Heilige-Geist-Kirche (Berlin-Moabit)

Heilige-Geist-Kirche (Berlin-Moabit)
Heilige-Geist-Kirche Berlin-Moabit

Die 1905–06 nach Plänen von August Georg Dinklage und Ernst Paulus errichtete evangelische Heilige-Geist-Kirche auf dem spitzwinkligen Eckgrundstück Perleberger Straße 36/ Birkenstraße 60–61 bildet den städtebaulichen Mittelpunkt des Stephankiezes in Berlin-Moabit. Am 19. Dezember 1906 wurde die Kirche unter Anwesenheit von Kaiserin Auguste Viktoria eingeweiht. Im Zweiten Weltkrieg hat die Heilige-Geist-Kirche nur ganz geringe Schäden davongetragen. Lediglich die farbigen Glasfenster mussten ersetzt werden. Die Kirche in historisiertem gotischen Stil, an märkische Traditionen erinnernd, steht unter Denkmalschutz.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die historische Geilig-Geist-Kapelle in der Spandauer Straße in Mitte wurde zum Namensgeber für den geplanten Neubau.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg die Bevölkerungszahl Moabits als Folge der Industrialisierung schnell an. Die Johanniskirche war zu klein geworden. Nachdem die Johannisgemeinde in den Jahren 1892–1894 die erste Tochterkirche, die Heilandskirche, gebaut hatte, sollte für die evangelischen Christen, die in Neu-Moabit lebten, ebenfalls eine Tochterkirche geschaffen werden.

Im Jahre 1900 wurde für den Bau einer Kirche auf einem früheren Kohlenplatz ein Wettbewerb ausgeschrieben, mit dem Wunsch, ein Gebäude in niederdeutscher Backsteingotik zu errichten. Da der Bauplatz ein spitzwinkliges Dreieck war, konnte die sonst übliche Kreuzform nicht eingehalten werden. Mit ihrem Entwurf eines sechseckigen Zentralbaus erhielten die Architekten Dinklage und Paulus den ersten Preis und ihr Entwurf wurde umgesetzt.

Am 2. September 1905 erfolgte die Grundsteinlegung, am 19. Dezember 1906 wurde die Kirche eingeweiht. Die Kaiserin Auguste Viktoria spendete der neuen Kirche eine große silberbeschlagene Altarbibel mit einer eigenhändigen Widmung, die im Jahr 1986 bei Bauarbeiten aus der Kirche gestohlen wurde.

Am 16. Januar 1907 wurde die neue Heilige-Geist-Gemeinde von der Muttergemeinde rechtmäßig getrennt. Sie hatte seinerzeit ca. 25.000 Seelen, im Januar 2006 hatte die Heilige-Geist-Gemeinde nur noch 1829 Gemeindemitglieder. Um bei sinkenden Mitgliederzahlen die pfarramtlichen Aufgaben besser wahrzunehmen zu können, haben die fünf evangelischen Gemeinden in der Region Tiergarten, das sind St. Johannis, Kaiser-Friedrich-Gedächtnis, Moabit West, Erlöser, Heiland und Heilige Geist, zum 1. Januar 2011 einen gemeinsamen Pfarrsprengel gebildet, ohne ihre Selbstständigkeit aufzugeben.

Grundriss der Heilige-Geist-Kirche

Gebäude

Kirchenschiff

Der sechseckige neugotische Bau aus roten Rathenower Ziegeln weist frühgotische Formen auf. Die Seitenfronten mit ihren steilen Giebeln enthalten Radfenster. Der Turm bildet mit seinen drei Portalen den Zugang zur Vorhalle des Gotteshauses. Der Kirchenraum mit über 900 Plätzen wird von hohen Pfeilern mit Akanthuskapitellen beherrscht, die ein sechsteiliges Sterngewölbe tragen. Die Vorhalle war ursprünglich ebenfalls mit einem Sterngewölbe ausgestattet. Das am 21. August 1910 eingeweihte Pfarr- und Gemeindehaus fügten die Architekten an die Rückwand des Orgelchores an. Dadurch entstanden zwischen der Kirche und den beiden Straßenseiten zwei Höfe. Die Baukosten für das Pfarr- und Gemeindehaus betrugen 178.000 Mark, für die Kirche wurden 362.385 Mark aufgewendet.

Weil die Beheizung der Kirche sehr kostenaufwändig ist, findet der Gottesdienst im Winter in der Sakristei statt, die unter der Orgelempore liegt. Sie ist mit einem einfachen Altar und einem alten Harmonium ausgestattet.

Zwischen Herbst 2010 und Frühjahr 2011 wurden die Heizung modernisiert und das Kircheninnere umgebaut.

Turm

Der 78 Meter hohe von zwei Treppentürmen flankierte sechsseitige Kirchturm dominiert die Straßenecke. In ihm befinden sich die Glocken und die elektrische Turmuhr. Ursprünglich hatte die Heilige-Geist-Kirche drei Glocken. Im Ersten Weltkrieg wurden die Glocken zu Kriegszwecken eingeschmolzen, ebenso das zweite Geläut im Zweiten Weltkrieg. Im Jahr 1954 erhielt die Kirche neue Glocken aus Stahl. Sie stammen aus der von Jürgen Kröger 1904–1906 erbauten Melanchthonkirche am Planufer in Berlin-Kreuzberg, die 1944 völlig zerstört wurde.

Heilige-Geist-Kirche Altar und Orgel

Kirchenschiffe

Die beiden Sitzreihen im Parterre sind entsprechend dem Wiesbadener Programm radial um die an einer Stelle konzentrierten Prinzipalstücke angeordnet. Dieser richtungsweisende Aufbau erinnert an die Kanzelaltäre evangelischer Kirchen des 18. Jahrhunderts. Dinklage und Paulus schufen mit der Heilige-Geist-Kirche die konzeptionell zweckmäßigste und fortschrittlichste Kirche im spätwilhelminischen Berlin.

Altar

Der auf vier Stufen erhöhte Altar steht dem Eingang gegenüber in einer kleinen Apsis. Der ursprüngliche Altar wurde im Jahr 1945 von russischen Soldaten zerstört, ebenso das ursprünglich dort vorhandene Kreuz. Noch im Herbst 1945 wurde der Altar aus versiegelten Backsteinen neu aufgebaut. Als oberen Abschluss trägt er auf vier Eisenfüßen eine dicke Eichenholzplatte, auf dem ein Kruzifix steht.

Kanzel

Die achteckige Kanzel in gotischer Form ist auf einer Empore über dem Altar angebracht. Zwischen Altar und Kanzel befinden sich fünf offene gotische Bögen, die von den Plastiken Johannes der Evangelist und Johannes der Täufer flankiert sind. Auf den unteren Altarstufen etwas seitwärts steht der aus Holz im gotischen Stil geschnitzte Tauftisch. Auf der anderen Seite vom Altar ist ein mit Schnitzereien im gotischen Stil verziertes Lesepult aufgestellt. Neben dem Tauftisch und dem Lesepult stehen ebenfalls auf den unteren Stufen zum Altar zwei große Holzleuchter. Der Altar, die Kanzel und das Stehlesepult sind mit Paramenten bestückt. Die Farben sind in evangelischen Kirchen im Laufe des Kirchenjahres vorgegeben.

Orgel

Orgel

Die über 100 Jahre alte Orgel ist im neugotisch dekorierten Stil gestaltet. Sie erhebt sich über dem Altar und der Kanzel auf einer Empore, die der Turmempore über dem Eingang der Kirche gegenüberliegt. Das Instrument wurde von dem Orgelbaumeister Walcker gebaut. Während des letzten Krieges wurde die Orgel verunreinigt, auch einige Pfeifen wurden gestohlen. Ein musikliebender russischer Offizier schützte die Orgel vor weiteren Zerstörungen. 1952 wurden die Schäden an der Orgel behoben. Der Orgelsachverständige Karl Schuke empfahl 1957, die älteste erhaltene Walcker-Orgel Berlins als Denkmal ihrer Epoche zu erhalten. Daraufhin wurde sie gereinigt und schließlich ihre Pneumatik erneuert. In den Jahren 1980 und 1985 erfolgten weitere umfassende Reinigungsarbeiten. Das Instrument hat 39 Register und zwei Transmissionen auf drei Manualen und Pedal. Die Trakturen sind elektrisch.

I Hauptwerk C–g3
1. Bourdon 16′
2. Principal 8′
3. Hohlflöte 8′
4. Gemshorn 8′
5. Bourdon 8′
6. Viola di Gamba 8′
7. Oktave 4′
8. Rohrflöte 4′
9. Oktave 2′
10. Nachthorn 2′
11. Cornett III-V 8′
12. Mixtur 22/3
13. Trompete 8′
II Positiv C–g3
14. Principal 8′
15. Salicional 8′
16. Concertflöte 8′
17. Quintatön 8′
18. Principal 4′
19. Flauto dolce 4′
20. Flautino 2′
21. Rauschquinte II 22/3
22. Oboe 8′
III Schwellwerk C–g3
23. Lieblich Gedeckt 16′
24. Geigenprincipal 8′
25. Spitzflöte 8′
26. Aeoline 8′
27. Voix celeste 8′
28. Lieblich Gedeckt 8′
29. Fugara 4′
30. Traversflöte 4′
31. Piccoloflöte 2′
32. Clarinette 8′
Pedal C–f1
33. Principalbass 16′
34. Violonbass 16′
35. Subbass 16′
36. Gedecktbass (= Nr. 23) 16′
37. Oktavbass 8′
38. Violoncello 8′
39. Sanftbass (= Nr. 26) 8′
40. Oktave 4′
41. Posaunenbass 16′

Literatur

  • Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin: Berlin und seine Bauten. Teil VI. Sakralbauten. Berlin 1997.
  • Günther Kühne, Elisabeth Stephani: Evangelische Kirchen in Berlin. Berlin 1978.
  • Hanna Materne: Versuch einer Chronik und „Beschreibung der Heilige-Geist-Kirche in Berlin Moabit“. Berlin 2006.
  • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Band Berlin. München/Berlin 2006.

Weblinks

 Commons: Heilig-Geist-Kirche (Berlin-Moabit) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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