Kasseler Modell (Studium)

Kasseler Modell (Studium)

Das Kasseler Modell ist ein Modell gestufter wissenschaftlicher Studiengänge, entwickelt an der Universität Kassel, früher Gesamthochschule Kassel. Zudem können in integrierten Studiengängen des Kasseler Modells je zur Hälfte Zugangsberechtigte mit Allgemeiner Hochschulreife (Abitur) und mit Fachhochschulreife die Studienplätze belegen.

Nach sieben bis neun Semestern kann ein erster wissenschaftlicher und voll berufsqualifizierender Abschluss, das Diplom I, erlangt werden. Dieses Diplom ist von seiner akademischen Wertigkeit her über dem neuen Bachelor-Abschluss (Bologna-Prozess) angesiedelt.

Im anschließenden dreisemestrigen Vertiefungsstudium kann ein weiterer Abschluss in der gleichen Studienrichtung erlangt werden, welcher dem bisherigen Diplom an traditionellen Universitäten entspricht und dem Master-Abschluss gleichwertig ist.

Es handelt sich im ersten Studienabschnitt bis zum Diplom I des Kasseler Modells nicht um ein Fachhochschulstudium, sondern vielmehr um ein sogenanntes wissenschaftliches Kurzstudium, ergänzt durch einen über den universitären Standard hinausgehenden Praxisbezug mit ein oder zwei wissenschaftlich begleiteten Praxissemestern.

Das sogenannte Projektstudium ist ein weiteres Kernelement im Kasseler Modell. Studierende bestimmen, zum Teil ohne professorale Vorabsetzung, den Gegenstand und die Herangehensweise in ihrer Hauptstudienleistung, dem Projekt. Für die finanzielle Untermauerung dieser studentischen Projekte werden Mittel aus dem Haushalt der Universität an die verfasste Studierendenschaft überführt, so dass allein ein studentisches Gremium, der Projektrat, über die Zuweisung dieser Mittel bestimmt. Die Mehrzahl der Projekte werden von den Professoren und Dozenten zu Beginn der Vorlesungszeit im Projektplenum vorgestellt, aus diesem Pool können die Studierenden ebenfalls ihr Projekt wählen. Besonders ausgeprägt ist diese Vorgehensweise in der Architektur und den Planungswissenschaften, die heute den Fachbereich 6 - Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung bilden und zuvor in der Lehreinheit Studienbereich 1 (SB1) das sich in Teilgebieten überschneidende Studienangebot organisierten. Im Studiengang Sozialwesen existiert eine bis heute weitgehend erhaltene Projektkultur.

Im Zuge der Einführung von Modulen und Creditpoints im Verbund mit den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen ist das demokratische Element der studentischen Projekte stark unter Druck geraten. Die Reformen der Nach-68er-Zeit sehen damit einer spürbaren Schwächung entgegen.

Die Universität Kassel war die erste Universität in Deutschland, die schon in den siebziger Jahren ein Modell gestufter Studiengänge anbot. Äußerlich vergleichbare Modelle (die neuen Bachelor- und Master-Studiengänge nach den Vereinbarungen der europäischen Wissenschaftsminister (Bologna-Prozess)) werden inzwischen an allen deutschen Hochschulen und in weiteren, am Bologna-Prozess beteiligten EU-Ländern, eingeführt. Diese neuen kontinentaleuropäischen Varianten sind jedoch nicht einfach mit den namensgebenden angelsächsischen Bachelor- und Masterabschlüssen gleichzusetzen.

Das Kasseler Modell ähnelt stark dem angelsächsischen System von Bachelor- und Master-Studiengängen. Ein durchgehendes Studium ist im Kasseler Modell heute jedoch ebenfalls angelegt. Der zum Teil mehrjährige Wechsel in die Berufspraxis in der Phase zwischen Diplom I und der Aufnahme der Studien zum Diplom II war jedoch ursprünglich eine weitere gewünschte Ergänzung zu den Hochschulerfahrungen der Studierenden.


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Kasseler Modell — steht für: Kasseler Modell (Archivwesen), eine Bauform von Archivgebäuden zur Klimastabilisierung Kasseler Modell (Schulbau), eine Bauform von Schulgebäuden Kasseler Modell (Studium), ein Modell gestufter wissenschaftlicher Studiengänge Diese… …   Deutsch Wikipedia

  • Gesamthochschule — Die Gesamthochschule (abgekürzt GH oder GHS) war eine universitäre Hochschulform, die Merkmale von Universitäten und Fachhochschulen miteinander verband. Sie ermöglichte ein Hochschulstudium in bestimmten so genannten „integrierten Studiengängen“ …   Deutsch Wikipedia

  • Regelstudienzeit — Die Regelstudienzeit beschreibt die Anzahl von Semestern, in der ein Studiengang bei zügigem und intensivem Studium absolvierbar ist. Sie war als Rechtsanspruch für Studenten gedacht, um nicht während ihres Studiums die Streichung ihres Faches… …   Deutsch Wikipedia

  • Universität-Gesamthochschule — Die Gesamthochschule (abgekürzt GH oder GHS) war eine universitäre Hochschulform, die Merkmale von Universitäten und Fachhochschulen miteinander verband. Sie ermöglichte ein Hochschulstudium in bestimmten so genannten „integrierten Studiengängen“ …   Deutsch Wikipedia

  • Universität Kassel — Gründung 1970 Trägerschaft staatlich Ort …   Deutsch Wikipedia

  • Hann Münden — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Hannoversch-Münden — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Hannoversch Münden — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Ota Šik — (* 11. September 1919 in Pilsen; † 22. August 2004 in St. Gallen) war ein tschechisch schweizerischer Maler und Wirtschaftswissenschaftler. Berühmt wurde er als der Schöpfer der Wirtschaftsreformen des Prager Frühlings, die auch unter der… …   Deutsch Wikipedia

  • Oskar Obier — Oskar (Friedrich Heinrich) Obier (* 23. August 1876 in Militsch/Schlesien; † 8. August 1952 in Stuttgart), mit Künstlername Oscar Obier, war ein deutscher spätimpressionistischer Maler der Stuttgarter Schule von Reiniger und Pleuer. Er schuf… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”