Bernhard Weiss (Unternehmer)

Bernhard Weiss (Unternehmer)

Bernhard Weiss (* 26. März 1904 in Siegen; † 11. Januar 1973 in Dahlbruch) war ein deutscher Unternehmer. Er gehörte im Nationalsozialismus zu den engsten Mitarbeitern Friedrich Flicks, war Wehrwirtschaftsführer und wurde im Fall V der Nürnberger Prozesse verurteilt.

Inhaltsverzeichnis

Weimar und Nationalsozialismus

Bernhard Weiss war der Neffe von Friedrich Flick.
Nach eine kaufmännischen Ausbildung und einer Ausbildung an einer Handelshochschule in Köln trat er in die Firma seines Vaters als Prokurist im Jahre 1928 ein und erbte 1932 von seinem Vater 42 Prozent des Aktienkapitals der SIEMAG. Weitere 42 Prozent hielt sein Onkel väterlicherseits, Carl Weiss. Der Rest des Aktienkapitals befand sich in den Händen von Friedrich Flick. Flick holte seinen Neffen 1937 als Generalbevollmächtigten der Konzernholding Friedrich Flick KG nach Berlin. Dort übernahm er einen Teil des Aufgabenbereichs von Otto Steinbrinck, der nach Unstimmigkeiten mit Friedrich Flick den Konzern verlassen hatte. Zuständig war er für die Firmen von Flick, die sich mit dem Abbau der Steinkohle und der Fertigung befassten. 1940 wurde er zu Vorstand der SIEMAG gewählt, seit 1942 war er Alleininhaber des Unternehmens.[1]

Weiss war Wehrwirtschaftsführer. Er erhielt das Kriegsverdienstkreuz erster und zweiter Klasse.

Nach 1945

Weiss, der auf der Liste des Kilgore Committee des US-Senats der 42 schuldigsten NS-Industriellen stand ("Kilgore-Liste"), tauchte nach dem Ende des Nationalsozialismus zunächst unter. Am 1. Februar 1946 wurde er festgenommen. Im Fall V ("Flick-Prozess") wurde er vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg neben Friedrich Flick, Konrad Kaletsch, Odilo Burkart und Otto Steinbrinck angeklagt. Alle Führungsvertreter des Flick-Konzerns wurden als "Haupttäter, Teilnehmer, Anstifter, Vorschubleistende" der "Sklavenarbeit und Deportation zu Sklavenarbeit in gigantischem Umfang" beschuldigt. Flick, Weiss, Burkart und Kaletsch wurden zweitens die "Plünderung öffentlichen und privaten Eigentums, Raub und andere Vergehen gegen das Eigentum" vorgeworfen. Der Wandel der politischen Großwetterlage - die aufkommende Blockbildung - führte zu einem "äußerst, um nicht zu sagen übertrieben milde[m] und versöhnlich[en]" Urteil. Sie wurden in einigen Punkten verurteilt, "die auch der wohlwollendste Richter nicht hinreichend schönreden konnte". Weiss erhielt wegen Sklavenarbeit - u. a. wegen Vorgängen in seinem Siegerländer Unternehmen SIEMAG - zweieinhalb Jahre, auf die die U-Haft angerechnet wurde, und die er in Landsberg abzusitzen hatte, dem "komfortabelsten Gewahrsam der Alten Welt". Er kurierte dort eine Lungenerkrankung aus und lobte später die "vorzügliche Pflege" im Gefängnishospital. Bereits im Dezember 1948, kurz nach dem Urteil wurde er wieder entlassen.[2] Allerdings war es ihm für drei Jahre verboten, die SIEMAG zu betreten.[3]

Von 1953 bis 1970 war er Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen, zudem Vorsitzender der Vereinigung der IHK in Nordrhein-Westfalen. Er war zunächst Vizepräsident, dann Präsident des Vereins Deutscher Maschinenbau-Anstalten und Mitglied des Präsidiums des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Er war Mitglied des Vorstands des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft.[3]

Weiss wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Regionale Erinnerungskultur

Weiss wurde von dem Wortführer der regionalen Geschichtskultur der 1930er- bis 1980er-Jahre, Lothar Irle, 1974 als "nach Friedrich Flick die profilierteste Unternehmerpersönlichkeit des Siegerlandes" gewürdigt.[4] Mit diesem Zitat aus der Siegener Zeitung gab Irle die dominierende Sichtweise wieder. Weiss' Verurteilung vor dem Nürnberger Gerichtshof fand demgegenüber kaum mediale Erwähnung. Einen Zusammenhang mit seiner unternehmerischen Betätigung gab es aus dieser Blickrichtung nicht.

Das im Kreuztaler Ortsteil Kredenbach gelegene evangelische Krankenhaus und ein Platz in der Stadt Hilchenbach sowie der Veranstaltungssaal der IHK Siegen tragen seinen Namen. Vorschläge, das zu ändern, wurden stets abgewiesen.

Literatur

  • Norbert Frei, Ralf Ahrens, Jörg Osterloh, Tim Schanetzky: Flick. Der Konzern, die Familie, die Macht. München 2009.
  • Susanne Jung: Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse. Dargestellt am Verfahren gegen Friedrich Flick. Tübingen 1992.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich - Wer war was vor und nach 1945. 2. Auflage. Frankfurt am Main 2007, S. 664.
  • Kim Christian Priemel: Flick - Eine Konzerngeschichte vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik. Wallstein Verlag, Göttingen 2007, ISBN 978-3-8353-0219-8.
  • Karl-Heinz Thieleke: Fall 5. Anklageplädoyer, ausgewählte Dokumente, Urteil des Flick-Prozesses. eingeleitet von Klaus Drobisch, Berlin (DDR) 1965.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Susanne Jung: Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse. Dargestellt am Verfahren gegen Friedrich Flick. Tübingen 1992, S. 28-29.
  2. Details wie Zitate nach: Norbert Frei, Ralf Ahrens, Jörg Osterloh, Tim Schanetzky: Flick. Der Konzern, die Familie, die Macht. München 2009, S. 401ff.
  3. a b Ulrich Friedrich Opfermann: Siegerland und Wittgenstein im Nationalsozialismus. Personen, Daten, Literatur. Ein Handbuch zur regionalen Zeitgeschichte. 2. Aufl. Siegen 2001, S. 256. (= Siegener Beiträge, Sonderband 2001)
  4. Siegerländer Persönlichkeiten- und Geschlechter-Lexikon. Siegen 1974, S. 364.

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