Apostel-Paulus-Kirche (Berlin-Schöneberg)

Apostel-Paulus-Kirche (Berlin-Schöneberg)
Apostel-Paulus-Kirche

Die Apostel-Paulus-Kirche in der Akazienstraße im Berliner Ortsteil Schöneberg ist ein neogotischer Backsteinkirchenbau. Sie entstand von 1892 bis 1894 am damaligen Prinz-Heinrich-Platz nach Entwürfen des Königlichen Baurats Franz Schwechten. Am 29. Dezember 1894 wurde die Kirche eingeweiht. Die Kirche in historisiertem gotischen Stil, an märkische Tradition erinnernd, steht unter Denkmalschutz.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Heute ist die Kirchengemeinde Apostel Paulus eine Gemeinde im Kirchenkreis Schöneberg des Sprengels Berlin in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Die Kirchengemeinde Apostel Paulus wurde als Tochter der Kirchengemeinde Alt-Schöneberg erst 1913 von dieser unabhängig. Begünstigt durch die Nähe zu Berlin und die Lage an der Verbindungsstraße von Berlin nach Potsdam, entwickelte sich die Bevölkerung von Alt-Schöneberg, das Dorf hatte 1858 schon 6.929 Einwohner, und von Neu-Schöneberg, das Dorf hatte 1858 schon 773 Einwohner, sehr rasch. Die Bevölkerung der 1875 aus Alt- und Neu-Schöneberg zur selbstständigen Landgemeinde Schöneberg vereinigten Dörfer wuchs bis 1895 auf 62.695 und bis 1919 auf 175.093.

Am 6. Mai 1923 trat Eitel-Friedrich von Rabenau seine Stelle als zweiter Pastor an der Apostel-Paulus-Kirche an, wo er bis 1954 amtierte.[1] In seiner Gemeinde pflegte er intensive persönliche Beziehungen zu den einzelnen Mitgliedern, unterstützt durch einen Gemeindehelferkreis. In der Weltwirtschaftskrise nach 1929 baute Rabenau einen Erwerbslosen-Männerkreis auf, dem verschiedene andere Jugend-Gemeindekreise (Schülerbibelkreis, CVJM, Pfadfinder) folgten.

Ab 1931 begann Rabenau – auch im Zusammenhang der lutherischen Sydower Bruderschaft – sich mit völkischen Nationalisten auseinanderzusetzen. Bei den regulären altpreußischen Kirchenwahlen im November 1932 trat Rabenau mit seinen Zwölf Leitsätzen für die Arbeit der evangelischen Kirche in der Gegenwart Wilhelm Kubes Glaubensbewegung Deutsche Christen (DC) entgegen.[2] Darin legte er ein klares Bekenntnis zu Jesus von Nazareth ab, der einziger Maßstab für Kirche und Christsein sei. „Die Gemeinde“, so Rabenau, „werde notwendigerweise durch das Wort zu einer Tatgemeinschaft, in der umfassender Bruderdienst geübt werde.“[3] Rabenau wurde Mitglied der Jungreformatorischen Bewegung. Die Glieder der Apostel-Paulus-Kirchengemeinde stimmten im November 1932 nur mit eine Minderheit von 33,3% der Stimmen für Deutsche Christen im Gemeindekirchenrat der Apostel-Paulus-Gemeinde.[4]

Am 24. Juni 1933 hob der preußische Kultusminister Bernhard Rust das Selbstbestimmungsrecht der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union auf und unterwarf sie dem Staatskommissar August Jäger. Zu diesem Anlass hielten Rabenau und weitere Pastoren „am 2. Juli 1933 statt eines vom EOK angeordneten Dankgottesdienstes einen Buß- und Bittgottesdienst und unterzeichneten einige Tage später einen Protestbrief gegen Jäger.“[5] Adolf Hitler oktroyierte allen Landeskirchen in Deutschland eine kirchenordnungswidrige Neuwahl der Ältesten (bzw. Presbyter) und Synodalen für den 23. Juli 1933.

Rabenau schloss sich der neuen Kirchenpartei Evangelische Kirche an, die sich für die Kirchenwahlen als Opposition gegen die DC zwangsweise zusammengefunden hatte. Noch kurz vor der Wahl verfügte die Gestapo eine Namensänderung der Kirchenpartei, die sich daraufhin Evangelium und Kirche nannte, und beschlagnahmte alle unter dem verbotenen Logo gedruckten Wahlunterlagen und Plakate sowie die Druckerei, die die Gruppe genutzt hatte, um einen Neudruck zu unterbinden.[6]

Die massive, von Staat und NSDAP propagandistisch geschürte Mobilisierung protestantischer Nazis, die meist schon seit Jahren keine Gottesdienste mehr besucht, geschweige denn an Kirchenwahlen teilgenommen hatten, bewirkte eine außerordentlich hohe Wahlbeteiligung mit der Folge, dass Deutsche Christen – von wenigen Ausnahmen abgesehen[7] – im Schnitt 70–80 % der Ältesten und Synodalen stellten. Auch die Stimmberechtigten der Apostel-Paulus-Kirchengemeinde wählten diesmal mit einer Mehrheit von 60 % der Stimmen vertreter der DC in den Gemeindekirchenrat.[4]

Wegen seiner kritischen Haltung wurde Rabenau im November 1933 zweimal für kurze Zeit vom Amt suspendiert und durch einen DC-Hilfsprediger vertreten. Dieser wechselte Ende 1934 allerdings selbst zur BK, wie auch einer der beiden anderen Gemeindepastoren. Rabenau konnte schließlich die Apostel-Paulus-Gemeinde gewinnen. Viele DC-Vertreter hatten sich in Streitigkeiten innerhalb ihrer Bewegung und mit der BK ermüdet und verschlissen und frustriert aus der Gremienarbeit zurückgezogen. 1939 schließlich bekannte sich die Apostel-Paulus-Gemeinde zur BK und schloss sich dem von Superintendent Martin Albertz initiierten Bund der Notgemeinden an, den Rabenau für einige Zeit leitete.

Rabenau wollte den Kirchenkampf auf die politische Ebene tragen. Zu diesem Zweck gründete er den Arbeitskreis gebildeter Laien, an dem sich unter anderem Rudolf Smend, Oskar Hammelsbeck, Geheimrat Heinrich Quaatz und Else Meyer-Waldeck beteiligten. Nachdem die Nazis die olympische Schonzeit beendet hatten, weiteten sie 1937 ihre Verfolgungen in Deutschland wieder aus. Am 23. Juni 1937 verhaftete die Gestapo Rabenau und sieben weitere Mitglieder des Reichsbruderrates aus einer Tagung in der Berliner Friedrichswerderschen Kirche heraus. Nach Verhören und kurzer Haft kam Rabenau wieder frei. Im September 1938 hielt Rabenau – wie von der zweiten Vorläufigen Kirchenleitung der BK angesichts der Kriegsgefahr empfohlen – einen Liturgie-Gottesdienst in der Apostel-Paulus-Kirche, woraufhin er von der offiziellen zerstörten Kirchenleitung suspendiert und sein Gehalt gesperrt wurde. Sein Salär bestritt von nun an die BK aus Kollekten und Beiträgen.

Nachdem Juden und Christen überwiegend jüdischer Abkunft ab 1. September 1941 den Gelben Stern tragen mussten, waren sie als Kirchgänger am Stern leicht auszumachen. Am 22. Dezember 1941 rief die zerstörte Deutsche Evangelische Kirche (DEK) die Kirchen dazu auf, geeignete Maßnahmen zu treffen, Sternträger von allen kirchlichen Veranstaltungen auszuschließen.[8] Das war mit Rabenau nicht zu machen, so dass Sternträger in der Apostel-Paulus-Kirche willkommen blieben. Rabenau bemühte sich während des sich verschärfenden Krieges Gemeinde- und Seelsorgearbeit aufrechtzuerhalten.

Gebäude

Nach der in Neoromanik, dem architektonischen Geschmack Wilhelms II., erbauten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wandte sich Schwechten bei der Apostel-Paulus-Kirche den Formen der Backsteingotik zu, die an märkische Traditionen erinnern sollte. Die dreitürmige Kirche in Berliner Backsteinarchitektur des 19. Jahrhunderts berücksichtigt in Grundriss und Konstruktion sowohl die Berliner Schinkelschule als auch die Hannoversche Architekturschule. Als Grundriss wählte Schwechten ein lateinisches Kreuz. Im Süden liegt der fünfseitige Chor mit Altar, ihm gegenüber der 85 Meter hohe Turm. Die Kirche kostete 630.000 Mark und hatte damals 1500 Plätze (heute nur noch 1200). 1919 wurde die Vorhalle zu einer Gedächtnishalle für die Toten des Ersten Weltkrieges umgestaltet.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche Anfang 1944 durch Brandbomben schwer beschädigt. Nach der Wiederherstellung wurde sie am 1. Mai 1949 erneut eingeweiht. Das Hauptportal der Kirche, über dem Giebel ein Engelkreuz, liegt an der Grunewaldstraße. Das hohe Triumphkreuz, das seinen Platz früher auf einer Holzsäule hinter dem Altar hatte, wurde an die linke Seite des Kirchenschiffs versetzt. Das Material für die Platte des neuen Altars stammt vom alten Altar, das der neuen Taufe vom Sockel der alten Kanzel. Die ursprüngliche Ausmalung der Kirche ist nicht erhalten. Die Fresken stammten von den Charlottenburger Dekorationsmalern Gathemann & Kellner. Die Glasmalereien der Apostel-Paulus-Kirche haben den Krieg überstanden, allerdings nicht unbeschädigt. Um 1960 entstanden drei neue Altarfenster; sie entwarf Alfred Kothe. 1960 bis 1961 wurde die Kirche im Innern durch Werner Gabler modernisiert.

Da die alte Sauer-Orgel, die 60 klingende Register hatte, durch Kriegseinwirkungen unbrauchbar geworden war, erhielt die Kirche 1964 eine neue Orgel. Das Schleifladen-Instrument hat 38 Register (ca. 2700 Pfeifen) auf drei Manualen und Pedal. Die Spiel- und Registertrakturen sind elektrisch.[9]

I Rückpositiv C–
1. Gedackt 08′
2. Prinzipal 04′
3. Waldflöte 02′
4. Quinte 011/2
5. Spitzflöte 01′
6. Terzzimbel III
7. Krummhorn 08′
Tremulant
II Hauptwerk C–
8. Prinzipal 16′
9. Prinzipal 08′
10. Rohrflöte 08′
11. Oktave 04′
12. Blockflöte 04′
13. Nassat 022/3
14. Oktave 02′
15. Mixtur V-VI
16. Scharff III-IV
17. Trompete 08′
III Schwellwerk C–
18. Prinzipalflöte 08′
19. Prinzipal 04′
20. Nachthorn 04′
21. Quinte 021/2
22. Bachflöte 02′
23. Terz 013/5
24. Sextan II
25. Scharff V
26. Dulzian 16′
27. Regal 08′
Tremulant
Pedal C–
28. Prästant 16′
29. Subbass 16′
30. Nasat 102/3
31. Oktavbass 08′
32. Gedacktpommer 08′
33. Rohrpfeife 04′
34. Mixtur VI
35. Rauschpfeife III
36. Posaune 16′
37. Trompete 08′
38. Cornett 02′

Literatur

  • Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin: Berlin und seine Bauten. Teil VI. Sakralbauten. Berlin 1997.
  • Günther Kühne, Elisabeth Stephani: Evangelische Kirchen in Berlin. Berlin 1978.
  • Hans-Jürgen Rach: Die Dörfer in Berlin. Berlin 1990.
  • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Band Berlin. München/Berlin 2006.

Weblinks

 Commons: Apostel-Paulus-Kirche (Berlin-Schöneberg) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Frank Foerster: Mission im Heiligen Land. Der Jerusalems-Verein zu Berlin 1852–1945. Gütersloher Verlags-Haus Mohn, Gütersloh 1991, (Missionswissenschaftliche Forschungen; [N.S.], 25), ISBN 3-579-00245-7, S. 159.
  2. Roland Löffler: Die Gemeinden des Jerusalemsvereins in Palästina im Kontext des kirchlichen und politischen Zeitgeschehens in der Mandatszeit, in: Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem! Festschrift zum 150jährigen Jubiläum von Talitha Kumi und des Jerusalemsvereins, Almut Nothnagle (Hg.), Leipzig: Evangelische Verlags-Anstalt, 2001, ISBN 3-374-01863-7, S. 185–212, hier S. 209.
  3. Peter Noss: Rabenau, Eitel-Friedrich Karl Balthasar von. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 7, Herzberg 1994, ISBN 3-88309-048-4, Sp. 1166–1173.
  4. a b Cf. Peter Noss, „Schlussbetrachtung“, in: Kirchenkampf in Berlin 1932–1945. 42 Stadtgeschichten, Olaf Kühl-Freudenstein, Peter Noss und Claus Wagener (Hgg.), Berlin: Institut Kirche und Judentum, 1999, (Studien zu Kirche und Judentum, Band 18), ISBN 3-923095-61-9, S. 574–591, hier S. 576.
  5. Cf. Ralf Lange und Peter Noss, „Bekennende Kirche in Berlin“, in: Kirchenkampf in Berlin 1932–1945. 42 Stadtgeschichten, Olaf Kühl-Freudenstein, Peter Noss und Claus Wagener (Hgg.), Berlin: Institut Kirche und Judentum, 1999, (Studien zu Kirche und Judentum, Band 18), ISBN 3-923095-61-9, S. 114–147, hier S. 117.
  6. Cf. Olaf Kühl-Freudenstein, „Die Glaubensbewegung Deutsche Christen“, in: Kirchenkampf in Berlin 1932–1945. 42 Stadtgeschichten, Olaf Kühl-Freudenstein, Peter Noss und Claus Wagener (Hgg.), Berlin: Institut Kirche und Judentum, 1999, (Studien zu Kirche und Judentum, Band 18), ISBN 3-923095-61-9, S. 97–113, hier S. 104.
  7. Nur in den Synoden der Landeskirchen Bayerns, Hannovers (lutherisch), Hannovers (reformiert) und Württembergs sowie der altpreußischen Kirchenprovinz Westfalen errangen Deutsche Christen keine Mehrheit. Diese Kirchen galten BK-Anhängern daher als intakt. In Berlin erlangte die Kirchenpartei Evangelium und Kirche nur in den Gemeindekirchenräten der Kirchengemeinden Dahlem und Staaken eine Mehrheit.
  8. Cf. Rundschreiben vom 22. Dezember 1941 der DEK-Kirchenkanzlei, veröffentlicht bei: Kurt Meier, Kirche und Judentum. Die Haltung der evangelischen Kirche zur Judenpolitik des Dritten Reiches, Halle an der Saale: Niemeyer, 1968, S. 116seq.
  9. Informationen zur Orgel der Pauluskirche


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