Zarentum Bulgarien

Zarentum Bulgarien
Царство България

Zarstwo Balgarija
Zarentum Bulgarien
1908 - 1946

Flagge Bulgariens
Wappen Bulgariens
Flagge Wappen
Amtssprache Bulgarisch
Hauptstadt Sofia
Staatsform Konstitutionelle Monarchie
Staatsoberhaupt Zar
Ferdinand I. (1908–1918)
Boris III. (1918–1943)
Simeon II. (1943–1946)
Regierungschef Ministerpräsident
Währung Lew
Nationalhymne Schumi Maritza

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Das Zarentum Bulgarien (bulgarisch Царство България/Zarstwo Balgarija) bestand vom 5. Oktober 1908 bis zum 15. September 1946 auf dem Gebiet der heutigen Republik Bulgarien. Es war auch als Drittes Bulgarisches Reich bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Fürstentum Bulgariens und Vereinigung mit Ostrumelien

Hauptartikel: Fürstentum Bulgarien

Nach mehr als 500 Jahren unter osmanisch-türkischer Herrschaft wurde der Bulgarische Staat nach dem Russisch-Türkischen Krieg von 1877 bis 1878 wieder begründet. Der Vertrag von San Stefano mit dem Osmanischen Reich sah die Schaffung eines bulgarischen Staates, der mit Ostrumelien und Makedonien bis an die Ägäis ausgedehnt werden sollte. Da sich Großbritannien und Frankreich in diesem enormen russischen Machtzuwachs in ihren Interessen beeinträchtigt sahen, wollten sie diesen Diktatfrieden aber nicht akzeptieren. Ein drohender europäischer Krieg wurde durch die Einberufung des Berliner Kongresses gebannt, der den Frieden von San Stefano aber komplett zu Ungunsten Bulgariens revidierte.

Fürst Alexander I. (1879-1886)

Der bulgarischer Staat wurde zu einem Fürstentum Bulgarien degradiert, das in der Donauebene vom Balkangebirge und der Donau begrenzt war und ansonsten nur noch das Umfeld von Sofia umfasste. Die Osmanen gewährten daraufhin lediglich die Autonomie und erkannten erst 1908 nach einer erneute Ausrufung die Unabhängigkeit Bulgariens an. Alexander I. aus dem Hause Battenberg wurde am 29. April 1879 zum ersten Fürsten Bulgariens ausgerufen.

Am 6. September 1885 kam es infolge der Vereinigung mit Ostrumelien zum Serbisch-Bulgarischen Krieg mit dem Königreich Serbien, welches eine weitere Vereinigung Bulgariens mit Makedonien fürchtete und verhindern wollte. In den noch folgenden Kriegen kämpfte Serbien aus diesem Grund gegen Bulgarien.

Unabhängigkeit und Balkankriege

Ferdinand I. krönte sich am 22. September 1908 zum ersten Zaren des modernen Bulgariens und verlas das feierliche Manifest in der alten Hauptstadt Weliko Tarnowo. Bulgarien verkündete seine Unabhängigkeit unter Ausnutzung von Machtkämpfen zwischen den Großmächten, das Russische Reich unterstützte Bulgarien dabei.

Zar Ferdinand I. (1908–1918)

Unter dem nationalistischen Premierminister Iwan Geschow formte das Zarentum zusammen mit dem Königreich Griechenland und Serbien eine Allianz. Die drei Länder einigten sich darauf, ihre Rivalitäten zu begraben und planten einen gemeinsamen Angriff auf das Osmanische Reich.

1912 schloss Bulgarien den Balkanbund mit Serbien, Griechenland und dem Fürstentum Montenegro, um die verbliebenen europäischen Provinzen des Osmanischen Reiches zu erobern. Der Geheimvertrag mit Serbien wurde im Februar 1912 geschlossen und mit Griechenland im Mai 1912. Montenegro schloss sich dem Pakt an. Der Vertrag legte die Aufteilung Makedoniens und Thrakiens unter den Verbündeten fest, obwohl der Verlauf der Teilungslinien gefährlich vage blieb. Nachdem das Osmanische Reich es abgelehnt hatte, Reformen in den umstrittenen Gebieten einzuführen, begann im Oktober 1912 der Erste Balkankrieg.

Bulgarien und seine Verbündeten waren im Ersten Balkankrieg ziemlich erfolgreich. Die bulgarische Armee brachte dem Osmanischen Reich mehrere Niederlagen bei und näherte sich Konstantinopel bedrohlich, während die Serben und Griechen die Kontrolle über Makedonien erlangten. Die Osmanen suchten im Dezember einen Friedensschluss. Nachdem die Friedensverhandlungen gescheitert waren, flammten die Kämpfe im Februar 1913 wieder auf. Die Osmanen verloren Adrianapol (heute Edirne) an eine vereinigte bulgarisch-serbische Truppe. Im März 1913 folgte ein zweiter Waffenstillstand und die Osmanen verloren alle ihre Gebiete auf dem europäischen Kontinent westlich der Linie Midia-Enos, nicht weit von Istanbul.

Grenzveränderungen in Folge der Balkankriege – Rot: Gewinne Bulgariens

Bulgarien gelangte in den Besitz der größten Teile Thrakiens, einschließlich Adrianapol und des Ägäishafens Dadeagach (heute Alexandroupoli). Bulgarien bekam auch einen Teil Makedoniens nördlich und östlich von Thessaloniki, während Thessaloniki selbst am Griechenland fiel. An seiner Westgrenze erhielt Bulgarien jedoch nur einige kleine Gebiete zugeschlagen.

Bulgarien hatte im Ersten Balkankrieg die meisten Opfer gebracht. Deshalb beanspruchte es den größten Teil der von den Osmanen eroberten Gebiete. Die Serben sahen das anders und lehnten die Übergabe von Gebieten, die sie in Nordmakedonien erobert hatten, ab. Dabei handelte es sich ungefähr um die Gebiete, welche heute die Republik Mazedonien umfassen.

Nach Meinung der Serben hatte die bulgarische Armee in Adrianopel nicht die gesetzten Ziele erreicht, da sie die Stadt nicht ohne serbische Hilfe einnehmen konnte, weshalb die Vorkriegsvereinbarung zur Aufteilung Makedoniens revidiert werden musste. Einige Kreise in Bulgarien waren geneigt, deswegen gegen Serbien und Griechenland in den Krieg zu ziehen. Im Juni 1913 bildeten Serbien und Griechenland ein neues Bündnis gegen Bulgarien.

Der serbische Premierminister Nikola Pašić vereinbarte, dass Griechenland Thrakien haben könne, wenn es im Gegenzug Serbien helfe, Bulgarien aus dem serbischen Teil Makedoniens auszusperren. Der griechische Premierminister Eleftherios Venizelos war damit einverstanden. Der bulgarische Zar Ferdinand erklärte Serbien und Griechenland den Krieg, weil er darin eine Verletzung der Vorkriegsvereinbarung sah. Er wurde in seiner Entscheidung diskret vom Deutschen Kaiserreich und Österreich-Ungarn unterstützt. Am 29. Juni 1913 griffen die Bulgaren Griechenland und Serbien ohne Kriegserklärung an und begannen damit den Zweiten Balkankrieg.

Nach anfänglichen Niederlagen der Serben und Griechen erlangten sie später die Oberhand. Die Entscheidungsschlacht fand bei Kalimantsi vom 15. bis zum 19. Juli 1913 statt.

Am 9. Juli 1913 erklärte das Königreich Rumänien Bulgarien den Krieg und am 11. Juli folgte das Osmanische Reich. Damit wurde Bulgarien von allen Seiten angegriffen: vom Norden die Rumänen und vom Südosten die Osmanen. Der Krieg war somit für Bulgarien definitiv verloren, das seine Forderungen auf Makedonien an die Griechen und Serben abtreten musste, während die sich zurückziehenden Osmanen wieder Adrianapol einnahmen. Rumänien erhielt die Süddobrudscha.

Bulgarien während des Ersten Weltkrieges

Zar Boris III. (1918–1943)

Mit dem Waffenstillstand von Thessaloniki vom 29. September 1918 ging der Erste Weltkrieg für Bulgarien zu Ende. Im Vertrag von Neuilly-sur-Seine wurde die Niederlage Bulgariens im Ersten Weltkrieg bestätigt und das Land musste Westthrakien an Griechenland, die Süddobrudscha an das Königreich Rumänien und die Zaribrod und die Bulgarischen Westgebiete an Serbien abtreten.

Zwischenkriegszeit

Im Frieden von Neuilly 1919 musste Bulgarien seinen Zugang zum Ägäischen Meer, den Landbereich Thrakien, zwischen den Flüssen Mesta und Mariza mit dem Hafen Dedeagac (heute: Alexandroupolis) an die Alliierten, die es an der Konferenz von Sanremo im April 1920 an Griechenland gaben, abgeben. Rumänien erhielt nun den südlichen Teil der Dobrudscha, die Gebiete um Zaribrod und Strumiza gingen an das neu gegründete „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“.

Handel, Industrie und Landwirtschaft waren schwer beeinträchtigt. Die Landwirtschaft verfügte nicht einmal mehr über Saatgut. In der Industrie herrschte Mangel an Rohstoffen und Energie. Dem Handel fehlten die Transportmittel, die im Krieg eingesetzt und vernichtet worden waren. Die Preise stiegen enorm. Der unglückliche Ausgang des Krieges veranlasste den Zaren, am 3. Oktober 1918 zugunsten seines Sohnes Boris III. zurückzutreten. Dieser spielte in dem von Unruhen zerrissenen Land zunächst eine politisch untergeordnete Rolle, bis er 1935, ein Jahr nach dem Staatsstreich der Gruppe „Sweno“, die Macht als absolutistischer Monarch ergriff. Der ehemalige Ministerpräsident Wassil Radoslawow wanderte unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg nach Deutschland aus.

Das Zarentum im Zweiten Weltkrieg

Zar Simeon II. (1943–1946)

Im Zweiten Weltkrieg erhielt Bulgarien nach einem Bündnis mit den Achsenmächten auf deutschen und italienischen Druck die Süddobrudscha von Rumänien zurück. 1946 wurde der letzte Zar Bulgariens, Simeon II., durch ein gefälschtes Referendum abgesetzt (mit 92,7 Prozent Ja-Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 91,7 Prozent) und eine Volksrepublik etabliert. Am 15. September 1946 wurde die Volksrepublik Bulgarien ausgerufen. Die Zarenfamilie mit dem damals 9-jährigen Zaren Simeon II. musste ins Ausland fliehen.

Folgen des Zweiten Weltkrieges und das Ende der Monarchie

Hauptartikel: Volksrepublik Bulgarien

Bereits am 9. September 1944 wurde die Regierung von Konstantin Murawiew durch einen Putsch der Vaterländischen Front, die nach dem Einmarsch der Roten Armee agierte, gestürzt. Zwischen 9. und 12. September 1944 wurden mehrere hundert führende Persönlichkeiten von den Kommunisten gefangen genommen, ermordet oder verschwanden für immer. Diese Tage gingen in die bulgarische Geschichte als die Tage des roten Terrors ein. Am 15. September hielt die Rote Armee in Sofia eine Militärparade.

Siehe auch

Literatur

  • Stefan Appelius: Bulgarien. Europas ferner Osten. Bouvier, Bonn 2006, ISBN 978-3-416-03154-7.
  • Sigrun Comati: Bulgarische Landeskunde. Helmut Buske Verlag, Hamburg 2003, ISBN 3-87548-327-8.
  • Richard J. Crampton: A concise history of Bulgaria. Cambridge concise histories. Cambridge University Press, New York 1997, ISBN 0-521-56719-X, Digitalisat bei Google Books.
  • Richard J. Crampton: Bulgaria. Oxford University Press, New York 2007, ISBN 978-0-19-820514-2.
  • Raymond Detrez: Historical dictionary of Bulgaria, Scarecrow Pr., Lanham 1997, ISBN 0-8108-3177-5.
  • Hans-Joachim Härtel, Roland Schönfeld: Bulgarien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1998, ISBN 3-7917-1540-2.
  • Nikolaj Poppetrov: Flucht aus der Demokratie: Autoritarismus und autoritäre Regime in Bulgarien 1919-1944, in: Erwin Oberländer (Hrsg.): Autoritäre Regime in Ostmittel- und Südosteuropa 1919-1944, Paderborn u.a. 2001, ISBN 3-506-76186-2, S. 379-401.

Weblinks


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