Bewertungsreserven

Bewertungsreserven

Bewertungsreserven (auch: stille Reserven) sind ein Begriff aus der Versicherungswirtschaft. Bewertungsreserven ergeben sich aus der Differenz des Marktwertes von Kapitalanlagen (Zeitwert) gegenüber den nach dem Niederstwertprinzip in den Bilanzen von Versicherungsunternehmen ausgewiesenen sogenannten Buchwerten (Kaufpreis - ggf. gemindert um Abschreibungen).

Hohe Bewertungsreserven dienen insoweit der Sicherheit von Lebens-und Rentenversicherungsverträgen, als sie dazu verhelfen, Marktschwankungen am Kapitalmarkt auszugleichen und die in Aussicht gestellten Renditeversprechen einzulösen. Realisiert werden Bewertungsreserven erst durch die Veräußerung (Verkauf) von Kapitalanlagen.

Inhaltsverzeichnis

Rechtsgrundlagen

Nach dem reformierten und zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sind die Versicherungsnehmer im Sinne des § 153 III 3 VVG neben den laufenden/jährlichen Überschüssen und den Schlussüberschüssen (letztere dienen der Belohnung der Vertragstreue) an den Bewertungsreserven zu beteiligen, soweit kein Ausschluss besteht. § 153 III VVG konstituiert damit erstmals einen zivilrechtlichen Anspruch auf Überschussbeteiligungen. Dieser Anspruch ist nicht in Teilen, sondern nur insgesamt abdingbar (Gesamtausschluss). Hierzu sind jedoch ausdrückliche Erklärungen in den AVB notwendig; bloßes Nichterwähnen der Überschussbeteiligungen im Vertrag genügt dem Anspruch an deren Abdingbarkeit nicht. Ausschlussbeispiele sind Versicherungen, bei denen eine Überschussbeteiligung ausdrücklich ausgeschlossen wurde oder bei bestimmten fondsgebundenen Versicherungen, die beispielsweise mit Mindestgarantierenten arbeiten.

Da Versicherungsunternehmen andererseits verpflichtet sind, zur Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der Verträge stets über freie unbelastete Eigenmittel mindestens in Höhe der geforderten Solvabilitätsspanne zu verfügen, die sich nach dem gesamten Geschäftsumfang bemisst, darf die zivilrechtlich vorgeschriebene Beteiligung an den Bewertungsreserven nicht dazu führen, dass dem Versicherer das notwendige Eigenkapital fehlt (§ 53 c VAG). Dies stellt die zivilrechtliche Vorschrift des § 153 III 3 VVG auch zugunsten des Aufsichtsrecht klar. Die Zuteilung von Bewertungsreserven hat dann solange zu unterbleiben, bis der Versicherer das notwendige Eigenkapital wieder ausweist.[1]

Verteilungsgrundsätze

Die Berechnung der Bewertungsreserven und deren Zuordnung erfolgt jährlich und mittels eines verursachungsorientierten Verfahrens. Dazu genügt es ausweislich der Gesetzesbegründung, dass die Verträge unter einem Gesichtspunkt der Überschussbeteiligung sachgerecht zu Gruppen zusammengefasst werden, der zur Verteilung bestimmte Betrag nach den Kriterien der Überschussverursachung einer Gruppe zugeordnet und dem einzelnen Vertrag dessen rechnerischer Anteil am Gruppenbetrag zugeschrieben wird.[2] Die Zuordnung findet gegenüber sämtlichen kapitalbildenden Produkten statt. Zum Ende des Vertrages werden die Bewertungsreserven zu 50% zugeteilt, wobei die letzte Wertberechnung durch den Versicherer ausschlaggebend ist. Gemäß § 153 IV VVG steht bei Rentenversicherungen das Ende der Beitragszahlungs- und Ansparphase einer Vertragsbeendigung gleich.

Beispiel zur Ermittlung von Bewertungsreserven

Als Beispiel zur Ermittlung von Bewertungsreserven soll eine Aktie dienen. Sie wird für 50 € gekauft und erfährt zum Bewertungsstichtag einen Anstieg auf 60 €. Mit dem Marktwert von 60 € korreliert bilanziell gemäß Verpflichtung aus dem Handelsgesetzbuch zum Niederstwert der Anschaffungspreis von 50 €. Die Differenz beträgt +10 € und stellt die Stille Reserven der Aktie dar. Entsprechend wird mit allen anderen Kapitalanlagen verfahren. Fällt der Wert andererseits von 50 € auf 40 € liegen -10 € Wert vor und die Aktie hat in dieser Höhe Stille Lasten gebildet, denn der Buchwert liegt unverändert bei 50 €. Die Bewertungsreserven ergeben sich letztlich aus der Saldierung sämtlicher stillen Reserven mit sämtlichen stillen Lasten. Die Versicherungskunden partizipieren nur an positiven Bewertungsreserven - der Höhe nach zu 50%.[3]

Einzelnachweise

  1. Sven Marlow, Das neue VVG kompakt: ein Handbuch für die Rechtspraxis
  2. Prölls-Kollhosser, § 81 c Rnr. 1 m.w.N.
  3. Burkhard Disch, Kalkulation und Rechnungsgrundlagen in der Lebensversicherung

Weblinks


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