Gerhard Schumann (Schriftsteller)

Gerhard Schumann (Schriftsteller)

Gerhard Schumann (* 14. Februar 1911 in Esslingen; † 29. Juli 1995 in Bodman) war ein deutscher Schriftsteller, wirkungsvoller Propagandist der NS-Zeit und NS-Kulturfunktionär. Er schloss sich schon früh dem Nationalsozialismus an und erhielt zahlreiche NS-Ehrungen. Er trug mit seinen schriftstellerischen wie mit seinen kultur- und allgemeinpolitischen Beiträgen zur Durchsetzung und zur Aufrechterhaltung des NS-Systems bei.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Weimar und Nationalsozialismus

Schumann, Sohn eines Lehrers, wuchs in Künzelsau auf. Er besuchte die evangelisch-theologischen Seminare in Schöntal und Urach. Er schloss sich früh der Jugendbewegung an. Seine ersten Gedichte erschienen ab 1928 in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften.

1930 begann er in Tübingen ein Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie, das er abbrach. Mit Studienbeginn trat er in die NSDAP, die SA und den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund ein. Schon vor der Machtübernahme durch die NSDAP und deren Bündnispartner war er Bezirksführer des NS-Studentenbundes und Führer der studentischen SA Württembergs im Rang eines Standartenführers. Von dem nationalsozialistischen Kultusminister Christian Mergenthaler wurde er im April 1933 als Kommissar für die württembergischen Studentenschaften in das Kultusministerium berufen. Er beteiligte sich in diesen Funktionen führend an der Gleichschaltung der Tübinger Universität. Im April 1933 untersagte er für die Universitäten Stuttgart und Tübingen die Teilnahme an den von lokalen Studentenschaften, dem NS-Studentenbund und studentischen Verbindungen getragenen Bücherverbrennungen („Aktion wider den undeutschen Geist“).[1] Dieses Verbot resultierte nicht aus inhaltlichen kulturpolitischen oder ethischen Einwänden oder etwa aus einem Respekt gegenüber der verbrannten "undeutschen" Literatur und ihren Autoren, sondern aus ns-internen Rivalitäten.[2] Die Schumann unterstellte Studentenschaft Tübingen hatte nämlich bereits im April 1933 in einer den Bücherverbrennungen vorgezogenen Aktion mit einem Fünfpunkteplan "unverzüglich energische Maßnahmen" gegen die als "Schund- und Schmutzliteratur" vom Nationalsozialismus diffamierte, bekämpfte und verbotene Literatur ergriffen.[2]

Von der NS-Literaturkritik als einer der bedeutendsten Vertreter der jungen Schriftstellergeneration gefeiert, machte Schumann als Autor und Kulturfunktionär rasch Karriere. 1935 erhielt er den „Schwäbischen Dichterpreis“, 1936 in Anwesenheit Hitlers den von Goebbels gestifteten „Nationalen Buchpreis“. 1935 wurde er in den "Reichskultursenat" berufen, 1938/39 leitete er die "Gruppe Schriftsteller" der Reichsschrifttumskammer. Ferner war er Mitglied des 1936-1943 bestehenden Bamberger Dichterkreises.

Nach Kriegsdienst ab 1939 wurde er 1942 Chefdramaturg am Württembergischen Staatstheater in Stuttgart und 1943 erster Präsident der Hölderlin-Gesellschaft. 1944 ging Schumann in die Kulturabteilung des SS-Hauptamtes. Schumanns letzter SS-Rang war der eines SS-Obersturmführers.


Der nach 1945 als „HJ-Barde“ Beschriebene sah sich selbst als „Ritter am heiligen Gral deutscher Kultur“[3]. Seine Lyrik, in der die NS-Ideologie mit quasireligiösem Pathos umgesetzt wurde, forderte die Wiederauferstehung des „Reiches“ durch Selbstaufopferung und verherrlichte den von ihm messianisch verklärten „Führer“:

„Einer: Du bist das Ganze!
Chor: Führer!
Einer: Wir sind dein Teil!
Chor: Führer!
Einer: Dein Werk und dein Reich. Sieg
Alle: Heil!“[4]

Nachkriegsdeutschland

1945 wurde Schumann als herausgehobenes SS-Mitglied von der Militärverwaltung interniert. Viele seiner Schriften wurden in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR als ns-belastet auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[5]

Schumann steht für bundesdeutsche literatur- und kulturpolitische Kontinuitäten nach dem Ende des NS-Regimes: 1949 gründete er den Erhard und Seebohm, aber auch Martin Niemöller, Erich Ollenhauer und Willy Brandt. Eine Reihe alter NS-Schriftstellerkollegen wie Hans Grimm, Hans Friedrich Blunck, Mirko Jelusich, Eberhard Wolfgang Möller, Bruno Brehm und Erwin Guido Kolbenheyer förderte er durch Aufnahme ihrer Bücher in das Programm der Buchgemeinschaft. Der Buchklub ging 1962/63 in dem Bertelsmann-Konzern auf, von dem einige der rechtsradikalen Autoren in den Bertelsmann Lesering übernommen wurden.[6] 1962 begründete Schumann den rechtsextremistischen "Hohenstaufen Verlag". Schumann betätigte sich ferner im Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes, einer Organisation, die 1950 von dem ehemaligen Kollegen Schumanns in der „Reichsschrifttumskammer“, Herbert Böhme, gegründet wurde und als Dachorganisation rechtsnationaler und rechtsextremistischer Gruppierungen fungierte.[7]

Mit dem Ende des Nationalsozialismus endete Schumanns schriftstellerische Laufbahn. Wahrgenommen wurde er nur mehr unter der zeithistorischen Überschrift "Literatur im Nationalsozialismus" und im rechtsradikalen Milieu. Dort wurde er geehrt, so 1981 mit der „Ulrich-von-Hutten-Medaille“ des gleichnamigen Freundeskreises oder 1983 mit dem sog. Schillerpreis des Deutschen Volkes des Deutschen Kulturwerkes Europäischen Geistes (DKEG).

Der Dichter und Büchnerpreisträger Hermann Lenz, der Schumann aus Künzelsau, Tübingen und Stuttgart kannte, machte ihn in seinen Werken unter dem Namen „Schöllkopf“ zur Romanfigur.[8]

Eine jüngere distanzierte Analyse kommt zu der Feststellung, „seine Lyrik hatte Propagandafunktion und trug dazu bei, das nationalsozialistische Herrschaftssystem zu etablieren und zu stützen.“[9]

Schriften

  • Die Reinheit des Reichs (1930)
  • Ein Weg führt ins Ganze. Gedichte (1932)
  • Fahne und Stern. Gedichte (1934)
  • Das Reich. Drama (1935)
  • Die Lieder vom Reich (1935)
  • Siegendes Leben. Dichtungen für eine Gemeinschaft (1935)
  • Wir aber sind das Korn. Gedichte (1936)
  • Entscheidung. Schauspiel (1938)
  • Schau und Tat. Gedichte (1938)
  • Bewährung. Gedichte (1940)
  • Die Lieder vom Krieg (1941)
  • Ruf und Berufung. Aufsätze und Reden (1943)
  • Wir dürfen dienen. Gedichte (1943)
  • Gudruns Tod. Tragödie (1943)
  • Gesetz wird zu Gesang (1943)
  • Die große Prüfung. Neue Gedichte (1953)
  • Freundliche Bosheiten. Heitere und besinnliche Verse (1955)
  • Die Tiefe trägt. Gedichte einer Jugend (1957)
  • Stachel-Beeren-Auslese. Neue besinnlich-heitere Verse (1960)
  • Leises Lied. Gedichte (1962)
  • Ein Weihnachtsmärchen (1963)
  • Der Segen bleibt. Gedichte (1968)
  • Besinnung. Von Kunst und Leben (1974) [Autobiographie]
  • Bewahrung und Bewährung. Gedichte (1976)
  • Spruchbuch (1981)
  • Trost und Zuversicht aus Lyrik und Prosa (1991)

Literatur

  • Jan Bartels, Gerhard Schumann: Der "nationale Sozialist". In: Rolf Düsterberg (Hrsg.): Dichter für das "Dritte Reich". Biografische Studien zum Verhältnis von Literatur und Ideologie, Aisthesis Verlag, Bielefeld 2009, ISBN 978-3-89528719-0.
  • Simone Bautz: Gerhard Schumann - Biographie. Werk. Wirkung eines prominenten nationalsozialistischen Autors. Dissertation Justus-Liebig-Universität-Gießen 2008 PDF
  • Deutsches Literatur-Lexikon. Biographisch-bibliographisches Handbuch. Begründet von Wilhelm Kosch. Bd. 16. Bern: A. Francke, 1996, Sp. 648.
  • Jürgen Hillesheim, Elisabeth Michael (Hg.): Lexikon nationalsozialistischer Dichter. Biographien, Analysen, Bibliographien. Würzburg: Königshausen & Neumann, 1993 , S. 403-412. ISBN 978-3-8847-9511-8 (auszugsweise bei Google Books)
  • Ernst Klee, Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt/M. 2009
  • Hans Sarkowicz, Alf Mentzer: Literatur in Nazi-Deutschland. Ein biographisches Lexikon. Hamburg/Wien: Europa Verlag, (Erw. Neuauflage) 2002 ISBN 3-203-82030-7
  • Albrecht Schöne: Über politische Lyrik im 20. Jahrhundert. 3. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1972
  • Karl-Heinz J. Schoeps: Zur Kontinuität der völkisch-nationalkonservativen Literatur vor, während und nach 1945: Der Fall Gerhard Schumann. In: Monatshefte für deutschsprachige Literatur 91 (1999), S. 45–63.
  • Wulf Segebrecht: Der Bamberger Dichterkreis. 1936-1943. Frankfurt/M. u.a.: Peter Lang, 1987, S. 209-218. ISBN 978-3-8204-0104-2

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hans-Wolfgang Strätz: Die studentische „Aktion wider den undeutschen Geist“ im Frühjahr 1933. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 16 (4) 1968 S. 559 (PDF)
  2. a b Werner Treß, Wider den Undeutschen Geist: Bücherverbrennung 1933, Berlin 2008, S. 119.
  3. Zitate: Affären: Nicht erst von 33 an. (pdf) In: Der Spiegel, 25. Dezember 1950, S. 38; Steinbach/Senf, a. a. O., S. ...
  4. Aus: Wir dürfen dienen. Gedichte (1943), zit. n. Gerhard Schumann: Undank rings. (pdf) In: Der Spiegel Nr. 37 v. 9. September 1959, S. 73.
  5. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-s.html
  6. S. Sakowicz/Mentzer, S. 59; Stefan Busch: Und gestern, da hörte uns Deutschland, Würzburg 1998, S. 25f. u. S. 190 A150.
  7. Ernst Klee, Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt/M. 2009, S. 501.
  8. S. Helmut Hornbogen: Hermann Lenz: Und nie mehr zurückkehren... In: Ders.: Erinnerung an Anfänge - Tübingen - Vom Gedenken. Gespräche mit Albrecht Goes und Hermann Lenz. Tübingen 1996, S. 49-84.
  9. Simone Bautz, 2008: [1]

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