Carbonsäurehalogenide

Carbonsäurehalogenide
Von oben nach unten: Allgemeine Formel eines Carbonsäurehalogenids (X = F, Cl, Br oder I; R = H oder Organyl-Rest), Ameisensäurefluorid, Benzoesäurechlorid. Der Halogencarbonyl-Rest ist blau markiert.

Carbonsäurehalogenide, auch Alkanoylhalogenide genannt, sind in der Chemie Verbindungen einer Stoffgruppe, die sich von den Carbonsäuren ableiten. Bei ihnen ist die Hydroxygruppe der Carbonsäure durch ein Halogen-Atom ersetzt, so dass eine Halogencarbonylgruppe resultiert. Die am häufigsten verwendeten Carbonsäurehalogenide sind die Carbonsäurechloride.[1]

Inhaltsverzeichnis

Nomenklatur

Die Benennung kann entweder als Säurehalogenid, ausgehend vom Acylrest, oder als Halogencarbonyl erfolgen. Beispiele:

  • Essigsäurefluorid oder Acetylfluorid oder Fluorcarbonylmethan
  • Benzoesäurechlorid oder Benzoylchlorid oder Chlorcarbonylbenzol
  • Ameisensäurechlorid oder Formylchlorid oder Chlorcarbonyl ist eine nur hypothetisch bzw. unter hohem Druck und sehr tiefen Temperaturen existierende Substanz. Bei Normalbedingungen zerfällt es in HCl und CO. Wesentlich beständiger ist Formylfluorid H-COF.

Darstellung

Methoden zur Darstellung der Carbonsäurechloride aus Carbonsäuren sind unter dem Stichwort Carbonsäurechloride beschrieben.[2] Carbonsäureiodide werden aus Carbonsäurechloriden durch Umsetzung mit Iodwasserstoff dargestellt:[3]

\mathrm{R\mathord-COCl + HI \longrightarrow R\mathord-COI + HCl}

Carbonsäurefluoride erhält man aus Carbonsäurechloriden und Kaliumhydrogendifluorid.[3]

Eigenschaften

Die meisten niedermolekularen Carbonsäurehalogenide sind farblose, stechend riechende Flüssigkeiten, die an feuchter Luft wegen der Hydrolyse zu Carbonsäuren und Halogenwasserstoffsäuren rauchen. Im Vergleich zur jeweiligen Carbonsäure liegen Schmelz- und Siedepunkte niedriger, da sich keine Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden können. Alle Carbonsäurehalogenide sind brennbar. Durch den -I-Effekt des Halogenatoms ist das Kohlenstoffatom der Carbonylgruppe stärker positiv geladen und dadurch deutlich reaktiver als das der entsprechenden Carbonsäure.

Reaktionen

Hydrolyse

Mit Wasser reagieren Carbonylhalogenide unter stürmischer, stark exothermer Reaktion zur jeweiligen Carbonsäure und Halogenwasserstoffsäure (zum genauen Mechanismus siehe auch Additions-Eliminierungsmechanismus):

\mathrm{R\mathord-CO\mathord-X + H_2O \longrightarrow R\mathord-CO\mathord-OH + HX}

Amidbildung

Durch Reaktion mit Ammoniak lassen sich die entsprechenden Carbonsäureamide herstellen:

\mathrm{R\mathord-CO\mathord-X + NH_3 \longrightarrow R\mathord-CO\mathord-NH_2 + HX}

Esterbildung

Durch Reaktion mit Alkoholen lassen sich die entsprechenden Carbonsäureester darstellen:[4]

\mathrm{R_1\mathord-CO\mathord-X + HO\mathord-R_2 \longrightarrow R_1\mathord-CO\mathord-O\mathord-R_2 + HX}

Diese Reaktion ist im Gegensatz zu derjenigen von Carbonsäuren und Alkoholen irreversibel.

Friedel-Crafts-Acylierung

Durch Reaktion mit einem aktivierten Aromaten mit einer Lewis-Säure als Katalysator bilden sich aromatische Ketone.[5]

Verwendung

Die Carbonsäurehalogenide sind die Carbonylverbindungen mit der größten Reaktivität. Deshalb laufen viele Reaktionen, die ausgehend von der reinen Carbonsäure nur unter besonderen Bedingungen möglich sind, wesentlich leichter ab. Beispiele für die Verwendung sind Darstellung der Carbonsäureester oder Friedel-Crafts-Acylierungen.

Sicherheitshinweise

Da die Carbonsäurehalogenide sehr leicht und unter Hitzeentwicklung hydrolysieren, müssen diese möglichst trocken gelagert werden. Entweichende Halogenwasserstoffsäuren reizen Schleimhäute, Augen und Haut. Die Reaktion mit niedrigen Alkoholen verläuft meist ähnlich stürmisch unter Bildung des Esters und der Halogenwasserstoffsäure. Alle Carbonylhalogenide sind außerdem brennbar.

Einzelnachweise

  1. Hans Beyer und Wolfgang Walter: Organische Chemie, S. Hirzel Verlag, Stuttgart, 1984, S. 238−240, ISBN 3-7776-0406-2.
  2. Brockhaus ABC Chemie, VEB F. A. Brockhaus Verlag Leipzig 1965, S. 1236.
  3. a b Siegfried Hauptmann: Organische Chemie, 2. Auflage, VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig, 1985, S. 414, ISBN 3-342-00280-8.
  4. Siegfried Hauptmann: Organische Chemie, 2. Auflage, VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig, 1985, S. 319, ISBN 3-342-00280-8.
  5. Organikum, Wiley-VCH Verlag GmbH, 23. Auflage, 2009, S. 381−384, ISBN 978-3-527-32292-3.

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