Bachelor Professional

Bachelor Professional

Der Bachelor Professional ist ein politischer Vorschlag der deutschen Organisationen von Handwerk und von Industrie und Handel. Ein Beispiel wäre die Übersetzung des Bilanzbuchhalter (IHK) als Bachelor Professional of Accounting (CCI). Die internationale Lesehilfe soll den Absolventen von IHK- und HwK-Fortbildungsabschlussprüfungen nach Berufsbildungsgesetz und Handwerksordnung helfen, ihre Chancen auf den internationalen Arbeitsmärkten zu verbessern und ihr Leistungsniveau adäquat wiederzugeben.

Inhaltsverzeichnis

Begründung und Zielsetzungen

Ziel der Bezeichnung Bachelor Professional ist eine erhöhte Lesbarkeit und Transparenz der Abschlüsse von Prüfungen zu einer Aufstiegsfortbildung nach dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung. Dies hilft einerseits praktisch den Absolventen bei ihren Kontakten zur Wirtschaftswelt im Ausland, andererseits bei der Fortsetzung ihrer Bildungsbemühungen. Damit sind keinerlei rechtlichen Ansprüche verbunden.

Die Bezeichnungen Meister, Fachmeister, Industriemeister, Fachkaufmann und Fachwirt sind im Ausland weitgehend unbekannt und in der Welt der Wirtschaft nicht geläufig. Mit der größeren Verdichtung des Europäischen Binnenmarktes und der stärkeren Globalisierung tritt grundsätzlich das Problem der Verständlichkeit dieser Abschlüsse im Ausland auf, da keine gängigen Bezeichnungen in Fremdsprachen vorliegen.

Gerade für die Abschlüsse der sogenannten Aufstiegsfortbildung ist dies jedoch erforderlich, da sie zum Rückgrat der mittleren Fach- und Führungsebene in mittelständischen Unternehmen avanciert sind. Allein in Industrie und Handel haben seit der Wiedervereinigung rund 1,5 Mio. Menschen an dieser Prüfung teilgenommen, rund 75 % davon bestanden.

Die Bezeichnung Bachelor Professional ist die Idee des damaligen NRW-Wirtschaftsministers Harald Schartau aus dem Jahre 2003. Mit seinem Vorschlag wollte er die Wege von Absolventen von Fortbildungsabschlussprüfungen aus Nordrhein-Westfalen ebnen, im Ausland unter Verdeutlichung ihres Leistungsniveaus wirtschaftliche Kontakte knüpfen und intensivieren zu können.

Politische Ebene

Die bis heute anhaltende Diskussion führte zu einer Reihe von politischen, rechtlichen und fachwissenschaftlichen Auseinandersetzungen. Auf politischer Ebene hat sich eine Frontstellung zwischen den großen Kammerorganisationen (DIHK, ZdH), Teilen der Gewerkschaften (IG Metall), der Wirtschaftsministerkonferenz, und Fachverbänden (IMV)[1] einerseits und den Hochschulen, der Kultusministerkonferenz und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung andererseits ergeben.

Rechtliche Ebene

Innerhalb der juristischen Debatte reichen zwischenzeitlich die Interpretationen von einer Unterstützung bis hin zu einer Ablehnung. Im Zentrum stehen hier einschlägige gesetzliche Grundlagen. So argumentieren Gegner mit den Sperrwirkungen von Grundgesetz (Art. 3 und 12), Hochschulrahmengesetz (§ 19) und Strafgesetzbuch (§ 132). Die Bedenken an einer juristischen Haltbarkeit wurden durch eine Reihe von Rechtsgutachten weitgehend ausgeräumt. Eine weitere Argumentationsebene ist das Organisationsrecht der Kammern als Körperschaft des öffentlichen Rechts und als zuständige Stelle in der Berufsbildung.

Im Bereich des internationalen Rechts wurde geprüft, ob der Bachelor eine Ausschließlichkeit für akademische Grade beanspruchen kann. Dies ist durch die rechtliche Qualität des Bologna-Prozesses nicht begründbar. Zudem ist besonders in Deutschland die Begrifflichkeit Bachelor relativ neu, so dass man von einer Reservierung bzw. einem natürlichen Namensrecht der Hochschulen keineswegs ausgehen kann. Es liegen zwei ausführliche Rechtsgutachten vor, die beide zu dem Schluss kommen, dass die Nutzung der Bezeichnung rechtlich zu legitimieren ist.

Fachliche Ebene

Wissenschaftliche Versuche einer Begründung sind ebenso aufgenommen worden. So hat das Land Nordrhein-Westfalen die Studie Berufswertigkeit 2007 in Auftrag gegeben, die anhand von Standards der Arbeits- und Betriebswelt den Nachweis erbringen will, dass die Erwartungen an Absolventen der beruflichen Fortbildung und der Hochschulen gleichermaßen erfüllt werden – und somit keine Leistungsunterschiede bestehen. Die Nachfolgestudie "Berufswertigkeit konkret" aus dem Jahr 2011 bestätigt nachweislich die Gleichwertigkeit. [2] Curriculare Vergleiche wurden im Rahmen der ANKOM-Initiative der Bundesregierung 2005-9 durchgeführt. Dabei werden die Lehrinhalte der Hochschulen als Maßstab fixiert und ihnen die Lehrinhalte einer beruflichen Fortbildung gegenübergestellt. Überlappungen werden dabei aber nur für die theoretisch-fachwissenschaftlichen Kompetenzen identifiziert. Hingegen geht die Vielfalt berufspraktischer Erfahrungen und Kompetenzen auf Seiten der Fortbildungsabsolventen nicht in diese Äquivalenzprüfungen ein. Ergebnis ist, dass die Lehrinhalte der beruflichen Fortbildung nur zum Teil denen an Hochschulen darstellen. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat 2008 einen ähnlichen Versuch unternommen, indem es einen Curriculumsvergleich zwischen den beiden Bildungswegen durchgeführt hat. Dabei wurden jedoch die Anforderungen aus der Arbeitswelt außer Acht gelassen.

Schließlich werden sprachliche Analysen vorgenommen. Diese dienen zum einen dazu nachzuweisen, dass Bachelor und professional nicht auf die Hochschulwelt beschränkt werden können. Zum anderen werden auch ausländische Beispiele (wie licence professionelle in Frankreich, Eidgenössischer Fachausweis in der Schweiz, Professional Bachelor in Dänemark, Higher National Diploma in Großbritannien) recherchiert, die eine ähnliche Zielrichtung aufweisen. In der Schweiz kann nach Abschluss der Technikerschule unter gewissen Voraussetzungen der privatrechtliche Berufsverbandstitel Professional Bachelor ODEC beantragt werden.[3]

Positionen

Pro

Die Argumente der Befürworter lassen sich zusammenfassen:

  1. Absolventen von Fortbildungsprüfungen werden wirtschaftliche Chancen erschlossen, indem ihr Leistungsniveau transparent gemacht wird. Die Abschlussbezeichnung unterstützt ganz pragmatisch die Erfordernisse einer erfolgreichen Exportwirtschaft durch die Verständigung bei Wirtschaftskontakten, den Erfolg bei Ausschreibungen, usw.
  2. Die hoch qualifizierten Absolventen der öffentlich-rechtlichen Prüfungen können so im Ausland Hürden überwinden, wie beispielsweise bei der Fortsetzung ihrer Bildungskarriere. Das steigert die Mobilität und fördert die wichtigen Auslandserfahrungen deutscher Fachkräfte.
  3. Die Weiterbildungsbeteiligung kann durch eine Attraktivitätssteigerung der geregelten Fortbildung erhöht werden.
  4. Die mittelständischen Unternehmen sind auf besondere Weise auf den Nachwuchs des mittleren und höheren Führungsmanagements angewiesen, das sich im Wesentlichen aus dem Segment der geregelten Aufstiegsbildung rekrutiert.
  5. Mit den Begrifflichkeiten kann für das deutsche System der Aufstiegsfortbildung im Ausland geworben werden. Dies kann auch als Anreiz für Interessierte aus dem Ausland fungieren, um die Fachkräftemängel in Deutschland zu beheben. Dies erlaubt zugleich die stärkere deutsche Beteiligung am weltweiten Weiterbildungsmarkt.
  6. Die Bezeichnungen können begründen, dass die Ebene der Meister, Fachwirte und -kaufleute auf Stufe 6 eines Deutschen Qualifikationsrahmens platziert werden. Dabei wird die Tradition von älteren internationalen Klassifikationsschemata, wie ISCED (International Standard Classification of Education) und ISCO (International Standard Classification of Occupations), fortgeschrieben.
  7. Die Verzerrung internationaler Vergleichstatistiken zu Bildungsabschlüssen kann damit korrigiert werden, die aufgrund eines unterdurchschnittlichen Anteils an Hochschulabsolventen Deutschland auf die hinteren Ränge verweist (vgl. OECD).
  8. Die Hinweise auf eine qualifizierte Prüfung im System der beruflichen Fortbildung sowie eine begriffliche Trennung von Bachelor of Arts und Bachelor of Science können der Verwechslungsgefahr entgegentreten.
  9. Das Leistungsniveau – vor allem zusammen mit den gesammelten einschlägigen Berufserfahrungen – ist auf gleicher Ebene wie das von Absolventen eines Bachelor-Studiengangs einzuordnen.

Contra

Die Argumente der Gegner sind folgende:

  1. Einführung und Umsetzung des Bologna-Prozesses werden – vor allem in Deutschland – empfindlich gestört, da die neue Bezeichnung die Kunden verwirrt. So stünden Bachelor of Arts und Bachelor of Science einem Bachelor Professional gegenüber.
  2. Es handelt sich um einen Etikettenschwindel, da die berufliche Fortbildung Titel anderer Bildungsinstitutionen ungerechtfertigt und ohne juristische Rechtfertigung nutzt.
  3. Die Durchlässigkeit wird damit nicht befördert. Denn allein die Erhöhung der Lesbarkeit im Ausland kann innerhalb Deutschlands keine Durchlässigkeit von der beruflichen Fortbildung in die Hochschule erzwingen. Dafür wären definierte Verfahren für die Anrechnung vorheriger Bildungsabschlüsse zu nutzen.
  4. Das Leistungsniveau der Absolventen von Fortbildungsprüfungen ist weder identisch noch gleichwertig mit dem von Absolventen der Hochschule.
  5. Qualitätsstandards werden umgangen und bewusst ignoriert. So können die Akkreditierungen von einzelnen Studiengängen höherwertig als die Qualitätssicherung für Fortbildungsverordnungen gelten.
  6. Die Grenzen von beruflicher Fortbildung und Hochschulstudium werden verwässert.
  7. Im Ausland würden den Bezeichnungen keine äquivalenten Abschlüsse zugeordnet werden können, da das hochwertige deutsche System der beruflichen Fortbildung dort keine Entsprechung hat.
  8. Der derzeit geplante Europäische Qualifikationsrahmen sieht keinen Bachelor Professional vor.

Bildungspolitische Einordnung

Der Vorschlag hat zu politischen Auseinandersetzungen sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene geführt. Denn die deutschen Hochschulen sehen im Titel Bachelor ein Alleinstellungsmerkmal und fürchten einen Dammbruch ihrer Autonomierechte.

Eine Einigung konnte in einer Arbeitsgruppe aus Vertretern der Wirtschafts- und der Kultusministerkonferenz 2007/08 nicht erzielt werden.

Somit ist der Vorschlag zu einem Symbol für die Schranken der deutschen Bildungslandschaft geworden. Vor allem zeigt er auf, dass sich zwei Bildungssäulen bzw. Ausbildungssysteme völlig unterschiedlichen Charakters gegenüber stehen: das der beruflichen und das der hochschulischen Bildung.

In der teilweise emotional geführten Debatte wird aber auch offenbar, dass in Deutschland Wertigkeit und Image einer Qualifikation mit institutionellen Qualifizierungswegen verbunden werden, jedoch nicht mit deren Wert auf dem Arbeitsmarkt.

Schließlich wirft er auch die Frage nach dem Wert von beruflichen Erfahrungen auf. Denn die in der beruflichen Fortbildung nachzuweisenden Erfahrungen einer Ausbildung und einer mehrjährigen Tätigkeit im beruflichen Kontext werden von den einen wertgeschätzt, von den anderen als theorielose und somit weitgehend substanzlose Tätigkeit eingeordnet.

Die Debatte um den Bachelor Professional liegt im Zentrum unterschiedlicher und – noch – antagonistischer Bildungstraditionen. In ihr verdichten sich viele bildungspolitische Streitpunkte. Insoweit steht die Debatte symbolisch für nicht aufgearbeitete Widersprüche einer Zeit, in der die Bildung um ein neues Selbstverständnis in einer modernen Gesellschaft ringt.

Einzelnachweise

  1. Resolution der IMV-Deutschland
  2. Studie "Berufswertigkeit Konkret"
  3. Professional Bachelor ODEC

Literatur

  • Knut Diekmann: Der Bachelor Professional – Chancen auf mehr. In: Wirtschaft und Berufserziehung. 4/2007, S. 12–17
  • Knut Diekmann: Der Bachelor Professional lebt. In: Wirtschaft und Berufserziehung. 4/2009, S. 16–19
  • Volker Epping und Sebastian Lenz: Bachelor und Master in der geregelten Fortbildung. In: GewArch. 2007, S. 169ff.
  • Erik Hansalek: Bachelor- und Masterabschlüsse in der beruflichen Bildung – Ein strafrechtliches Problem? In: JR. 01/2006, S. 17–21
  • Matthias Klumpp und Uwe Schaumann: Vergleich der Berufswertigkeit von beruflichen Weiterbildungsabschlüssen und hochschulischen Abschlüssen: Wissenschaftlicher Abschlussbericht. Köln, 2008.
  • Barbara Lüddeke: Bachelor/Master in der beruflichen Bildung. In: GewArch. 2008/01, S. 18–24
  • Mehr kluge Köpfe im dualen System halten. Bachelor- und Masterabschlüsse in der beruflichen nicht- akademischen Weiterbildung. Bericht des BMWi an die WMK, 2006.
  • Iris Pfeiffer und Sigrun Nickel: Synoptischer Vergleich der Qualitätssicherungssysteme in der beruflichen und akademischen Bildung. Hrsg. von Prognos und CHE, 2009.
  • Reinhold Weiß: Akademische Weihen für Fortbildungsberufe? In: Personalführung. 10/2007, S. 4–6.
  • Reinhold Weiß: Bachelor Professional – ein Beitrag zur Aufwertung der beruflichen Bildung. In: BWP 4. 2007, S. 47–50.
  • Dirk Werner u.a.: Wie entwickeln sich angesichts des Strukturwandels zur Wissensgesellschaft und der Einführung der Bachelorstudiengänge die Chancen für duale Ausbildungsberufe und das duale System? Abschlussbericht einer Studie für das BMWi, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln 2008.

Weblinks


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