Dombezirk (Bremen)

Dombezirk (Bremen)

Der Dombezirk in Bremen (auch als Domimmunität oder Domfreiheit bezeichnet) war ein Bereich der Altstadt, der seit der Entstehung des Bistums Bremen den Dom sowie umliegende Gebäude und bischöfliche Einrichtungen umfasste und über die Jahrhunderte als „Enklave“ eine besondere hoheitliche und rechtliche Stellung in der Stadt hatte, bis er 1803 vollständig unter bremische Verwaltung kam.

Inhaltsverzeichnis

Die Domburg

Reste der Mauer der Domburg, entdeckt am Domshof beim Abriss des Stadthauses im Jahr 1909

Die Anfänge des Dombezirks gehen auf die Gründung des Bistums und den Bau des ersten Bremer Doms durch Willehad im Jahr 789 zurück. Zunächst unterstand der karolingische Siedlungskern des Ortes auf der Bremer Düne und am Ufer des Weserarms Balge kaiserlicher Hoheit, ab dem 10. Jahrhundert dann erzbischöflicher Hoheit.[1] Über Beschaffenheit und Umfang einer sicher vorauszusetzenden karolingischen Befestigung wissen wir nichts Konkretes. Adam von Bremen nennt dann mehrere Befestigungsunternehmungen der Erzbischöfe um etwa 1000 und 1020. Ausgrabungen auf Markt und Domshof haben erkennen lassen, dass diese und vielleicht auch ältere Anlagen die Form eines doppelten Spitzgrabens hatten, zu dem Erdwälle und hölzerne Palisaden gehört haben dürften. Man vermutet einen einzigen Zugang zur Marktsiedlung hin. Den Bau einer Steinmauer mit einem großen Torturm und damit den Ausbau zur Domburg begann erst Erzbischof Hermann kurz vor seinem Tode (1035).[2] Der Ring dieser Wälle und -mauern um das vom Dom gebildete Zentrum verlief (projiziert auf den heutigen Stadtplan) etwa wie folgt: Dritte Rathausarkade von rechts – Inneres des Neuen Rathauses – westliches Drittel des Domshofs – Inneres der Bremer Bank – Sandstraße beim Haus Vorwärts – quer über die Domsheide – entlang der Marktstraße – Fassade der Bürgerschaft. Unter Erzbischof Adalbert wurde die Steinmauer wenige Jahre später jedoch bereits wieder abgetragen, um die Steine für den Wiederaufbau des 1041 abgebrannten Doms zu nutzen. Aus diesen frühesten Zeiten des Dombezirks sind (neben archäologischen Funden) nur einige wenige in das 11. Jahrhundert zurückreichende Teile des Doms erhalten.[2]

Der Dombezirk im Mittelalter

Der Dom und Umgebung im 16. Jahrhundert

Nach dem Abriss der Mauer der Domburg war der Dombezirk baulich nicht mehr vom Rest der Siedlung abgegrenzt. Ab 1229 war er – gemeinsam mit dem Großteil der Bremer Altstadt – von der neuerrichteten Stadtmauer umschlossen. Über die sogenannte „Bischofsnadel“, ein kleines Tor in der östlichen Stadtmauer, hatten die Bischöfe jedoch einen eigenen, ihnen vorbehaltenen Zugang zur Stadt.

Mit der Herausbildung einer Bürgerschaft (in Abgrenzung zu den kirchlichen Amtsträgern und Untertanen) ab dem 11. Jahrhundert und der Entstehung eines Bremer Stadtrechts kam es nach und nach zu einer Trennung von erzbischöflicher und städtischer Einflusssphäre. Gegenüber der vom Bremer Rat regierten Stadt mit ihren Besitzungen grenzten sich der Dombezirk und die erzbischöflichen Territorien außerhalb der Stadt als Bereiche mit eigenem Recht und eigener Gerichtsbarkeit ab, die der kirchlichen Verwaltung unterstellt waren.

Der Dombezirk umfasste dabei neben dem Dom mit seinen unmittelbaren Nebengebäuden Teile des Domshofs, das Wilhadiquartier, die Domsheide, die Sandstraße, die Buchtstraße, Teile des Walls, der Ostertorstraße und der Süsterstraße. In ihm lagen neben dem Dom das Palatium (der Sitz des Erzbischofs), die Wilhadikapelle (die Pfarrkirche der Domgemeide), Domschule und Athenaeum und verschiedene Domkurien (Wohn- und Wirtschaftsgebäude des Domkapitels). Allerdings waren die Besitzverhältnisse teilweise recht komplex – so gehörten einzelne Grundstücke abseits des Gebietes ebenfalls zum Dombezirk, während es z. B. direkt am Domshof auch bürgerliche Häuser gab. Die Bebauung des Bereichs blieb bis Ende des 18. Jahrhunderts – im Unterschied zum Rest der Altstadt – eher locker, hier gab es zahlreiche Gärten und freie Grundstücke.

Zwischen Erzbischof und Rat kam es immer wieder zum Streit um verschiedene Rechte und Kompetenzen das Gebiet betreffend. Insbesondere der Domshof an der Grenze zwischen städtischen und erzbischöflichen Gebiet war mehrfach Gegenstand von Auseinandersetzungen, so 1592 als die Stadt hier große Mengen Material zum Ausbau der Befestigungen lagern ließ oder 1636 als der Rat vor dem Palatium zwei Pranger aufstellte.[3]

Nach dem Dreißigjährigen Krieg

Karte der hannoverschen Besitzungen in Bremen aus dem Jahr 1750

1638 wurde der Dom lutherisch, während sich der Rat und die städtischen Gemeinden seit 1581 dem reformierten (calvinistischen) Bekenntnis zugewandt hatten. In der Folge des Dreißigjährigen Krieges fiel die Hoheit über das säkularisierte Gebiet des Erzstifts Bremen (des ehemaligen Bremer Bistums), zu dem auch der Dombezirk gehörte, als Herzogtum Bremen an das Königreich Schweden, das hier fortan finanzielle und rechtliche Ansprüche geltend machen konnte. Der Dom war somit in zweifacher Hinsicht eine Enklave in der Stadt: als lutherische Gemeinde im reformierten Umfeld und als schwedische Besitzung auf bremischem Gebiet. Daran änderten auch der Erste Bremisch-Schwedische Krieg (1654) und der Zweite Bremisch-Schwedische Krieg (1666) nichts, nach deren Beilegung der bestehende rechtliche Status quo festgeschrieben wurde. Auf Grund dieser unpräzisen Regelung gab es auch von schwedischer Seite mehrfach Beschwerden über die Nutzung des Domshofs durch den Rat, der das Areal als Exerzierplatz für die Bürgerkompanien nutzte und hier Wachen aufstellen ließ. Die Vorwürfe wurden jedoch stets mit dem Verweis darauf, dass es sich um loca publica civitatis (‚öffentliches städtisches Gebiet‘) handelt, zurückgewiesen.[4]

Die schwedische Krone, die den Verwaltungssitz des neugeschaffenen Herzogtums Bremen-Verden in Stade einrichtete, nutzte ihren Besitz in Bremen vor allem als Einnahmequelle. So ließ Karl XI. die Besitztümer im Dombezirk in Strukturgüter (kirchlichen Besitz) und Intendanturgüter (königlichen Besitz) trennen und die Einnahmen entsprechend aufteilen. Nach kurzen Unterbrechungen durch dänische Hoheit (1676–1679 und 1712–1715) kam das Gebiet 1715 an Kurhannover. Zu jener Zeit waren bereits zahlreiche Gebäude des Dombezirks baufällig, da kaum Investitionen getätigt worden waren.[4] Erst Ende des 18. Jahrhunderts verbesserte sich der Zustand des Areals durch die Sanierung und Neuerrichtung verschiedener Gebäude. Einer der letzten Verwalter der hannoverschen Besitzungen in Bremen war Adolph Freiherr Knigge (von 1790 bis 1796). 1794 fertigte G. H. Buchholz mit dem Plan von den Häusern, welche Kurhannover in der Freien Stadt Bremen besitzt eine sehr detaillierte Karte der hannoverschen Besitzungen in Bremen.[5]

Bremische Hoheit

Mit dem Reichsdeputationshauptschluss erhielt Bremen 1803 schließlich die ungeteilte Hoheit über die Besitzungen im Dombezirk, was einen erheblichen finanziellen Zugewinn für die Stadt bedeutete. 160 Gebäude des Gebiets wurden verkauft, die restlichen zirka 45 nach längerem Streit zwischen Rat und Domgemeide aufgeteilt.[6] In der Folge wurden zahlreiche Grundstücke des Gebietes neu bebaut. So wurde die ehemalige Bischofsresidenz, das Palatium, in direkter Nachbarschaft zum Rathaus 1813 abgerissen und durch das Stadthaus als neuem Sitz für Behörden und als Hauptquartier der Stadtwache ersetzt.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Peter Johanek: Die Stadt und ihr Rand. Böhlau Verlag, Köln/Weimar 2008, ISBN 978-3-412241056, S. 171.
  2. a b Thomas L. Zotz, Lutz Fenske; Max-Planck-Institut für Geschichte (Hrsg.): Die Deutschen Königspfalzen: Repertorium der Pfalzen, Königshöfe und übrigen Aufenthaltsorte der Könige im deutschen Reich des Mittelalters. 4, Vandenhoeck & Ruprecht, 2000, ISBN 978-3-525365137, S. 188.
  3. Wilhelm Lührs: Der Domshof. Geschichte eines bremischen Platzes. Edition Temmen, Bremen 1987, ISBN 978-3-920699-87-5, S. 11.
  4. a b Wilhelm Lührs: Der Domshof. Geschichte eines bremischen Platzes. Edition Temmen, Bremen 1987, ISBN 978-3-920699-87-5, S. 18.
  5. Herbert Schwarzwälder: Blick auf Bremen. Nr. 195, Bremen 1985.
  6. Wilhelm Lührs: Der Domshof. Geschichte eines bremischen Platzes. Edition Temmen, Bremen 1987, ISBN 978-3-920699-87-5, S. 37.

Literatur


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