Jüdenstraße (Berlin-Spandau)

Jüdenstraße (Berlin-Spandau)
Jüdenstraße (Spandau)
Coat of arms of Berlin.svg
Straße in Berlin
Jüdenstraße (Spandau)
Basisdaten
Ort Berlin
Ortsteil Berlin-Spandau
Angelegt im 14. Jh.
Querstraßen Moritzstraße, Ritterstraße
Nutzung
Nutzergruppen Fußverkehr, Autoverkehr
Technische Daten
Straßenlänge ca. 400 Meter

Die Jüdenstraße befindet sich in der Spandauer Altstadt. Sie beginnt am Altstädter Ring und überquert die Moritzstraße und die Ritterstraße.

Inhaltsverzeichnis

Namensherkunft und Geschichte

Die Straße ist im 14. Jahrhundert entstanden [1]. Das Wort Jüden ist eine umgelautete Nebenform zum mittelhochdeutschen Wort Juden. Diese Straße erhielt ihren Namen nach den in dieser Zeit dort lebenden Juden. Die Anwesenheit von Juden in Spandau wurde bereits im Jahre 1307 urkündlich erwähnt. Am südlichen Ende der Jüdenstraße befand sich laut Quellen aus dem 18. Jahrhundert eine Synagoge (die sogenannte Judenschule), die 1342 erstmals in schriftlichen Quellen erscheint.[2] Anhand von mittelalterlichen jüdischen Grabsteinen, die bei Ausgrabungen im Fundament der Zitadelle Spandau gefunden worden sind, lässt sich jüdisches Leben in Spandau bis 1244 zurück datieren. Spandau selbst wurde erst 47 Jahre davor, im Jahre 1197, zum ersten Mal urkundlich erwähnt.

1510 kam es zum sogenannten Berliner Hostienschändungsprozess, infolge dessen 39 Juden aus dem Berliner Raum verbrannt und alle Juden aus der Mark Brandenburg ausgewiesen wurden. Die Spandauer Synagoge in der Jüdenstraße wurde darauf hin geschlossen und durch die Stadt weitervermietet, die jüdischen Friedhöfe eingezogen und deren Grabsteine teilweise für den Festungsbau der Zitadelle verwendet. Erst 150 Jahre später, mit einem Toleranzedikt des Kurfürsten Friedrich Wilhelm siedelten sich wieder vermehrt Juden in Brandenburg an und es bildete sich langsam eine neue jüdische Gemeinde in Spandau. Pläne aus dem 19. Jahrhundert, in der Jüdenstraße eine neue Synagoge zu bauen scheiterten wegen zu beengter Bauverhältnisse. 1894 begann man dann mit dem Bau der Spandauer Vereinssynagoge am Lindenufer, Ecke Kramerstraße.[2]

Am 13. Mai 1620 brannten 40 Häuser in der Jüdenstraße nieder. Wegen folgender Pestausbrüche in Spandau (1626 bis 1637) und der Lasten durch den Dreißigjährigen Krieg, konnte die Straße erst 1688 wieder vollständig hergestellt werden.[3][4]

Grundriss des Zuchthauses Spandau zwischen der Jüden- und der Potsdamer Straße (heute Carl-Schurz-Straße) von 1805

Zwischen 1578 und 1581 baute sich der Graf Rochus zu Lynar (Hauptbaumeister der Zitadelle) auf einem großen Areal zwischen Jüden-, Carl-Schurz-, der Charlotten- und Moritzstraße ein Palais, welches auch als gräfliches Schloss oder Lynar-Schloss bezeichnet wurde. 1686 erwarb der Kurfürst Friedrich Wilhelm das Schloss von den Lynarschen Erben, um es in ein Spinn- und Zuchthaus umzuwandeln. Nachdem der Bau im 18. Jahrhundert sehr baufällig geworden war, investierte 1805 der preußische Staat 80 000 Thaler in den Aus- und Umbau des Zuchthauses in eine Straf- und Besserungsanstalt. 1872 wurde das Zuchthaus aufgelöst und das Gebäude als Schlosskaserne zur Einquartierung des 3. Garde-Grenadier-Regimentes „Königin Elisabeth“ genutzt bis es 1898 komplett abgerissen wurde, um Miethäusern Platz zu machen.[3][4]

Umbenennung und Rückbenennung

Am 17. September 1938 wurde die Straße im Zuge der Entfernung jüdischer Straßennamen von den Nationalsozialisten nach dem Kunsthistoriker Gottfried Kinkel in Kinkelstraße umbenannt. Kinkel saß 1850 wegen Beteiligung an der Deutschen Revolution 1848/49 im Zuchthaus Spandau ein und wurde wenig später von seinem Freund Carl Schurz befreit. In diesem Zusammenhang wurde 1939 auch die zur Jüdenstraße parallel verlaufende Potsdamer Straße in Carl-Schurz-Straße umbenannt. Der Name Kinkelstraße blieb bis 2002. Dann wurde der Straße ihr historischer Namen Jüdenstraße zurückgegeben.

Proteste und Eklat

Ein erster Vorschlag des Spandauer FDP-Politikers Karl-Heinz Bannasch zur Rückbenennung der Kinkelstraße in Jüdenstraße stieß bei Spandauer Geschäftsleuten und Anwohnern auf Widerstand. Auf der Rückbenennungfeier am 1. September 2002 kam es zum Eklat, als die Ansprache des eingeladenen Vertreters der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Alexander Brenner, mit den Rufen „Juden raus“ und „Ihr habt Jesus gekreuzigt!“ gestört und die Veranstaltung abgebrochen wurde.[5][6][7][8]

Sonstiges

An der Fassade des Grundstücks Jüdenstraße 2 befindet sich eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Umbenennung 1938 in Kinkelstraße.

Liste der Baudenkmale:

  • Nr. 9, 11, 13, 15: Wohnungsbauten Moritzkaserne[Denkmal 1]
  • Nr. 29: Wohnhaus[Denkmal 2]
  • Nr. 41: Mietshaus & Wohnhaus & Geschäftshaus & Wohn- und Geschäftshaus[Denkmal 3]
  • Nr. 40, 41, 42, 43, 47, 51, 53: Wohnhausgruppe & Mietshausgruppe[Denkmal 4]

Weblinks

 Commons: Jüdenstraße (Berlin-Spandau) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Edition Luisenstadt, kaupert media gmbh [1]
  2. a b Alois Kaulen, Joachim Pohl; Bezirksamt Berlin Spandau (Hrsg.): Juden in Spandau: Vom Mittelalter bis 1945. Edition Hentrich, 1988, ISBN 3926175591, S. 14.
  3. a b Otto Kuntzemüller: Urkundliche Geschichte der Stadt und Festung Spandau. 1881.
  4. a b Anton Krüger: Chronik der Stadt und Festung Spandau. 1867.
  5. ZEIT Online - Volkszorn in der Jüdenstraße - [2]
  6. Der Tagesspiegel: Rainer W. During: Umbenennung trotz Bürgerprotests - Spandauer Bürger wollen keine Jüdenstraße haben [3]
  7. Der Tagesspiegel: Bürger gegen Jüdenstraße [4]
  8. Sascha Kindermann: Tag der Rückbenennung: 1. November 2002 [5]

Einträge in der Landesdenkmalliste:

  1. Nr. 9, 11, 13, 15: Wohnungsbauten Moritzkaserne
  2. Nr. 29: Wohnhaus
  3. Nr. 41: Mietshaus & Wohnhaus & Geschäftshaus & Wohn- und Geschäftshaus
  4. Nr. 40, 41, 42, 43, 47, 51, 53: Wohnhausgruppe & Mietshausgruppe
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