Europäischer Auswärtiger Dienst

Europäischer Auswärtiger Dienst

Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD; englisch European External Action Service, EEAS) ist eine Einrichtung zur Unterstützung des Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (Art. 27 Abs. 3 EU-Vertrag in der Fassung des Vertrags von Lissabon). Die genaue Organisation regelt ein Beschluss des Rates der EU vom 26. Juli 2010. Der Europäische Auswärtige Dienst setzt sich aus ehemaligen Beamten der Europäischen Kommission und des Ratssekretariats sowie aus abgeordneten Angehörigen der nationalen Diplomatischen Dienste zusammen und ist dem Hohen Vertreter unterstellt.

Die Zentrale des EAD befindet sich in Brüssel, zudem hat er 136 Delegationen in Drittländern und bei internationalen Organisationen. In der Zentrale gibt es fünf regionale Ressorts (Asien, Afrika, Russland/östliche Nachbarschaft/Westlicher Balkan, Naher Osten/südliche Nachbarschaft, Amerika) sowie ein Ressort für globale und multilaterale Angelegenheiten. Außerdem umfasst sie die Strukturen für Krisenmanagement sowie das Politische und Sicherheitspolitische Komitee und eine Generaldirektion für Verwaltungsfragen. Allerdings liegen die Kompetenzen für Europäische Nachbarschaftspolitik, Erweiterung und Entwicklungshilfe bei der Kommission, der EAD umfasst also nicht alle außenpolitisch relevanten Politikbereiche der EU.

Derzeit umfasst der EAD 3645 Mitarbeiter, 1611 davon arbeiten in der Zentrale, 2034 in den Delegationen. Dazu kommen circa 4000 Angestellte in den Missionen der EU für ziviles und militärisches Krisenmanagement.

Das Triangle Building in Brüssel ist seit 1. Dezember 2010 Hauptsitz des EAD.[1]

Inhaltsverzeichnis

Position im politischen System der EU

Der EAD nimmt als Konstrukt sui generis eine Sonderstellung im politischen System der EU ein. Er ist direkt der Hohen Vertreterin unterstellt, die ihrerseits zugleich Mitglied der Europäischen Kommission und Beauftragte des Ministerrat ist. Auch das Europäische Parlament besitzt gewisse Kontroll- und Informationsrechte und kann zudem über sein Budgetrecht Einfluss auf den EAD nehmen. Der EAD muss daher supranationale sowie intergouvernementale Instrumente in Einklang bringen, um die Kohärenz des außenpolitischen Handelns der EU zu gewährleisten.

Der EAD ist weder eine Agentur der Europäischen Union noch ein eigenständiges EU-Organ, seine Mitarbeiter werden jedoch im Rahmen des Personalstatuts als EU-Beamte behandelt. Im Sinne des Finanzstatuts ist der EAD einem Organ der EU gleichgestellt: Er hat einen eigenen Haushaltsplan, den zehnten Einzelplan des EU-Haushalts. Dieser umfasste für 2011 ein Budget von 460 Millionen Euro.

Wichtige Mitarbeiter

Am 15. September 2010 gab die Hohe Vertreterin Catherine Ashton die Namen der ersten 28 EU-Botschafter bekannt, wobei der deutsche Diplomat Markus Ederer zur Leitung der EU-Delegation in Peking ausgewählt wurde.[2] In den Leitungsstab der EAD-Verwaltung berief Ashton am 25. Oktober den Franzosen Pierre Vimont als Geschäftsführenden Generalsekretär und den Iren David O'Sullivan als Verwaltungschef. Als Stellvertretende Generalsekretäre ernannte Ashton am 29. Oktober die Deutsche Helga Schmid und den Polen Maciej Popowski. [3]

Geschichte

Gründe für die Einrichtung des EAD

Das politische System der Europäischen Union war seit dem Vertrag von Maastricht im Jahr 1992 von dem sogenannten „Drei-Säulen-Modell“ gekennzeichnet. Dabei bildet die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) eine der beiden intergouvernementalen Säulen, bei denen Entscheidungen von den Regierungen der Mitgliedstaaten im Rat der Europäischen Union einstimmig getroffen werden mussten, die Europäische Kommission lediglich eine untergeordnete Rolle besaß und die Außenvertretung dem Hohen Vertreter für die GASP (fast einziger Amtsinhaber Javier Solana) oblag.

In Angelegenheiten, für die die Europäischen Gemeinschaften zuständig waren (z. B. Außenhandelspolitik, Nachbarschaftspolitik oder Entwicklungshilfe), war für die Außenvertretung die Europäische Kommission zuständig. Diese errichtete sogenannte EU-Delegationen im Ausland, die dem Außenkommissar unterstanden, aber personell und finanziell meist schlechter ausgestattet waren als die Botschaften der Nationalstaaten. Dies bewirkte, dass die Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik vor allem den diplomatischen Diensten der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen blieb, die ihrerseits aber im Zweifel den Vorgaben ihrer nationalen Regierungen folgten – nicht den gemeinschaftlich beschlossenen Maßnahmen der GASP. Diese Fragmentierung der Kompetenzen brachte es mit sich, dass die EU als diplomatischer Akteur in den internationalen Beziehungen im Vergleich etwa mit ihrer wirtschaftlichen Bedeutung in der Welt unterrepräsentiert war.

Dieses Kohärenzproblem sollte mit dem Vertrag von Lissabon schrittweise gelöst werden, in dem der Posten eines Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik (derzeit Catherine Ashton) geschaffen wurde, dem der Europäische Auswärtige Dienst untersteht. Dieser baute bei der Gründung auf den existierenden EU-Delegationen aufbauen, wurde aber mit weiterem Personal aus den nationalen diplomatischen Diensten ergänzt.

Ziel der Einrichtung des EAD war also eine Erhöhung der Kohärenz der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik: So sollte er dazu beitragen, dass die Positionen der Mitgliedstaaten besser abgestimmt, koordiniert und einheitlich kommuniziert werden. Außerdem sollte er dem Hohen Vertreter eine effizientere Implementierung außen- und sicherheitspolitischer Maßnahmen ermöglichen, da dieser mit dem EAD verstärkt auf eigene Beamte zurückgreifen kann und die Umsetzung beschlossener Maßnahmen nicht mehr den diplomatischen Diensten der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen muss.

Konflikt über die Organisationsstruktur des EAD

Wie die Organisationsstruktur und personelle Zusammensetzung dieses Dienstes genau aussehen sollte, stand lange nicht endgültig fest; vorgesehen waren 1100 Kommissionsbeamte und 700 Beamte nationaler Außenministerien.[4] Einen ersten Entwurf stellte Ashton Ende März 2010,[5] eine überarbeitete Version Ende April 2010 vor.[6] Allerdings kam es darüber zu Uneinigkeiten zwischen dem Rat der EU, der eine stärkere Einbindung der nationalen diplomatischen Dienste in den EAD forderte, und dem Europäischen Parlament, das sich umgekehrt für mehr Unabhängigkeit und eine stärker supranationale Rolle des EAD aussprach.[4] Die Entscheidungsmacht in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik liegt formal zwar nur beim Rat der EU, das Parlament muss aber das Budget des EAD bewilligen und hat dadurch Einfluss auf dessen Organisation.

Ein konkreter Konsens über Organisation und Arbeitsweise des EAD fanden Europäisches Parlament, Europäischer Rat und Kommission am 21. Juni 2010. Nach der Sommerpause wurde im Europäischen Parlament der Entschluss über die nötigen Änderungen im Personal- und Finanzstatut der Europäischen Union gefasst werden. Gemeinsam mit den Änderungen des Haushaltsplans wurde dieser am 20. Oktober 2010 angenommen und verabschiedet. Am 1. Dezember 2010 nahm der Auswärtige Dienst der EU seine Arbeit auf. Zum 1. Januar 2011 fand der erste Personaltransfer von der Europäischen Kommission vom Sekretariat des Rates der EU zum EAD statt.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Andrew Rettman, EU-Observer, 27. Oktober 2010: Ashton chooses €12-million-a-year EU headquarters.
  2. Vor dem Gipfeltreffen in Brüssel: Die EU auf Sinnsuche. In: tagesschau.de, 16. September 2010. Abgerufen am 30. Dezember 2010. 
  3. Neue stellvertretende Generalsekretäre im EAD: Helga Schmid und Maciej Popowski, Europäische Bewegung Deutschland. 1. November 2010. Abgerufen am 30. Dezember 2010. 
  4. a b EP nimmt Ashton zu EAD in den Schwitzkasten. In: EurActiv, 11. Juni 2010. Abgerufen am 30. Dezember 2010. 
  5. Ashton bereitet vagen EAD-Vorschlag vor. In: EurActiv, 24. März 2010. Abgerufen am 30. Dezember 2010. 
  6. Ashton präsentiert neues Design für EU-Diplomatendienst. In: EurActiv, 23. April 2010. Abgerufen am 30. Dezember 2010. 

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