. Vgl. zu dem Thema die Schilderungen aus dem 10. Jahrhundert bei Madelung/Walker: An Ismaili heresiography. S. 76
  2. Die gegenteilige Vermutung lautet, dass sich die Bezeichnung einfach aus der gewöhnlichen Landarbeiterkleidung ergab.
  3. Der Name der Festung wurde nicht wieder erwähnt und daher weitestgehend vergessen. Aber Shihab ad-Din (Yakut) al-Hamawi, auf den sich Ibn Challikan hier beruft, erwähnte in diesem Zusammenhang Sanan/Sanam im Kanton von Kassh bzw. Kesch (Transoxanien, heute Kitab und Shahr-i Sabz). Das war eine Bergfestung am Oberlauf des Kashka-Darya. Vgl. Ibn Khallikan’s biographical dictionary. S. 206
  4. Gelegentlich wird sein Ende auch auf 166 n. H. bzw. 783 datiert, z.B. bei Albaum/Brentjes: Herren der Steppe. S. 18, Madelung/Walker: An Ismaili heresiography. S. 74, Soucek: A history of inner Asia. S. 65.
  5. Asimov, Bosworth u.a.: History of Civilizations of Central Asia. S. 50.

Literatur

  • Ibn Khallikān (übersetzt von William MacGuckin Slane): Ibn Khallikan’s biographical dictionary. Band II, Paris 1843.
  • Gustav Weil: Geschichte der Chalifen. Band II: Die Abbasiden bis zur Einnahme von Bagdad durch die Bujiden, 32–334 d.H. (749–945 n. Chr.). Metzler, Mannheim 1848.
  • M. S. Asimov, C. E. Bosworth u.a.: History of Civilizations of Central Asia. Band IV: The Age of Achievement. AD 750 to the End of the Fifteenth Century. Part One: The Historical, Social and Economic Setting. Paris 1998.
  • Wilferd Madelung, Paul Ernest Walker: An Ismaili heresiography. The "Bāb al-shayṭān" from Abū Tammām’s Kitāb al-shajara. Brill, 1998.
  • Svatopluk Soucek: A history of inner Asia. Cambridge University Press, 2000.

Weblinks


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