Grafschaft Oettingen

Grafschaft Oettingen

Die Grafschaft Oettingen (auch Öttingen), seit dem 17./18. Jahrhundert auch Fürstentum Oettingen, war eine reichsunmittelbare Herrschaft der Grafen von Oettingen rund um die Reichsstadt Nördlingen, mit dem Kerngebiet im Nördlinger Ries im heutigen Bayern und Baden-Württemberg. Zum Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 umfasste die Grafschaft rund 850 km² und 60.000 Einwohner.[1][2]

Die Grafschaft Oettingen 1805
Grenzstein der Grafschaft Oettingen zu den ehemaligen Territorien Herzogtum Pfalz-Neuburg und Fürstentum Thurn und Taxis (in der Nähe von Amerdingen)

Inhaltsverzeichnis

Mittelalter

1141 benannte sich ein edelfreies, seit 1147 den Grafentitel führendes Adelsgeschlecht nach dem Ort Oettingen im Nördlinger Ries. Die „ältere Grafschaft Oettingen“ hatte ihren Mittelpunkt nicht im Ries, sondern im angrenzenden südfränkischen Raum an der Wörnitz. Es war eine typische staufische Amtsgrafschaft, eine im Namen des Herrschers ausgeübte Vogtei.[2] Nach dem Untergang der Staufer erfolgte im 13./14. Jahrhundert ein Umbau zur „jüngeren Grafschaft Oettingen“ verbunden mit einer herrschaftlichen Verdichtung im Nördlinger Ries durch Übernahme des regionalen Königsguts (Harburg, Alerheim, Wallerstein, Katzenstein) und einem Rückzug aus den fränkischen Besitzungen. Dabei wurden auch Güter des Hochstifts Eichstätt sowie andere Adelsgüter wie Hürnheim oder Truhendingen nach und nach übernommen. Durch zahlreiche Besitzbestätigungen und Privilegien der Kaiser und Könige, Hochgerichts- und Zollrechte, bildete sich seit Anfang des 15. Jahrhunderts ein deutlich umgrenzter Regaliensprengel.[2] 1418, 1442 und 1485 schwächten Teilungen das Herrschaftsgebiet.

Neuzeit

Die Grafschaften Oettingen-Oettingen, Oettingen-Baldern, Oettingen-Wallerstein und Oettingen-Spielberg im 18. Jahrhundert

1522 spaltete sich das Gebiet in die evangelische Linie Oettingen-Oettingen, 1674 in den Fürstenstand erhoben, die sieben Zwölftel der Besitzungen erhielt und im Jahre 1731 ausstarb und die katholische Linie Oettingen-Wallerstein, die fünf Zwölftel der Besitzungen erhielt.[1] Dabei wurden etwa die Städte Oettingen und Wemding geteilt. Oettingen war doppelter Fürstensitz, konfessionell gespalten nach Straßenseiten aufgeteilt, die städtischen Institutionen gemeinsam oder oft auch abwechselnd besetzt. Der Julianische und der Gregorianische Kalender galten nebeneinander.[3] Die häufigen Erbteilungen und die konfessionellen Spaltungen verhinderten eine erfolgreiche Territorialpolitik. Der Hausbesitz blieb für eine eigenständige Politik stets zu klein. Trotz der Spaltung welche die Linien in feindliche Lager führte, blieb die staatsrechtliche Einheit der Grafschaft ungeachtet weiterer Erbteilungen bis 1806 unangetastet.[4]

Laut Reichsmatrikel von 1521 hatte die Grafschaft für die Reichsarmee 8 Reiter, 45 Fußsoldaten, 138 Gulden zu stellen.[5] Das Recht der Münzprägung bestand vom Ende des 14. bis Mitte des 18. Jahrhunderts. Mit der Reichsstadt Nördlingen, die eine Enklave der Grafschaft wurde, gab es häufig Konflikte um Hoheitsrechte. Vom 16. bis Anfang des 18. Jahrhunderts reichte Nördlingen 103 diesbezügliche Klagen vor dem Reichskammergericht ein.[2]

Gegenüber den wittelsbachischen Besitzungen, dem Kurfürstentum Bayern bzw. Pfalz-Neuburg bildete sich bis 1533 eine eindeutige grundherrschaftliche Grenze aus. Gegen das hohenzollersche Fürstentum Ansbach gab es eine breite Konfliktzone überlagernder Regalienansprüche, die erst 1796 endgültig geklärt wurden.[2]

Die Linie Oettingen-Wallerstein teilte sich 1623/94 in drei Linien:

  • Oettingen-Baldern, sie starb 1798 aus und ihre Besitzungen gingen an die Linie Oettingen-Wallerstein.[1]
  • Oettingen-Wallerstein, die 1774 in den Fürstenstand erhoben wurde - sie erhielt 1731 mit Aussterben von Oettingen-Oettingen zwei Drittel von deren Besitzungen. Diese Linie besaß auch die Herrschaft Dagstuhl, für die sie 1803 mit kirchlichem Besitz in Bayern und Württemberg entschädigt wurde. Im Besitz der Familie befanden sich die Güter Wallerstein, Baldern und Harburg.[1]
  • Oettingen-Spielberg, in den Fürstenstand erhoben 1734 – sie erhielt ein Drittel der Besitzungen Oettingen-Oettingens, darunter das Schloss Oettingen.[1]

Trotz dieser Erhebungen in den Reichsfürstenstand hatten die Oettinger Regenten im Reichstag bis 1803 nur Anteil an der Kuriatstimme der Grafenbank des Schwäbischen Reichskreises.[4] Im Artikel 24 der Rheinbundakte wurde das Fürstentum Oettingen 1806 durch das Königreich Bayern mediatisiert. Der Westteil, etwa ein Drittel der ehemaligen Grafschaft ging 1810 an das Königreich Württemberg.[6]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der Deutschen Länder. Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-54986-1, S. 490ff.
  2. a b c d e Max Spindler, Andreas Kraus: Geschichte Schwabens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. (=Handbuch der bayerischen Geschichte. Band 3: Franken, Schwaben, Oberpfalz bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts.) Beck, München 2001, ISBN 3-406-39452-3, S. 368ff.
  3. Max Spindler, Andreas Kraus: Geschichte Schwabens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. (=Handbuch der bayerischen Geschichte. Band 3: Franken, Schwaben, Oberpfalz bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts.) Beck, München 2001, ISBN 3-406-39452-3, S. 373.
  4. a b Volker von Volckamer: Oettingen, Grafen und Fürsten zu. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, S. 472–474.
  5. Reichsmatrikel von 1521
  6. Max Spindler, Andreas Kraus: Geschichte Schwabens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. (=Handbuch der bayerischen Geschichte. Band 3: Franken, Schwaben, Oberpfalz bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts.) Beck, München 2001, ISBN 3-406-39452-3, S. 375.
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