Gymnasium in Deutschland

Gymnasium in Deutschland
Gymnasium Grimma
Historische Schulbibliothek des Gymnasium Laurentianum Arnsberg
Blick über den Hafen auf das Alte Gymnasium Flensburg

Das Gymnasium als Teil des deutschen Schulsystems ist eine Sekundarschule mit einem sehr starken Fokus auf akademischem Lernen und Vorbereitung auf eine anschließende weiterführende akademische Ausbildung (Studium). Vergleichbare Schultypen sind die frühere britische „Grammar School” oder die US-amerikanische „University Preparatory School”.[1] Die Schüler eines Gymnasiums werden als Gymnasiasten bezeichnet. Neben den öffentlich finanzierten Gymnasien gibt es auch kirchlich oder privat getragene Gymnasien, die zum Teil Schulgeld verlangen. Diese Schulgebühren liegen allerdings deutlich unter denen anderer vergleichbarer Schulen in Europa oder Amerika. Einige Gymnasien werden als Internat betrieben, die meisten allerdings unterrichten traditionell nur en bloc vom frühen Morgen (meist vor acht Uhr) bis in den Mittag oder Nachmittag hinein. Die allermeisten Gymnasien sind koedukativ, wobei es noch einige Schulen gibt, an denen Jungen und Mädchen getrennt unterrichtet werden. Die Schüler beginnen ihre Schullaufbahn im Alter von etwa zehn bzw. zwölf Jahren, nachdem sie bereits vier bzw. sechs Jahre lang die Grundschule besucht haben. Meistens entscheidet ein Empfehlungsschreiben des Grundschullehrers über den Zugang zum Gymnasium, allerdings existieren in vielen Bundesländern verschiedene Ausnahmen zu dieser Regel (Eltern können zusätzliche Prüfung ihres Kindes verlangen, Eltern können sich über Empfehlungsschreiben hinwegsetzen u. ä.).

Klassischerweise dauert die Schullaufbahn eines Gymnasiasten seit der preußischen Schulreform des 19. Jahrhunderts neun Jahre. Nachdem die Nationalsozialisten diesen Schulbesuch auf acht Jahre verkürzten (unter anderem mit der Begründung, eine „schädliche Überbildung der Jugend“ zu vermeiden)[2], wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland wieder das neunjährige Gymnasium eingeführt, während im Osten Deutschlands unter Einfluss der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) die verkürzte Ausbildung beibehalten wurde. Seit 2004 gibt es allerdings auch in den alten Bundesländern das starke Bestreben, die gymnasiale Schullaufbahn auf acht Jahre zu beschneiden (siehe Abitur nach zwölf Jahren).

Der erfolgreiche Abschluss des Gymnasiums ist die Absolvierung des Abiturs. Die meisten Gymnasien veranstalten regelmäßige Ehemaligentreffen, um den Kontakt zwischen den Alumni und der Schule sowie der Alumni untereinander aufrechtzuerhalten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Rudermannschaft eines Gymnasiums empfängt Kaiser Wilhelm II, 1910

Das Gymnasium erwuchs aus der humanistischen Bewegung des 16. Jahrhunderts, das erste Schulsystem, welches auch Gymnasien umfasste, entstand 1528 in Sachsen.

Gymnasien für Mädchen

Schülerinnen des Gymnasium Nonnenwerth, eine reinen Mädchenschule, 1960

Im frühen 20. Jahrhundert gab es einen Anstieg der Anzahl von Lyzeen, basierend auf den Bemühungen der Frauenbewegung und einhergehend mit einer steigenden Nachfrage nach Universitätsbildung für Frauen.

Koedukative Gymnasien wurden in den 1970er Jahren üblich, heute gibt es kaum noch geschlechtsgetrennt unterrichtende Schulen.

Klassische Jahrgangsbezeichnungen der Gymnasien

Maulbronn Hof und Kirche.jpg

Die Jahrgängen an Gymnasien werden traditionell lateinisch bezeichnet und vom Abitur (Schullaufbahnende) her gezählt. Aufbauend auf einer vierjährigen Grundschulzeit lauten daher die klassischen Jahrgangsbezeichnungen:

Schuljahr seit Grundschuleinschulung Jahrgangsbezeichnung am Gymnasium
Fünftes Sexta
Sechstes Quinta
Siebtes Quarta
Achtes Untertertia
Neuntes Obertertia
Zehntes Untersekunda
Elftes Obersekunda
Zwölftes Unterprima
Dreizehntes Oberprima

Moderne Sprachen

Die Einführung von Unterricht in Französisch und Englisch im frühen 20. Jahrhundert markierte den größten Wechsel im deutschen Schulsystem seit Einführung der Realschulen im 18. Jahrhundert. Heutzutage unterrichten alle deutschen Gymnasien verpflichtend Englisch (meistens als erste Fremdsprache), sowie wahlweise Französisch (meistens als zweite oder dritte Fremdsprache, fakultativ zu Latein) und Latein (als erste Fremdsprache an klassische humanistischen Gymnasien, ansonsten als zweite oder dritte Fremdsprache). Außerdem werden auch Altgriechisch (als fakultative dritte Fremdsprache an humanistischen Gymnasien) sowie vereinzelt weitere moderne Sprachen (u.a. Russisch, Dänisch, Niederländisch, Polnisch) unterrichtet.

Unterrichtssprache

An den allermeisten Gymnasien wird der Unterricht (außer im Fremdsprachenunterricht) auf Hochdeutsch durchgeführt, auch dort, wo das Hochdeutsche nicht dem vorherrschenden Dialekt entspricht. Einige spezialisierte Gymnasien unterrichten allerdings auch zum Teil oder vollständig auf Englisch oder Französisch.

Unterrichtsfächer

Gymnasiast beim Werkunterricht, Bonn, 1988
Diese Tafel des Arndt-Gymnasiums Dahlem zeigt zur Linken einen jungen Mann beim Studieren, während ein anderer zur Rechten Sport treibt – eine Versinnbildlichung des antiken Mottos „Mens sana in corpore sano“ – „ein gesunder Geist [wohnt] in einem gesunden Körper“; die Darstellung stammt aus dem Schulprogramm 2008

Die Curricula variieren zwischen den Schulen, aber umfassen grundsätzlich die Kernfächer Deutsch und Mathematik, die oben angesprochenen Fremdsprachen, die Naturwissenschaften Biologie, Physik und Chemie sowie Informatik, die Gesellschaftswissenschaften Erdkunde, Geschichte sowie Wirtschaft und Politik (oder Gesellschaftskunde)[3], die schönen Künste Musik und Kunst (manchmal auch Werken), sowie Philosophie und Religionsunterricht verschiedener Bekenntnisse. Außerdem findet in jeder Jahrgangsstufe auch Sportunterricht statt.

Die Ausbildung an den Gymnasien konzentriert sich ausdrücklich nicht nur auf rein akademische Fähigkeiten; vielmehr sollen ihre Schüler zu umfassend und vielseitig gebildeten Individuen erzogen werden, die ihre Umwelt selbstständig und kritisch erfassen können, um sie dann ausgerichtet an einem ethischen Rahmen positiv zu beeinflussen. Auch die körperliche Gesundheit im Sinne des antiken Mottos „Mens sana in corpore sano“ – „Ein gesunder Geist [wohnt] in einem gesunden Körper“ zählt zu diesen Rahmenbedingungen. Deshalb sind die Belegung der schönen Künste sowie Religions- oder Philosophieunterricht selbstverständlich, um den aus den übrigen Fächern entspringenden Fähigkeiten einen Rahmen und eine Verankerung in der freiheitlich- demokratischen Grundordnung zu bieten. Da das Grundgesetz die Religionsfreiheit sowie die Trennung von Kirche und Staat (Laizismus) garantiert, steht es jedem Schüler frei, den Religionsunterricht eines Bekenntnisses seiner Wahl (falls angeboten) oder alternativ den Philosophieunterricht zu besuchen.

Während für jüngere Schüler das Curriculum weitestgehend vorgegeben ist (die wesentliche Ausnahme bilden Auswahl und Reihenfolge der Fremdsprachen), können ältere Schüler in einem gewissen Rahmen wählen, welche Fächer sie weiter besuchen möchte und welche sie abwählen. Dabei gelten aber bestimmte Regeln, so müssen die Fächer Deutsch und Mathematik immer belegt werden, außerdem jeweils eine bestimmte Anzahl an Fremdsprachen, Naturwissenschaften, Gesellschaftswissenschaften und je mindestens eine der schönen Künste sowie Religions- oder Philosophieunterricht. Die akademischen Standards in all diesen Fächern sind generell vergleichsweise hoch, da das Gymnasium typischerweise auf die Schüler der oberen 25-35% des Leistungsspektrums ausgerichtet ist.

Lehrkörper

Die an den Gymnasien unterrichtenden Gymnasiallehrer müssen zwei oder drei Unterrichtsfächer sowie zusätzlich Pädagogik studiert haben. Nach Abschluss der Refendariatszeit und des zweiten Staatsexamens können sie in den regulären Dienst übernommen werden, allerdings zunächst noch im Angestelltenverhältnis. Nach etwa drei Jahren folgt gewöhnlich die Verbeamtung zum Studienrat (StR). Je nach Dienstalter und wahrgenommener Funktion kann eine Beförderung bis zum Oberstudiendirektor (OStD) (meistens in der Position des Schuldirektors) erfolgen. Die Interessenvertretung der Lehrer an auf das Abitur vorbereitenden Schulen sowie auch der Gymnasien selbst ist der Philologenverband.

Geläufige Typen von Gymnasien

Humanistisches Gymnasium (Altsprachliches Gymnasium)

Statue von Aristoteles am humanistischen Joachimsthal’schen Gymnasium

Als älteste und klassische Form des Gymnasiums haben humanistische Gymnasien für gewöhnlich eine jahrhundertealte Tradition. Sie unterrichten neben dem allgemeinen Curriculum auch Latein (als erste Fremdsprache) und Altgriechisch (manchmal auch Hebräisch). Die Wahl einer dritten Fremdsprache ist in der Regel verpflichtend. Ein Großteil des vermittelten Werte- und Bildungskanons basiert auf der Blütezeit der antiken Hochkulturen der Griechen und Römer. Für bestimme Fächer, wie z. B. Geschichte, Medizin oder Pharmazie, verlangen viele Universitäten das Latinum oder sogar das Graecum als Nachweis der klassischen humanistischen Bildung.

Neusprachliches Gymnasium

Der Schultyp des Neusprachlichen Gymnasiums ist neueren Ursprungs. Kennzeichnend ist die Wahl einer modernen Sprache als erster Fremdsprache (überwiegender Weise Englisch, manchmal auch Französisch). Außerdem kann auch als zweite Fremdsprache eine moderne Sprache gewählt werden. Anstatt einer dritten Fremdsprache kann auch Physik als Hauptfach belegt werden, so ist der Erwerb des Abiturs ohne Unterricht in einer antiken Sprache möglich.

Sondertypen von Gymnasien

Das Sportgymnasium und das Skigymnasium

Das Sportgymnasium bietet neben dem allgemeinen Curriculum vielfältige Möglichkeiten der fokussierten Ausübung eines Sports sowie die entsprechende Betreuung und Anleitung. Häufig wird auch besondere Rücksicht auf die Bedürfnisse der Sportler genommen. Sportgymnasien werden meistens als Internat betrieben, da die Schüler infolge des spezialisierten Charakters dieser Schulen größtenteils von weither stammen. Das Skigymnasium ist eine Art eines besonders spezialisierten Sportgymnasiums.[4]

Musikgymnasium

Im Musikgymnasium wird besonderer Wert auf das Erlernen eines oder mehrerer Musikinstrumente gelegt; neben dem generellen Curriculum gibt es eine Reihe weiterer musischer Pflicht- und Wahlfächer.[5]

Europäisches Gymnasium

Das Europäische Gymnasium fokussiert seinen Unterricht auf den Erwerb moderner, in Europa gesprochener Fremdsprachen, sowie auf die vertiefte Vermittlung von Wissen bezüglich Europas sowie europäischer Zusammenhänge und Sichtweisen. Häufig müssen mindestens drei moderne Fremdsprachen belegt werden,[6] oft kann sogar eine vierte freiwillig hinzu gewählt werden.[7] Flüssiges Beherrschen mindestens zweier Fremdsprachen ist Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss an diesen Schulen.

Realgymnasium

Das Realgymnasium ist eine früherer Gymnasialtyp, dessen Unterrichtsschwerpunkt bei der Mathematik und den Naturwissenschaften lag. Im Zuge der Bildungsreformen der 1960er Jahre wurde er abgeschafft.[8]

Gymnasien für die Erwachsenenbildung

Für Erwachsene, die ihre ursprüngliche Schullaufbahn nicht mit dem Abitur beendet haben, gibt es eine Reihe (weiterhin kostenloser) auf die Erwachsenenbildung spezialisierter Gymnasien, die den nachträglichen Erwerb des Abiturs ermöglichen. Meistens umfassen diese Schulen nur die oberen drei oder vier Jahrgänge des Gymnasiums, da in der Regel eine Realschulabschluss (mittlere Reife) Zugangsvoraussetzung ist und somit nur noch das zusätzliche Wissen, welches Realschulabschluss und Abitur unterscheidet, vermittelt werden muss. Typische Beispiele sind das Abendgymnasium, das Aufbaugymnasium und das Wirtschaftsgymnasium.

Leistungsbewertung

Die meisten Schüler eines Gymnasiums planen den anschließenden Besuch einer Hochschule, was auch mit der Hauptaufgabe des Gymnasiums, nämlich der Vorbereitung auf eine akademische Ausbildung, übereinstimmt. Dementsprechend ist die Notenvergabe an Gymnasien relativ streng, auch wenn es große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern gibt. Einer Studie zufolge befindet sich ein Oberstufenschüler mit genau durchschnittlichen mathematischen Fähigkeiten (also Fähigkeiten, die genau dem Durchschnitt der mathematischen Fähigkeiten aller Oberstufenschüler seines Altersjahrgangs entsprechen; bei einem objektiven Test schneiden 50% besser und 50% schlechter ab als er selbst) am unteren Ende der Leistungen einer Gymnasialklasse und bekäme nur die Note „5“ (und würde unter Umständen durchfallen), während derselbe Schüler an einer Gesamtschule in der oberen Hälfte des Leistungsspektrums anzufinden wäre und die Note „3+“ bekäme. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass dieser exakt durchschnittliche Schüler deshalb zur vollen Entfaltung seiner Fähigkeiten auf einem anderen Schultyp als dem Gymnasium besser aufgehoben wäre.[9]

Gymnasien in den südlichen Bundesländern

Mehreren Studien zufolge haben Gymnasien in den südlichen Bundesländern höhere Leistungsstandards als die Gymnasien in anderen Teilen der Republik. So schnitten bei einem wissenschaftlich erarbeiteten standardisierten Mathematiktest Schüler der südlichen Bundesländern wesentlich besser ab als jene weiter nördlich.[10] Auch bei der PISA-Studie zeigten Schüler aus den Ländern Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen die besten Ergebnisse.

Eine Studie aus dem Jahr 2007 zeigte, dass Gymnasiasten an Gymnasien der übrigen Bundesländer einen vergleichbaren IQ haben wie Gymnasiasten der Südländer. Allerdings schnitten sie in verschiedenen Tests trotzdem schlechter ab als ihre südlichen Mitschüler. Die schlechtesten Ergebnisse kamen aus Hamburg, die besten aus Baden-Württemberg, der Leistungsabstand betrugt am Schulende fast zwei Jahre, d.h. die Leistungen von Hamburger Abiturienten entsprachen denen von Schüler des elften Jahrgangs in Baden-Württemberg. Da der IQ beider Gruppen gleich war, kann der Leistungsunterschied nur aus den Unterschieden im Schul- und Unterrichtssystem beider Länder stammen.[11]

Schulsport

Schüler des Arndt-Gymnasium bei einer Bootstaufe, 2007

Schüler aller Jahrgangsstufen müssen Kurse des Sportunterrichts belegen. Darüber hinaus haben viele Gymnasien noch diverse Mannschaften oder Arbeitsgemeinschaften (AGs), in denen Schüler freiwillig einen Sport vertiefen können. Typische Sportarten sind Fußball, Tischtennis, Federball, Rudern oder Hockey.

Sonstige Aktivitäten

Posaunenchor des Gymnasiumsin Gütersloh, 2006, die Schüler tragen Traditionelle Uniformen und Mützen

An den meisten Gymnasien gibt es viele verschiedenen AGs, z.B. diverse Chöre, Mitwirkung in Musicals oder Theateraufführungen, Schachclubs, Fotografie, Verfassen und Herausgeben einer Schülerzeitung oder Fürsorge für die Umwelt und vieles mehr. An einigen Gymnasien müssen die Schüler an mindestens einer AG mitwirken, meistens aber ist die Teilnahme völlig freigestellt.

Auslandsjahr

In den letzten Jahrzehnten haben immer mehr Gymnasiasten die Möglichkeit genutzt, ein Halb- oder auch ein ganzes Jahr im Ausland die Schule zu besuchen, um ihre Sprachkenntnisse (meistens Englisch) zu vertiefen und eine andere Kultur kennenzulernen. Dies entspricht auch dem oben angesprochenen Bemühen um die Vermittlung einer umfassenden Bildung anstatt der Durchführung einer reinen „Ausbildung“ im Sinne optimaler wirtschaftlicher Verwertbarkeit. Im klassischen Modell des neunjährigen Gymnasiums bzw. der dreizehnjährigen Schulbildung wurde typischerweise der elfte Jahrgang für einen Auslandsschulbesuch genutzt, da Schüler, die bestimmten Leistungskriterien entsprachen (z. B. einem bestimmten Notenschnitt), eine Fortsetzung des Schulbesuchs in Deutschland in der zwölften Klasse erlaubt wurde, so dass sich die Schulbesuchsdauer insgesamt nicht verlängerte und die Schüler auch wieder in ihre gewohnte Klasse zurückkehren konnten. Mit Einführung des achtjährigen Gymnasiums zählt der elfte Jahrgang bereits in die Qualifikationsphase des Abiturs, so dass ein Austausch in diesem Jahr nur schwerlich möglich ist. Stattdessen ist nun der zehnte Jahrgang optimal, allerdings sind damit auch die Schüler noch ein Jahr jünger, wenn sie zum ersten mal alleine ins Ausland gehen sollen, und es stellt sich die Frage, ob deswegen nicht letztlich weniger Schüler als andernfalls diese Gelegenheit wahrnehmen werden.[12]

Schuluniform

Gymnasiasten mit traditionellen Mützen, 1904. Das Tragen wurde nicht als Pflicht, sondern als Privileg gesehen.

Im Allgemeinen gibt es an deutsche Gymnasien – wie an den meisten deutschen Schulen – keine Schuluniform. Zwar bieten viele Schulen Kleidung mit dem Schulnamen und –wappen an, allerdings ist das Tragen freiwillig.

Früher hingegen war das Tragen einer kennzeichnenden Schulmütze unter Gymnasiasten üblich. Deren Farbe variierten zwischen den Gymnasien und Klassenstufen. Im Falle des Ludwig-Meyn-Gymnasiums in Uetersen, sahen 1920 die Mützen folgendermaßen aus:

  • Untertertia: grüne Mütze mit blau-rot-weißer Kordel
  • Obertertia: grüne Mütze mit schwarz-weißer Kordel
  • Untersekunda: violette Mütze mit blau-rot-weißer Kordel
  • Obersekunda: violette Mütze mit schwarz-weißer Kordel
  • Unterprima: rote Mütze mit blau-rot-weißer Kordel
  • Oberprima: rote Mütze mit schwarz-weißer Kordel

Nach der Machtergreifung der Nazis wurden diese Mützen aus politischen Gründen verboten, teilweise sogar in der Öffentlichkeit verbrannt. Die Identifizierung der Schüler mit ihrer Schule und deren Werten sollte vermieden werden. Stattdessen sollten alle Schüler Uniformen der Hitlerjugend bzw. des Bund deutscher Mädel tragen. Heutzutage hingegen werden diese Mützen wieder verkauft.[13] Seit einigen Jahren ist es auch üblich, zur Feier des Abiturs ein eigenes Polohemd oder T-Shirt für den jeweiligen Abiturjahrgang zu erstellen, das dann bei verschiedenen Gelegenheiten während der Abiturzeit getragen wird (z.B. zum Abistreich).

Fördervereine

Gymnasiasten auf Skifreizeit. Häufig werden die Kosten derartiger Veranstaltungen für ärmere Schüler von Fördervereinen getragen

Fördervereine oder Schulvereinen versuchen auf verschiedene Weisen die jeweilige Schule zu unterstützen. Sie werden meistens von Eltern oder Alumni finanziert.

Schulgeld

Die überwiegende Mehrheit der Gymnasien in Deutschland wird öffentlich betrieben und verlangt kein Schulgeld. Nach § 7, Abs. 4 des Grundgesetzes dürfen Schüler nicht aufgrund des Einkommens ihrer Eltern benachteiligt werden. Deswegen bieten die meisten privaten Gymnasien Stipendien oder den Schulbesuch zu einem reduzierten Schulgeld für Kinder aus einkommensschwachen Familien an.

2005 gab der deutsche Staat durchschnittlich 5.400 Euro pro Schüler und Jahr für Unterricht an einem Gymnasium aus; dies ist weniger, als pro Schüler an einer Hauptschule (5.600 Euro) oder an einer Gesamtschule (5.700 Euro) ausgeben wurde, aber mehr, als ein Realschüler bekam (4.500 Euro).[14]

Integration von Schülern mit Migrationshintergrund

Während ein Drittel aller deutschen Schüler mindestens einen Elternteil ausländischer Herkunft hat,[15] ist der Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund an den Gymnasien wesentlich geringer. Allerdings gilt diese anteilige Unterrepräsentation nicht pauschal für alle Gruppen von Zuwanderern; so besucht von den Kindern mit russisch-jüdischem, chinesischem, koreanischen oder vietnamesischen Hintergrund sogar ein höherer Anteil Gymnasien, als dies bei Kindern mit rein deutschem Hintergrund der Fall ist.[16][17][18]

Ist die Zuteilung der Schullaufbahn gerecht? – Die ELEMENT-Studie

Der Zusammenhang zwischen den objektiven akademischen Fähigkeiten von Schülern, ihrer Herkunft (ethnisch sowie soziale Schicht) und der Wahl der weiterführenden Schule wurde am Beispiel Berlin in der sogenannten ELEMENT-Studie von Prof. Dr. Dr. Rainer Lehmann der Humbold Universität zu Berlin untersucht. Dabei sollten auch die Auswirkungen und Unterschiede zwischen einer Aufteilung der Schüler nach der vierten Klasse (klassisches Modell) oder der sechsten Klasse (Berliner Modell) untersucht werden. Hierzu bediente sich Lehmann standardisierter Tests zu Feststellung des Lese- und Mathematikverständnisses der Schüler.[19]

Lehman kam zu folgenden Schlüssen:

  • Die Leistung in den standardisierten Tests war Schlüsselindikator für den Zugang zum Gymnasium; nach Auswertung der Tests war offensichtlich, dass die soziale Herkunft an sich keine wesentliche Rolle spielt bei der Zulassung zum Gymnasium.
  • Arbeiterkinder werden nicht benachteiligt; tatsächlich scheint es nach Auswertung der Tests sogar Hinweise darauf zu geben, dass Mittelklassekinder bezogen auf ihre objektiven Leistungen leicht benachteiligt werden bei der Zugangsberechtigung zum Gymnasium, wenn diese erst nach der sechsten Klasse erfolgt.
  • Die Auswertung ergab, dass Mädchen bei der Zuteilung auf das Gymnasium ganz geringfügig bevorzugt werden verglichen mit ihren objektiven Leistungen.
  • Nur sehr wenige Schüler, die bei den standardisierten Tests sehr schlecht abgeschnitten haben, sind auf ein Gymnasium zugelassen worden. Sie konnten allerdings ihre Leistungen dann in den Folgejahren verbessern.
  • Die Schüler, die nach dem (mehrmals durchgeführten) standardisierten Test bereits in Klasse vier auf das Gymnasium geschickt worden wären, schnitten auch in Klasse sechs besser ab als ihre gleichaltrigen Mitschüler. Es findet also in den Klassen fünf und sechs kaum noch eine Verschiebung der Leistungsverhältnisse statt.[20]

Abschneiden von Gymnasiasten in verschiedenen Tests

Intelligenzquotient

Nur einige wenige spezialisierte Gymnasien wählen ihre Schüler anhand von IQ-Tests aus. Eine Studie von 1999 legte offen, dass Zehntklässler von regulären Gymnasien und Zehntklässler von Realschulen einen höheren Intelligenzquotient haben als Zehntklässler von Gesamt- oder Gemeinschaftsschulen. Außerdem war der Rückstand der Gesamtschüler in der zehnten Klasse noch höher als bereits in der siebten Klasse.[21][22] Die Medien reagierten auf diese Studie mit der Aussage, Gesamtschulen seien „ein Ort, an dem die Intelligenz verkümmert“.[22] Nach Aussage des Max Planck Instituts für Bildungsforschung verkümmert die Intelligenz an Gesamtschulen nicht; Schüler der zehnten Klasse der Gesamtschule schnitten nicht schlechter ab als Schüler der siebten Gesamtschulklasse. Stattdessen vergrößere sich der Unterschied, da der Intelligenzquotient der Gymnasiasten und Realschüler in der Zeit zwischen der siebten und der zehnten Klasse weiter wächst. Dies wird unter anderem damit begründet, dass bei diesen beiden Schultypen die lernschwächsten Schüler die Schule zwischenzeitlich verlassen, da sie mit dem Niveau des Rests der Klasse nicht mithalten können.[23]

PISA

Nach Aussage der PISA-Studie erzielen deutsche Gymnasiasten die mit Abstand höchsten Punktezahlen im weltweiten PISA-Vergleich.[24][25] Allerdings wird bemängelt, dass diesem Erfolg das katastrophale Abschneiden der Hauptschulen entgegensteht.[26]

Das Gymnasium und das Abschneiden bei standardisierten Tests

In Deutschland werden keine regelmäßigen standardisierten und objektiven Tests zum Leistungsvergleich zwischen Gymnasien und Gesamtschulen unternommen, und die meisten Schüler sind deshalb mit dieser Art von Test nicht vertraut. Allerdings nutzen einige Wissenschaftler standardisierte Tests zu Schulevaluation. Demnach übertreffen die Leistungen von gymnasialen Zehntklässlern diejenigen von Gesamtschulzehntklässlern um eine Standardabweichung bei einem standardisierten Mathematiktest. Dies entspricht zwei bis drei Schuljahren Vorsprung.[10] Unterstützer von Gesamtschulen kritisieren solche Studien mit der Begründung, standardisierte Tests benachteiligten Gesamtschüler, da Gesamtschüler vor allem „Unabhängigkeit, Teamwork, Kreativität und Konfliktmanagement“ lernten, was sich aber nicht in Tests messen lasse.[27]

Gymnasiasten und soziale Fähigkeiten

Einer umstrittenen Studie zufolge, die den Charakter der Schüler verschiedener Schulformen auf Grundlage eines standardisierten Tests erfasst, sind Realschüler und Gymnasiasten eher dazu bereit, respektvoll und verantwortungsbewusst mit den Gefühlen anderen Menschen umzugehen, als dies für Gesamtschüler gilt.[28] Dieser Studie zufolge gibt es unter Gymnasiasten den höchsten Anteil an als „selbstlos“ eingestuften Schülern, verglichen mit allen anderen Schulformen. Diese Studie wurde allerdings von vielen Seiten kritisiert mit der Begründung, der Charakter könne nicht mit standardisierten Tests gemessen werden und die Antworten der Schüler könnten von ihrem wirklichen Verhalten abweichen. Außerdem wurde bemängelt, dass die Fragen in zu akademischer Sprache und damit für viele Gesamtschüler missverständlich formuliert worden waren.[27]

Leistungen von Gymnasiasten beim TOEFL

Schüler, die das Abitur auf einem Gymnasium anstreben, erzielen deutlich bessere Ergebnisse beim TOEFL (englisch „Test of English as a Foreign Language“) als zukünftige Abiturienten einer Gesamtschule, die allerdings wiederum noch etwas besser waren als Schüler eines Aufbaugymnasiums, Technischen Gymnasiums oder eines Wirtschaftsgymnasiums.

Schultyp Prozent an Schülern, die mindestens
500 Punkte erreichen
Prozent an Schülern, die mindestens
550 Punkte erreichen
Prozent an Schülern, die mindestens
600 Punkte erreichen[29]
Traditionelles Gymnasium 64,7 % 32,0 % 08,1 %
Gesamtschule/Gemeinschaftsschule 30,5 % 11,3 % 02,2 %
Aufbaugymnasium 18,9 % 05,2 % 00,9 %
Wirtschaftsgymnasium 19,7 % 05,7 % 00,4 %
Technisches Gymnasium 22,3 % 12,6 % 01,0 %

Siehe auch

Literatur

  • Matthew Arnold: Higher Schools and Universities in Germany. second edition, London 1882.
  • Schrader: Erziehungs- und Unterrichtslehre für Gymnasien und Realschulen. 5. Auflage. Berlin, 1893.
  • Paulsen: German Education, Past and Present. New York 1908.
  • A. Beier: Die höheren Schulen in Preußen und ihre Lehrer. Halle 1909.
  • J. F. Brown: The Training of Teachers for Secondary Schools in Germany and the United States. New York 1911.

Einzelnachweise

  1. siehe en:University-preparatory School (auf englisch)
  2. Rolf-Dieter Müller, Hans Erich Volkmann: Die Wehrmacht. Oldenbourg-Verlag, 1999, S. 447.
  3. Dieses Fach hat verschiedene Namen in den verschiedenen Ländern; siehe Gemeinschaftskunde
  4. Für weitere Informationen Sportgymnasium
  5. Für weitere Informationen: Musikgymnasium
  6. Informationen zum Europäischen Gymnasium Typ II. Did.mat.uni-bayreuth.de. Abgerufen am 23. Juni 2010.
  7. "Europäisches Gymnasium" im Aufwind. Pressemeldung des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg. 28. Juni 2005 auf: Bildungklick.de
  8. Manfred Fuhrmann: Latein und Europa, Die fremdgewordenen Fundamente unserer Bildung, Die Geschichte des gelehrten Unterrichts in Deutschland von Karl dem Großen bis Wilhelm II. Köln, 1. Aufl. 2001, ISBN 3-7701-5605-6, 2. Aufl. 2001, ISBN 3-8321-7948-8.
  9. Manfred Tücke: Psychologie in der Schule, Psychologie für die Schule: Eine themenzentrierte Einführung in die Psychologie für (zukünftige) Lehrer. 4. Auflage. LIT Verlag, Münster 2005, S. 127. Die Studie wurde in Nordrhein-Westfalen mit Leistungskursschülern durchgeführt
  10. a b Manfred Tücke: Psychologie in der Schule, Psychologie für die Schule: Eine themenzentrierte Einführung in die Psychologie für (zukünftige) Lehrer. 4 Auflage. LIT Verlag, Münster 2005, S. 126-127.
  11. Ulrich Sprenger: Schulleistungen von Abiturienten.
  12. Auslandsjahr trotz G8? 5. März 2009 auf: eltern.de
  13. gradcaps.eu. gradcaps.eu. Abgerufen am 23. Juni 2010.
  14. Klaus Klemm: Bildungsausgaben im föderalen System - Zur Umsetzung der Beschlüsse des ‚Bildungsgipfels’. Friedrich Ebert Stiftung, S. 41.
  15. Statistisches Bundesamt Deutschland: Leichter Anstieg der Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Pressemitteilung Nr.105 vom 11. März 2008.
  16. Marina Mai: Schlaue Zuwanderer: Ostdeutsche Vietnamesen überflügeln ihre Mitschüler. In: Der Spiegel. 7. Oktober 2008.
  17. Sun-Ju Choi, You-Jae Lee: Umgekehrte Entwicklungshilfe - Die koreanische Arbeitsmigration in Deutschland. Seoul: Goethe Institute, Januar 2006.
  18. Panagiotis Kouparanis: Migrantenkinder mit Bildungserfolg. auf: Deutschlandradio Kultur. 15. November 2005. abgerufen 20. Januar 2008
  19. Schadet eine längere Grundschulzeit? - Ein Lehrstück zur Empirie des Bildungssystems. auf: grundschulpaedagogik.uni-bremen.de
  20. Deutscher Philologenverband: Erkenntnisse der ELEMENT-Studie vorurteilsfrei zur Kenntnis nehmen! Pressemeldung, 22. April 2008.
  21. Manfred Tücke: Psychologie in der Schule, Psychologie für die Schule: Eine themenzentrierte Einführung in die Psychologie für (zukünftige) Lehrer. 4. Auflage. LIT Verlag, Münster 2005, S. 126.
  22. a b Kathrin Spoerr: Die Gesamtschule: Ein Ort, an dem Intelligenz verkümmert. In: Die Welt. 8. Februar 2000.
  23. Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Brief an die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule e.V. (9. Februar 2000)
  24. Einheitsschulen - das falsche Rezept für PISA. In: Wetzlar Kurier. 6. Januar 2006.
  25. Josef Kraus: Der PISA-Schwindel.
  26. Jan-Martin Wiarda: A new class of education. In: Guardian. 21. September 2009.
  27. a b Anne Ratzki: BiJu und die Gesamtschule oder: Über die Subjektivität von Noten.
  28. Jürgen Baumert, Olaf Köller: Nationale und internationale Schulleistungsstudien: was können sie leisten, wo sind ihre Grenzen? Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
  29. Josef Keuffer, Maria Kublitz-Kramer: Was braucht die Oberstufe? Beltz-Verlag, Weinheim/Basel 2008, ISBN 978-3-407-25487-0, S. 112.

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