Basel III

Basel III

Der Begriff Basel III bezeichnet ein Reformpaket des Basler Ausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) für die bereits bestehende Bankenregulierung Basel II. Es stellt die Reaktion auf die von der weltweiten Finanz- bzw. Wirtschaftskrise ab 2007 offengelegten Schwächen der bisherigen Bankenregulierung dar.

Im Dezember 2010 wurde die vorläufige Endfassung von Basel III veröffentlicht, wenngleich noch einzelne Aspekte in Diskussion sind. Die Umsetzung in der Europäischen Union wird über Änderungen der Capital Requirements Directive (CRD) erfolgen und soll ab 2013 schrittweise in Kraft treten.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt der Reformen

Die Reformen setzen sowohl bei der Eigenkapitalbasis, wie auch bei den Liquiditätsvorschriften an.

Kapital

Erhöhung der Qualität, Konsistenz und Transparenz der Eigenkapitalbasis

Die Finanzkrise hatte gezeigt, dass das globale Bankensystem ungenügend qualitativ hochwertiges Eigenkapital besaß. Unter Basel III wird somit verstärkt auf die reinste Form von Eigenkapital, das sogenannte Kernkapital („Common Equity“), fokussiert. Es setzt sich bei Aktiengesellschaften in erster Linie aus dem eingezahlten Gesellschaftskapital und den Gewinnrücklagen zusammen.

Folgende Maßnahmen werden zur Stärkung des Eigenkapitals ergriffen:

  • Innovatives Hybridkapital mit Rückzahlungsanreizen, welches unter Basel II bis zu 15 % ausmachen kann, wird nicht mehr als Tier 1 Kapital akzeptiert werden.
  • Tier 2 Kapital wird harmonisiert werden, das heißt nationale Definition sollen einem internationalen Standard weichen.
  • Tier 3 Kapital wird komplett abgeschafft werden.
(Tier: Klassifizierung der Eigenmittel eines Kreditinstituts: Kernkapital, Eigenmittel, bzw. Drittrangmittel).

Insgesamt sollen zukünftig vor allem solche Eigenkapitalinstrumente vorgehalten werden, die am laufenden Verlust partizipieren. Eigenkapitalinstrumente, die lediglich im Liquidationsfall verfügbar sind (zum Beispiel Nachrangdarlehen), werden an Bedeutung verlieren. Dadurch soll das Fortführungsprinzip (Going-Concern-Prinzip) in den Vordergrund rücken.

Verbesserung der Risikodeckung

  • Erhöhung der Kapitalanforderungen für Kredit- und Marktrisiken, sowie komplexe Verbriefungen (Säule I)
  • Erhöhte Standards für den bankenaufsichtlichen Überprüfungsprozess (Säule II)
  • Erhöhte Standards für die Offenlegung (Säule III)
  • Überarbeitung der Bestimmungen für das Handelsbuch (noch nicht abgeschlossen)
  • Erhöhung der Kapitalanforderungen für Gegenparteienexposures aus Derivate-, Repo- und Wertschriftengeschäften; Reduktion der Prozyklität und Anreize zur Abwicklung von OTC-Kontrakten über zentrale Gegenparteien
  • Reduktion der Abstützung auf externe Ratings

Einführung einer Verschuldungsgrenze (Leverage-Ratio)

Die Verschuldungsgrenze stellt ein Alternativmaß für risikogewichtete Messgrössen dar. Sie stellt die weitgehend ungewichtete Bilanzsumme ins Verhältnis zum regulatorischen Eigenkapital. Sie soll den Bankensektor vor einer übermäßigen Verschuldung bewahren und somit das Risiko eines destabilisierenden Schuldenabbaus senken. Damit ergänzt die Leverage Ratio die Eigenkapitalstandards nach Säule 1.

Die Ausgestaltung der Leverage Ratio ist noch nicht final verabschiedet. Sie soll erst ab 2018 als verbindliche Mindestgröße gelten. Übergangsweise ist eine Begrenzung der Bilanzsumme auf das 33,3-fache des gesamten Kernkapitals (Total Tier 1-Quote: 3 % der Bilanzsumme) vorgesehen. Ab 2015 ist der Verschuldungsgrad der Institute im Rahmen der Offenlegung nach Säule 3 zu publizieren.

Reduktion von Prozyklität und Stärkung von antizyklischen Puffern

Prozyklische Elemente verstärkten die Finanzkrise. Dafür verantwortlich waren insbesondere die Buchhaltungsstandards. Aufgrund der Marktwertansätze nach IFRS und anderen Standards mussten die Institute den Bilanzwert von Wertpapieren und anderen Forderungen zeitnah an die sinkenden Börsenkurse anpassen. Erschwerend kam hinzu, dass nach IAS 39 vor Eintritt des Ausfalls keine Wertberichtigungen („Drohverlustrückstellungen“) gebildet werden durften, welche zumindest in Teilen den resultierenden Verlust in frühere Perioden verlagert hätten und so die Auswirkungen abgeschwächt hätte.

Aus diesem Grund unterstützt das Basler Komitee die Bestrebungen des International Accounting Standards Boards, die Regeln zur Risikovorsorge zu überarbeiten. Details soll der neue Rechnungslegungsstandard IFRS 9 regeln.

Ferner geht Basel III das Problem der Prozyklizität durch die Einführung eines Kapitalerhaltungspuffers sowie eines antizyklischen Eigenkapitalpuffers an. Diese Maßnahmen wirken komplementär zur Risikovorsorge: Während höhere Rückstellungen erwartete Verluste auffangen, absorbiert der Eigenkapitalpuffer unerwartete Verluste.

Bei den Kapitalpuffern handelt es sich um „weiche“ Kapitalanforderungen. Kann eine Bank die Pufferanforderungen nicht erfüllen, verliert sie nicht die Banklizenz. Allerdings ist sie hinsichtlich der Gewinnverwendung eingeschränkt. Solange die Puffer nicht eingehalten werden, sind Banken zukünftig verpflichtet, Teile des Gewinns oder sogar den vollen Gewinn einzubehalten, um die Kapitalbasis zu stärken. In diesem Fall können also nur geringere Dividenden gezahlt werden. Auch Tantiemen und Aktienrückkaufprogramm sind von diesen Einschränkungen betroffen.

Der Kapitalerhaltungspuffer soll 2,5 % betragen. Der antizyklische Puffer wird von der nationalen Aufsicht für die Banken ihres Landes festgelegt und soll zwischen 0 und 2,5 % liegen. Änderungen der Höhe werden 12 Monate im Voraus bekannt gegeben. Dadurch soll die Aufsicht ein weiteres Instrument erhalten, um konjunkturelle Überhitzungen und übermäßige Kreditvergabe zu verhindern.

Die Kapitalanforderungen der Kapitalpuffer sind mit hartem Kernkapital zu erfüllen (Common Equity Tier 1).

Systemische Risiken und gegenseitige Geschäftsbeziehungen

Während prozyklische Effekte die Finanzkrise verstärkten, trugen die stark ausgeprägten gegenseitigen Geschäftsbeziehungen (Zitat: „übermäßige Vernetzung“) unter den systemrelevanten Banken zur Ausbreitung der Krise bei. Deshalb entwickelt der Basler Ausschuss zusammen mit dem Financial Stability Board (FSB) spezielle Anforderungen für systemrelevante Banken. Die Arbeiten richten sich nach dem Zeitplan des FSB.

Zu den schon beschlossenen Maßnahmen, welche systemische Risiken senken und die übermäßige Vernetzung reduzieren sollen, gehören folgende:

  • Kapitalanreize für Banken, OTC-Derivatgeschäfte über zentrale Gegenparteien abzuwickeln
  • Höhere Kapitalanforderungen für Handels- und Derivatgeschäfte sowie für Verbriefungen und außerbilanzielle Geschäfte
  • Höhere Kapitalanforderungen für Interbankgeschäfte

Liquidität

Die Finanzkrise hatte gezeigt, dass eine adäquate Liquiditätssituation entscheidend für das Funktionieren der Märkte und des Bankensektors ist. Die verschlechterte Marktsituation ließ Liquidität plötzlich verschwinden, was den Bankensektor in Refinanzierungsnöte brachte. Zentralbanken rund um den Globus sahen sich daraufhin gezwungen, mit liquiditätszuführenden Maßnahmen einzugreifen.

Als Antwort auf diese Schwächen im Finanzsystem erstellte der Basler Ausschuss grundlegende Prinzipien für das Liquiditätsmanagement und dessen Überwachung.[1] Außerdem schlägt der Ausschuss zwei neue quantitative Mindeststandards mit unterschiedlichen Risikohorizonten vor.

Liquidity Coverage Ratio

Die Liquidity Coverage Ratio (LCR) soll gewährleisten, dass globale Banken im Falle eines vordefinierten Stressszenarios genügend Liquidität halten, um Barabflüsse einen Monat lang kompensieren zu können. Dazu müssen die Banken liquide und frei verfügbare Anlagen hoher Qualität halten, welche auch in Krisenzeiten verkäuflich sind. Idealerweise sollten sie von einer Zentralbank als Sicherheiten akzeptiert werden.

Net Stable Funding Ratio

Die Net Stable Funding Ratio (NSFR) verlangt von den Banken, dass sie in Abhängigkeit des Fälligkeitsprofils ihrer Verbindlichkeiten über genügend langfristige Finanzierungsquellen verfügen. Die NSFR soll verhindern, dass sich die Banken zu stark auf kurzfristige Finanzierungsquellen verlassen.

Übergangsphase

Die Übergangsphase sieht eine schrittweise Umsetzung der Reformen vor. Sie soll es den Banken ermöglichen, die Reformen gemäß Basel III durch einbehaltene Gewinne und Kapitalerhöhungen umzusetzen, ohne deren Kreditvergabe an die übrige Wirtschaft zu gefährden. Die folgende Tabelle enthält Details dazu (siehe Annex 4 von Basel III: A global regulatory framework for more resilient banks and banking systems).[2]

  2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 1. Januar 2019
Verschuldungsgrenze (Leverage Ratio) Überwachungsphase Parallelbetrieb   Übernahme
nach Säule 1
 
Mindestkernkapitalrate (Common Equity Capital Ratio)     3,5 % 4,0 % 4,5 % 4,5 % 4,5 % 4,5 % 4,5 %
Kapitalerhaltungspuffer     0,625 % 1,25 % 1,875 % 2,5 %
Minimum Kernkapital plus Kapitalerhaltungspuffer     3,5 % 4,0 % 4,5 % 5,125 % 5,75 % 6,375 % 7,0 %
Stufenweiser Aufbau der Abzüge vom Kernkapital Tier 1       20 % 40 % 60 % 80 % 100 % 100 %
Minimum gesamtes Tier 1-Kapital     4,5 % 5,5 % 6,0 % 6,0 % 6,0 % 6,0 % 6,0 %
Minimum Gesamtkapital (Tier 1+2)     8,0 % 8,0 % 8,0 % 8,0 % 8,0 % 8,0 % 8,0 %
Minimum Gesamtkapital plus Kapitalerhaltungspuffer     8,0 % 8,0 % 8,0 % 8,625 % 9,25 % 9,875 % 10,5 %
Kapitalinstrumente, die nicht mehr als Tier 1 oder Tier 2-Kapital anerkannt werden   stufenweiser Abbau über einen 10-Jahres Horizont
Antizyklischer Kapitalpuffer
(individuelle Festlegung durch nationale Aufsichtsbehörden)
    0% –
0,625 %
0% –
1,25 %
0% –
1,875 %
0 % –
2,5 %
                   
Liquidity Coverage Ratio (LCR) Beobachtungsphase Mindeststandard
Net Stable Funding Ratio Beobachtungsphase Mindeststandard

Einordnung

Ziel der Reform

Im Kern der Reform steht das Ziel einer Balance zwischen einem stabileren Finanzsystem und der Vermeidung einer Kreditverknappung, außerdem die Begrenzung und Reduzierung der Haftung der öffentlichen Hand und der Steuerzahler.

Ökonomen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich gehen nach einer Studie von nur geringen dämpfenden Effekten auf die Volkswirtschaften aus.[3]

Kritik

Wie schon bei Basel II wurden die geplanten neuen Regeln von den Banken kritisch beurteilt.[4] Neben der bekannten Furcht vor höheren Eigenkapitalunterlegungsvorschriften (Eigenkapitalquoten) standen dabei vor allem die Änderungen bezüglich der Konsolidierungspflicht von Tochterunternehmen und der daraus resultierenden Konsequenzen im Vordergrund. So wurde unter anderem befürchtet, die zehn größten deutschen Banken müssten 105 Milliarden Euro an zusätzlichem Eigenkapital aufbringen und Kredite im Wert von bis zu 1000 Milliarden Euro abbauen. Umstritten war zunächst auch, was neben Stammaktien und einbehaltenen Gewinnen als Eigenkapital anerkannt werden soll. Bei den deutschen Instituten geht es dabei um die so genannten stillen Einlagen. Sie summieren sich dem Vernehmen nach auf bis zu 50 Milliarden Euro.

Von einigen Ökonomen wurde darüber kritisch diskutiert inwiefern die Konzentration auf Liquiditäts- und Eigenkapitalvorschriften effektiv helfe. Der beim IWF tätige Ökonom Zamil etwa sieht Basel III zwar als eine Verbesserung, elementarer sei aber eine solide Auswahl der Vermögenswerte und der Bewertungsstandards und dazu seien hingegen ein gutes Risikomanagement der Banken und durchsetzungsfähige Aufsichtsbehörden nötig.[5]

Beschlüsse

Für den 12. September 2010 wurde eine beschließende Ausschusssitzung einberufen.

Auf dem G-20-Gipfel der wichtigsten Wirtschaftsnationen in Korea wurde Basel III grundsätzlich verabschiedet.[3] Am 16. Dezember 2010 hat der Basler Ausschuss einen ausformulierten Regeltext veröffentlicht.[2]

Die Umsetzung wird in Europa über eine Anpassung der Capital Requirements Directive (CRD) erfolgen, welche vom EU-Parlament beschlossen werden muss. Auch müssen die nationalen Parlamente ebenfalls zustimmen, bevor Basel III in Kraft treten kann.

Siehe auch

Quellen

  1. Basel III: International framework for liquidity risk measurement, standards and monitoring (engl.)
  2. a b Basel III: A global regulatory framework for more resilient banks and banking systems (engl.); abgerufen am 16. Dezember 2010
  3. a b Rolf Obertreis: Wirtschaft: Banken warnen vor schärferen Regeln. In: Badische Zeitung, 7. September 2010. Abgerufen am 20. Juni 2011. 
  4. Handelsblatt: Basel III: Banken drohen Lasten von bis zu 300 Milliarden Euro vom 29. Januar 2010.
  5. Telepolis: Basel III ist "nichts weiter als Katzengold", 31. Mai 2011; Originalbeitrag auf Voxeu

Weblinks

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