Caracazo

Caracazo

Als Caracazo [kaɾaˈkaso in Lateinamerika; kaɾa'kaθo in Spanien] oder sacudón [saku'ðon] werden die mehrtägigen Volksaufstände in der venezolanischen Hauptstadt Caracas und anderen Städten bezeichnet, die am 27. Februar 1989 begannen. Nach inoffiziellen Schätzungen forderten sie bis zu 3.000 Menschenleben. Offiziellen Zahlen zufolge gab es 276 Todesopfer.[1]

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Die tiefe ökonomische Krise Venezuelas seit Anfang der 1980er Jahre resultierte aufgrund der enormen Verschuldung von über 30 Milliarden US-Dollar[2] in der Abwertung des Bolívars. Als Gegenmaßnahme setzte Carlos Andrés Pérez in seiner zweiten Amtszeit eine Reihe von neoliberalen Vorschlägen des internationalen Währungsfonds um, wie die Privatisierung von Staatsbetrieben, das Aufheben von Subventionen oder des staatlichen Schutzes von privaten Betrieben.[3]

Viele Wähler des sozialdemokratischen Pérez (Acción Democrática) waren gegen diese Reformen, vor allem, da sie Pérez gerade wegen seines Kurses gegen den IWF während seiner ersten Amtszeit gewählt hatten. Die Maßnahmen verursachten einen Anstieg der Inflation, woraufhin viele Kaufleute ihre Waren horteten und Alltagsprodukte knapp wurden. Die Maßnahme, die schließlich den Caracazo auslöste, war die am 26. Februar angekündigte Erhöhung der Preise für den öffentlichen Transport.

Proteste und Plünderungen

Die Proteste begannen in Guarenas (Miranda), einer Stadt etwa 15 km östlich von Caracas, am Morgen des 27. Februars 1989. Der Auslöser war der starke Anstieg des Preises für den Transport nach Caracas, wo viele der Bewohner von Guarenas arbeiteten. Die anfangs noch friedlichen Proteste breiteten sich rasch nach Caracas und in andere Städte (wie Valencia, Maracay oder Mérida) des Landes aus und werden schließlich auch zu Plünderungen genutzt.[4] Am Nachmittag gab es bereits Aufstände in beinahe allen Teilen von Caracas, die Kaufleute hatten ihre Geschäfte geschlossen und der öffentliche Verkehr war eingestellt worden.

Aufgrund der Plünderungen[5] erklärte die Regierung den Notstand und sandte das Militär in Stadt, um die Proteste gewaltsam niederzuschlagen[3]. Es kam zu Feuergefechten zwischen Militär und Zivilbevölkerung, in deren Laufe nach inoffiziellen Quellen bis zu über 1.000-3000 Zivilisten und auch eine weit kleinere Zahl von Soldaten getötet wurden. Offizielle Zahlen nannten 276 Opfer.[6]Die Repression war vor allem in den Armenvierteln hart.

Der Kongress setzte die verfassungsmäßigen Rechte außer Kraft[7], und Caracas versank für mehrere Tage in Chaos mit Plünderungen, Essensknappheit und Verfolgungen (bis zu Ermordungen) von unschuldigen Personen.

Auswirkungen

Als direkte Folge des Aufstands wurde das neoliberale Programm geändert.

Die langfristige Konsequenz war politische Instabilität. 1992 erfolgten zwei Putschversuche (im Februar von Hugo Chávez[4] und ein weiterer im November), bei denen sich die Putschisten auf den Caracazo beriefen. Im gleichen Jahr wurde Carlos Andrés Pérez wegen Korruption angeklagt und seines Amtes enthoben.

Juristische Aufarbeitung

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte die Handlungen der Regierung[8] als Verletzungen von Menschenrechten (inklusive von außergerichtlichen Tötungen) und der Staat verpflichtete sich, die Opfer zu entschädigen. Dies wurde allerdings erst 2003 erfüllt.[9]

Im September 2009 beantragte die venezolanische Generalstaatsanwaltschaft unter Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz einen internationalen Haftbefehl gegen den im US-Exil lebenden Carlos Andrés Pérez bei Interpol.[10]

September 2009 haben Experten auf dem "Hauptfriedhof Süd" in Caracas damit begonnen Massengräber auszuheben. Bis dato wurden 125 Körper gefunden, die im Februar 1989 bei Nacht und Nebel von den Sicherheitskräften verscharrt wurden.[11]

Film

Im Jahr 2005 erschien der Film El Caracazo über die Ereignisse.

Fußnoten

  1. Ende der Straflosigkeit,jW, 6. Oktober 2009
  2. Verursacht durch den Fall des Ölpreises
  3. a b Regierungsinformation zum 17. Jahrestag (spanisch)
  4. a b Analyse der DISIP (der venzolanischen Staatspolizei) (spanisch)
  5. Die armen Leute kamen von den Barrios/Ranchos ((schlechten) Wohnvierteln) der cerros (Hügel) in die wohlhabenden Teile der Stadt.
  6. Ende der Straflosigkeit,jW vom 6. Oktober 2009
  7. Es wurde eine Ausgangssperre verhängt und dem Militär die Kontrolle über die Stadt überlassen, inklusive dem Recht, Schusswaffen zu gebrauchen.
  8. Urteil, PDF (englisch)
  9. Nachricht von Radio Nacional de Venezuela (spanisch)
  10. M. Daniljuk: Venezuela beantragt internationalen Haftbefehl gegen Ex-Präsidenten. In: amerika21. 30. September 2009, abgerufen am 30. September 2009.
  11. Ende der Straflosigkeit,jW vom 6. Oktober 2009

Weblinks


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