Gasturbinen in der Handelsschifffahrt

Gasturbinen in der Handelsschifffahrt

Seit 1951 werden immer wieder Gasturbinen in der Handelschifffahrt eingesetzt, der durchschlagende Erfolg blieb ihnen jedoch im Gegensatz zu Marineschiffen verwehrt.

Prototyp der Holzwarth-Gasturbine auf dem Teststand der Fa. Körting, Hannover um 1907

Inhaltsverzeichnis

Versuche von Holzwarth

Die Gasturbine wurde ab 1911 praktisch erprobt und setzte sich jedoch erst fünfzig Jahre später als Flugzeugantrieb durch. Hermann Föttinger hatte bereits 1909 für die Verwendung als Schiffsantrieb hingewiesen. Hans Holzwarth berichtete 1912 vor der Schiffbautechnischen Gesellschaft von Gasturbinen anhand von eigenen Versuchen und gab Beispiele für ihren zukünftigen Einsatz in der Schifffahrt.

Es handelte sich bei der Holzwarth-Gasturbine um eine "Explosions"-Turbine, mit der er ab 1905 seine ersten Versuche mit Gas als Brennstoff durchführte. Zum Druckaufbau wurde im Gegensatz zu den heute üblichen Gasturbinen kein Verdichter benötigt, der Druckaufbau wurde durch Zündungen in mehreren ringförmig angeordneten durch Ventile verschließbaren Brennräumen erreicht. Die von Holzwarth als Erstlingsturbine bezeichnete Versuchsmaschine wurde von Gebr. Körting A.-G. Hannover erbaut . Die erste Betriebsturbine entstand ebenfalls nach Holzwarths Angaben bei Brown, Boveri & Co., Mannheim-Baden. Die Gasanlage wurde von der Firma Jul. Pintsch A.-G., Berlin und die Zündeinrichtungen von Robert Bosch, Stuttgart geliefert.

Zum Druckabbau und Nutzenergieerzeugung von geplanten 1.000 PS verwendete Holzwarth eine 2-stufige Curtis-Turbine mit Dynamo. Als Vorteil sah er den Wegfall des Dampfkessels und des Kondensators. Gegenüber einer zu dieser Zeit üblichen Gaskolbenmaschine von 1.000 PS wurde bei seiner vertikal angeordneten Gasturbine nur 20% des Gewichts benötigt. Weitere Vorteile sah Holzwarth im erschütterungsfreien Lauf der Gasturbine, es wurde kein Zylinderöl benötigt und keine Auswaschung der Turbinenschaufeln durch Wassertropfen im Dampf.

Pescara–Anlage, Gasturbine mit Freikolben-Gaserzeuger

Eine mit Körting gebaute Versuchsmaschine war 1909 erfolgreich gelaufen und für den Propellerantrieb wurde ein Föttinger-Getriebe vorgeschlagen. Jedoch lag der praktisch erreichte Wirkungsgrad mit 12 – 15% viel niedriger als erwartet. Die Dieselmotoren befanden sich zu dieser Zeit noch in der Pionierphase, hatten aber schon vor 1900 einen Wirkungsgrad von rund 25%.

Erste Gasturbine in der Handelsschiffahrt (Auris 1951)

Nach einer langen Entwicklungszeit wurde 1947 erstmals eine Gasturbine in ein Schiff, ein Schnellboot der britischen Marine, eingesetzt. In der Handelsschiffahrt wurde 1951 die erste Gasturbine auf dem britischen Tanker Auris eingebaut. Es war eine Gasturbine der offenen Bauart (BBC) mit Gastemperaturen um 630 °C, dabei wurde eine Brennstoffausnutzung von 21 % erzielt. Der dieselelektrische Antrieb bestand vorher aus vier Dieselgeneratoren, einer wurde gegen die 1000 kW-Gasturbine mit Generator getauscht. 1956 wurde die Anlage gegen eine 4270 kW-Gasturbine-Antriebsanlage mit Untersetzungsgetriebe ersetzt, um weitere Betriebserfahrungen mit dieser rotierenden Verbrennungskraftmaschine zu sammeln. Die Auris wurde 1960 aufgelegt und 1962 abgewrackt.

Sagitta und Fritz Heckert

Erste Fahrt der Fritz Heckert, ein Gasturbinenschiff, 1961

Zur Verbesserung des Wirkungsgrades wurde die Gasturbine in Frankreich mit einem Freikolben-Gaserzeuger kombiniert, der Wirkungsgrad verdoppelte sich von rund 20% auf 40%. Bei diesem als Pescara–Anlage bezeichneten Antrieb wirkt die Turbine als Abgasturbine, ähnlich wie bei der Kombination Dampfmaschine-Abdampfturbine. Derartige Anlagen wurden mehrfach eingesetzt, z. B. auch auf dem deutschen 1958 gebauten Fischereischiff Sagitta und dem 1961 entstandenen DDR-Fahrgastschiff Fritz Heckert, sie haben sich in der Bordpraxis jedoch nicht bewährt.

Anschließend wurden in der Schifffahrt die aus der Luftfahrt übernommenen und “navalisierten Fluggasturbinen“, die auch als Marine-Gasturbinen bezeichnet wurden, eingesetzt. Für die Marine- Gasturbinen wurden schwerere Werkstoffe verwendet und die Brennkammer modifiziert, um statt Kerosin auch Gas- und Dieselöl zu verbrennen. Der Einsatz von „schweren Gasturbinen“ auf Schiffen, die wie die Dieselmotoren mit dem billigen Schweröl betrieben wurden, hat sich nicht bewährt und wurde nach mehreren Versuchen aufgegeben.

Euroliner-Containerschiffe

Die 1971 von den Nordseewerken in Emden für die englische Reederei Scarsdale Shipping Co. Ltd., London gebauten Euroliner wurden von zwei Gasturbinen von Pratt & Wittney mit 59.420 PS angetrieben. Die mit 28.430 GT vermessenen auch als Containerjets bezeichneten 1700 TEU Containerschiffe liefen rund 27 Knoten und stießen damit vor in die Gruppe der schnellsten Linienfrachter. Nur die sechs für die amerikanische Reederei SeaLand gebauten 2.000 TEU-Schiffe mit Dampfturbinenantrieb waren mit über 30 Knoten noch schneller. Die Euroliner wurden jedoch nach den Ölpreiserhöhungen 1982 auf Dieselantrieb umgebaut.

Finnjet

Das Millennium-Schiff Radiance of the Seas wird von 2 Gasturbinen angetrieben

Die Finnjet eröffnete 1977 eine Fährlinie für Passagiere, Autos und Lkws zwischen Deutschland (Travemünde) und Finnland. Sie wurde von zwei Gasturbinen von Pratt & Wittney mit je 59.420 PS und 8.300 U/min angetrieben, die über Getriebe auf zwei Verstellpropeller wirkten. Auf Grund der hohen Geschwindigkeit von 30 Knoten genügte nur ein Schiff. Die Realität der zweiten Ölkrise holte die Finnjet schnell ein und die Treibstoffpreise der Seeschifffahrt stiegen extrem an. Die Gastubinen wurden im Betrieb viel zu teuer, und die Antriebsanlage erhielt zwei zusätzliche Dieselmotoren. Damit wurde das Schiff im Sommer mit Gasturbinen und im Winter mit Dieselmotoren (18,5 Knoten) betrieben.

Millennium Schiffe

Ab 2000 wurden acht Kreuzfahrtschiffe mit 90.000 BRZ mit Gasturbinenantrieb gebaut. Die Reederei Celebrity Cruises erhielt von der Werft Chantiers de l'Atlantique in Saint-Nazaire (Frankreich) 4 Schiffe mit 90.000 BRZ. Die Meyer Werft in Papenburg lieferte an Royal Caribbean Cruises ebenfalls vier dieser Schiffe ab. Als Hauptantrieb wurde die Kombination Gasturbinen (2 x GE LM 2500), Generatoren und 2 steuerbare Pods (2 x Mermaid-Pods, je 20,1 MW Antriebsleistung) gewählt.

Queen Mary II

Queen Mary II (Antrieb von 4 Dieselmotoren und 2 Gasturbinen) in Hamburg

Die Queen Mary II mit insgesamt 172.400 PS installierter Leistung für den Antrieb und den Hotelbetrieb ist als eine Besonderheit für zwei Einsatzfälle konzipiert. Als Kreuzfahrtschiff mit normaler Geschwindigkeit von 20 – 24 Knoten genügen die Dieselmotoren (4x Wärtsilä 16V46CR mit je 22.850 PS), die die Generatoren für den Fahrbetrieb und die sonstige Stromversorgung für die Hilfsmaschinen und den Hotelbetrieb antreiben.

Für die klassische Transatlantik-Reise zwischen Southampton und New York City wird eine höhere Geschwindigkeit benötigt. Dann können die zwei General Electric Gasturbinen LM2500+ mit je 40.500 PS zusätzliche Antriebsenergie an die vier elektrischen 30.000 PS Antriebsmotoren mit integriertem Propeller in Podbauweise liefern. Damit wird eine maximale Geschwindigkeit von 34 Knoten erreicht

HSS Schiffe von Stena-Line Göteborg

Besonders bei Personen- und Frachtfährdiensten über kurze Strecken sind auch aus Wettbewerbsgründen kurze Fahrzeiten wichtiger als hohe Brennstoffkosten. Daher setzen sich schnelle Fähren mit extrem hohen Antriebsleistungen weltweit durch und schufen neue Anwendungsfelder für Gasturbinen.

Als die größten und leistungsstärksten Schnellfähren galten die zwei HSS-Fähren (HSS = High-Speed-See-Service) für 1.500 Passagiere und 375 Pkw der schwedischen Stena-Line Göteborg, die von Finnyard (Finnland) 1997 gebaut wurden. Die zwei HSS-1500 Katamarane verkehren zwischen England und Irland und werden von vier Gasturbinen und Wasserjets mit insgesamt 106.000 PS angetrieben. Zwei kleinere HSS-900 Katamarane mit 46.300 PS für 900 Passagiere und 210 PkW wurden 1995 von Westamarin, Kristiansand (Norwegen) gebaut. Sie fahren in der Ostsee und verbinden Schweden mit Dänemark.

Herkömmliche Fähre und HSS-Schnellfähre

Zusammenfassung

Da Gasturbinen im Gegensatz zu Dieselmotoren nicht umsteuerbar sind, (bei Dampfturbinen wurde das Problem mit einer integrierten Rückwärtsturbine gelöst), sind Verstellpropeller oder elektrische Fahrmotoren anzuwenden.

Vor dem Hintergrund des im Vergleich zum Dieselmotor (170-190 Gramm/kWh) höheren spezifischen Brennstoffverbrauchs (Gasturbine 230-250 Gramm/kWh), des höherwertigen und etwa doppelt so teurem Gasöls und des schlechten Teillastverhaltens sind Vor- und Nachteile gründlich abzuwägen. Für die Gasturbine spricht der deutlich geringere Platzbedarf, der erschütterungsfreie Lauf und ein niedriger NOx-Ausstoß.

Steigende Ölpreise und die zu erwartende Einführung des Allokationsplans (CO2 – Abgaben) auch in der Handelschifffahrt ist abzusehen. Daher werden Frachtschiffe wie z. B. Containerschiffe zukünftig nicht mehr mit Gasturbinen ausgestattet werden. Auch schnelle Fähr- und Passagierschiffe werden die Ausnahme bleiben.

Literatur

  • Holzwarth, H.: Die Gasturbine, Vortrag 1912 bei der STG-Hauptversammlung in Berlin, STG-Jahrbuch 1912, Springer Verlag
  • Boyce, M. P.: Gasturbinen Handbuch, Springer-Verlag
  • Meier-Peter, Bernhardt, Frank (Hrsg.): Handbuch Schiffsbetriebstechnik, 2006 Seehafen-verlag, Hamburg ( ISBN 3-87743-816-4)

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