Befreiung des Konzentrationslagers Dachau

Befreiung des Konzentrationslagers Dachau
Häftlinge, teilweise in gestreifter KZ-Häftlingskleidung, nach der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau. Aufnahme vom 29. April 1945.

Die Befreiung des Konzentrationslagers Dachau gelang alliierten Truppen Ende April 1945. Eintreffende und abmarschierende Häftlings-Evakuierungsgruppen frequentierten zu dieser Zeit das Hauptlager Dachau. Viele der Dachauer Außenlager wurden zuvor durch die SS evakuiert. Das Hauptlager befreite die US-Armee am 29. April 1945, dabei kam es auch zu Kriegsverbrechen durch die Befreier.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Am 14. April 1945 hatte RFSS Heinrich Himmler die „Totalevakuierung“ befohlen, die er später auf Reichsdeutsche, Russen, Polen und Juden eingrenzte. Viele Häftlingsgruppen marschierten nun in Evakuierungsmärschen[1] aus dem Lager. Am 23. April verließen die Arbeitskommandos erstmals nicht mehr das Hauptlager.

Befreiung der Außenlager

Am 26. April rückte sowohl die US-amerikanische als auch die französische Armee ins westlich von Dachau liegende Allgäu ein. Am 27. April nahmen sie das fast leerstehende KZ-Außenlager Kottern-Weidach ein. Ebenfalls westlich von Dachau lag das Außenlager Kaufering. Angehörige der SS-Wachmannschaft zündeten das Lager Kaufering IV am Morgen des 27. April an, wobei sich noch nicht mehr gehfähige Haftinsassen innerhalb des Lagers befanden. Die Alliierten trafen nur wenige Stunden zu spät ein.

Befreiung des Hauptlagers Dachau

Dachau-Ehrentafel für Angehörige der 7. US-Armee und die 42. Division Regenbogen
Häftlinge kurz nach der Befreiung

Am 27. April nachts traf der Eisenbahnzug mit Häftlingen aus Buchenwald ein, von denen viele verhungert und verdurstet waren.

Am 28. April zur Mittagszeit traf Karl Riemer, dem zwei Tage zuvor die Flucht aus dem Lager gelungen war, auf näherrückende US-Truppen. Er schilderte dem US-Befehlshaber die Situation im Lager und bat um sofortige Hilfe. Riemer, der zwölf Jahre im Lager inhaftiert war, konnte nicht wissen, dass der US-Befehl zur Einnahme des Hauptlagers wenige Stunden zuvor erfolgt war.[2]

Es war ein Samstag, 28. April, als Generalmajor Max Ulich die deutsche 212. Volksgrenadierdivision vom Lagergelände abzog. Er wollte unnötige Verluste der Wehrmacht vermeiden. In der Stadt Dachau fand währenddessen der Dachauer Aufstand statt. Die Häftlinge hörten bereits nachts Gefechtslärm in ihren Baracken und Aufregung entstand. Es bildete sich daher das Häftlingskomitee, das sich zur Aufgabe machte, die aufkeimende Erregung im Lager für die kommenden Stunden zu mäßigen. Das Häftlingskomitee wollte erreichen, dass die Öffnung des Lagers mit 32.000 Häftlingen einigermaßen geregelt ablaufen könne.

Morgens traten Häftlinge neugierig auf den Appellplatz und stellten von dort aus fest, dass auf einem SS-Wachturm die weiße Fahne gehisst war. Dennoch hatte die letzte Wachtruppe die Besatzung der acht Wachtürme verstärkt und 16 Maschinengewehre aufs Lager gerichtet, um die Flucht der Häftlinge in umliegende Dörfer sowie Plünderungen und Racheaktionen zu vermeiden. Victor Maurer, Delegierter des Roten Kreuzes, hatte dies befürchtet. Auch hätte sich die grassierende Fleckfieber-Epidemie durch fliehende Häftlinge noch weiter ausgebreitet. SS-Lagerführer Heinrich Wicker,[3][4] der nur provisorisch in den letzten Tagen dieses Amt übertragen bekommen hatte, kündigte an, seine Truppen aus dem Lager abzuziehen. Maurer, der in einem Gebäude der SS untergebracht war, verhandelte mit Wicker. Letztendlich konnten sie sich einigen, dass die Wachtürme besetzt bleiben sollten.[5] Restliche SS-Wachmannschaften verließen das Lager.[6]

Am Sonntag, den 29. April 1945, marschierte Colonel Sparks mit dem 3. Bataillon der 45. Infanterie-Division der 7. US-Armee und die 42. Infanterie-Division in das Lager ein, von dem sie einige Zeit nicht gewusst hatten, wo es genau liegt. Bei ihnen war die Kriegsberichterstatterin Marguerite Higgins. Zahlreiche „Evakuierungsmärsche“ waren längst aus dem Lager aufgebrochen. In der Nähe der Plantage kreiste ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug. Nur wenige SS-Männer, unter ihnen neu eingezogene Burschen, befanden sich noch im Lager. Die ursprüngliche Lager-SS hatte sich größtenteils abgesetzt. Die Zurückgebliebenen boten kaum Widerstand und ergaben sich. Im Tumult und Jubel der Befreiung kam es auch vereinzelt zu tragischen Todesfällen, als Häftlinge die Lagerabzäunung überklettern wollten, die zunächst noch unter Strom stand. Auch kam es seitens US-Soldaten und ehemaligen Häftlingen zu Übergriffen und zur Ermordung von mindestens 39 SS-Männern, nachdem sich unter den US-Soldaten die Parole "Hier machen wir keine Gefangenen!" verbreitet hatte. Diese Vergeltungsaktion wurde auch als Dachau-Massaker bekannt.

Zeitzeugen berichten, dass im Hauptlager Dachau eine unbeschreibliche Euphorie herrschte und die Befreiung ein tief ergreifendes und überwältigendes Ereignis war. In den darauffolgenden Tagen veranstalteten jene Häftlinge, die körperlich nicht vollends geschwächt waren, schlichte Feierlichkeiten und Zusammenkünfte mit Musik.[7]

Befreiung restlicher Außenlager

Am 29. April konnten die Außenlager in der Nähe Landsberg-Kaufering befreit werden.

US-Truppen marschierten erst am 30. April in München ein, wo zuvor die Freiheitsaktion Bayern stattgefunden hatte. Der Tag, an dem die Truppen die Hauptstadt der Bewegung einnahmen, war auch der Tag an dem Adolf Hitler in Berlin Suizid begangen hatte, was jedoch nicht umgehend bekannt wurde. In der Münchner Umgebung trafen sie an diesem Tag auf einige Häftlingstransporte, beispielsweise auf einen Zug aus dem Außenkommando Mühldorf, in dem sich auch Max Mannheimer befand.

Am 30. April stoppten die Alliierten einen Eisenbahnzug, der am 25. April mit 3.000 Häftlingen gestartet war, von Emmering über München, Wolfratshausen und Kochel am See nach Seeshaupt am Starnberger See. Der Evakuierungstransport vom 26. April über Emmering–München–Wolfratshausen–Penzberg–Staltach mit 1.759 Juden konnte ebenfalls am 30. April befreit werden. Ebenso der Marsch mit etwa 7.000 Häftlingen, der am 26. April begonnen hatte und über Pasing, Wolfratshausen und Bad Tölz zum Tegernsee führte.[8]

Die Befreiung der Mühldorfer Lager, die östlich von München lagen, vollzogen die Siegermächte am 1. und 2. Mai.

Ein Evakuierungstransport war mit der Reichsbahn über Emmering–München–Wolfratshausen–Seefeld in Tirol nach Mittenwald unterwegs. Diese 2.000 Häftlinge waren am 4. Mai frei.

Während Hitlers Berghof, der mehr als 100 km südlich von Dachau lag, bereits am 4. Mai eingenommen wurde, kamen andere US-Truppen am 5. Mai ins Sudelfeld, wo sich das Außenlager SS-Berghaus Sudelfeld und das Außenlager Sudelfeld – Luftwaffe befand.

Am 8. Mai, dem V-E-Day, trat die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht in Kraft.

Heute

Jährlich findet gegen Ende April ein Gedenktag statt, mit dem die heutige Gedenkstätte an die Jahre im Lager und die Tage der Befreiung erinnern will.

Zum 65. Jahrestag der Befreiung fand am Sonntag, 2. Mai 2010 in der KZ-Gedenkstätte Dachau eine Gedenkfeier mit Bundespräsident Horst Köhler statt.[9]

Literatur

  • Barbara Distel, Wolfgang Benz, (Hrsg.): Die Befreiung. In: Dachauer Hefte Nr.1, Dachau 1985
  • Hans Günter Richardi: SS-Geiseln in der Alpenfestung. Die Verschleppung prominenter KZ-Häftlinge aus Deutschland nach Südtirol. 2005, Verlag: Edition Raetia.
  • Sabine Schalm: Überleben durch Arbeit? Außenkommandos und Außenlager des KZ Dachau 1933-1945. Verlag: Metropol, November 2009. Dissertation
  • Andreas Wagner: Todesmarsch, Die Räumung und Teilräumung der Konzentrationslager Dachau, Kaufering und Mühldorf Ende April 1945. Ingolstadt, 1995.
  • Stanislav Zámečník: (Hrsg. Comité International de Dachau): Das war Dachau. Luxemburg, 2002, ISBN 2-87996-948-4.
  • Tatiana Lukina: Das russische München. Kapitel: Gleb Rahr. Verlag Mir e.V., München 2010. ISBN 978-3-98-05300-9-5.

Weblinks

Fußnoten

  1. Zámečník: Das war Dachau. S.383
  2. Dachauer Archiv, DA-7510. Zámečník: Das war Dachau. S. 390
  3. SS-Untersturmführer Heinrich Wicker. scrapbookpages.com. Abgerufen am 19. August 2011.
  4. Blick auf einen Taeter: Heinrich Wicker, ein SS-Offizier zwischen Natzweiler, Hessental und Dachau. scrapbookpages.com. Abgerufen am 19. August 2011.
  5. Bericht des ITS, DA-10059
  6. Zámečník: Das war Dachau. S. 390-398
  7. Häftlinge im KZ Dachau - Befreiung und Repatriierung auf www.hagalil.com
  8. Route der Märsche
  9. Kriegsende in Bayern 1945: Als die Amerikaner das KZ Dachau befreiten. br-online.de (16. April 2010). Abgerufen am 19. August 2011.

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