Landherrenschaft

Landherrenschaft
Darstellung der Landherrenschaften auf einer Karte von 1810 (Ausschnitt): I. Innere Stadt, II. Hamburger Berg, III. Walddörfer,
IV. Hamm-Horn, VI. Kloster St. Johannis,
VIII. Hl. Geist-Hospital
Früherer Verwaltungssitz der Landherrenschaften am Klingberg (Kontorhausviertel), erbaut 1906-08. Später zum Teil vom Chilehaus (rechts) umbaut.

In Landherrenschaften wurde seit dem 15. Jahrhundert das nicht zur engeren Stadt gehörende Landgebiet der Freien und Hansestadt Hamburg eingeteilt. Diese Verwaltungsbezirke wurden jeweils von einem Ratsherrn bzw. Senator verwaltet und entsprachen in ihrer Funktion etwa den Landkreisen anderer Flächenstaaten oder auch den heutigen Hamburger Bezirken. Der Zuschnitt der Landherrenschaften wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein mehrfach verändert. Nach dem Groß-Hamburg-Gesetz wurde Hamburg 1938 schließlich zur Einheitsgemeinde umgebildet; die letzte Landherrenschaft wurde aufgelöst.

Inhaltsverzeichnis

15. bis 19. Jahrhundert

Seit Ende des 13. Jahrhundert hatte Hamburg vor allem zum Schutze seiner Handelswege vermehrt Ländereien außerhalb des Stadtgebietes erworben. Zur Verwaltung dieses Landgebietes wurden im 15. Jahrhundert (1410) die ersten Landherrenschaften gebildet. Nach der Reformation fiel im 16. Jahrhundert der umfangreiche geistliche Grundbesitz an die Stadt, so dass sich das Hamburger Staatsgebiet seitdem in folgende Bereiche gliederte[1]:

  1. des Klosters St. Johannis: Harvestehude, Grindel, Eimsbüttel, Eppendorf, Winterhude, Ohlsdorf, Groß-Borstel und Bilsen (letzteres wurde 1803 gegen das holsteinische Alsterdorf eingetauscht),
  2. des Hospitals St. Georg: Langenhorn, Klein-Borstel und Berne,
  3. des Hospitals zum Heiligen Geist: Barmbek, Eilbek und Hohenfelde.

Die Landherrenschaften wurden jeweils von einem Ratsherrn bzw. Senator als Landherrn verwaltet, die Ämter Ritzebüttel und Bergedorf jeweils von einem Amtmann, der häufig ebenfalls dem Rat bzw. Senat angehörte. Die geistlichen Besitzungen standen zwar seit der Reformation formell unter städtischer Hoheit, verblieben aber bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts in einer Art mittelbarer Sonderverwaltung, indem jeweils ein Bürgermeister das Patronat über das Kloster bzw. Hospital ausübte.

Veränderungen im 19. Jahrhundert

Während der Zugehörigkeit Hamburgs zum Französischen Kaiserreich (1811 bis 1814) gliederte sich das Landgebiet vorübergehend in sechs Mairien: Barmbek, Eimsbüttel, Eppendorf, Hamm, Langenhorn, Wohltorf.[2]

Nach dem Abzug der Franzosen wurde zunächst die alte Ordnung wiederhergestellt. Allerdings wurde zu diesem Zeitpunkt schon seit längerem Kritik insbesondere an der traditionellen Sonderstellung der geistlichen Besitzungen und der daraus resultierenden Zersplitterung der einzelnen Gebiete (mit zahlreichen En- und Exklaven) laut. Nach jahrelangen Verhandlungen zwischen Rat und Bürgerschaft trat schließlich zwischen 1830 und 1835 eine grundlegende Neugliederung des Hamburger Landgebietes in Kraft[3]:

  • Die geistlichen Gebiete wurden aufgehoben und mit dem übrigen Landgebiet vereinigt. Anschließend wurde dieses in nur noch zwei Landherrenschaften (Marschlande und Geestlande) eingeteilt.
  • Zugleich wurde die Vorstadt St. Georg aus dem Landgebiet ausgegliedert und unmittelbar der städtischen Verwaltung unterstellt. 1833 folgte die Vorstadt St. Pauli (vormals „Hamburger Berg“).

Die Ämter Bergedorf und Ritzebüttel blieben von dieser Neuordnung zunächst unberührt. Erst 1864 wurde Ritzebüttel zur Landherrenschaft Ritzebüttel erhoben, ebenso 1868 das bisherige Amt Bergedorf, das nach dem Ende der beiderstädtischen Verwaltung nunmehr ganz zu Hamburg gehörte.

Mit der Landgemeindeordnung von 1871 wurde den Landgemeinden eine beschränkte Selbstverwaltung verliehen. Zugleich schieden 15 weitere stadtnahe Gemeinden, die seit dem Wegfall der Torsperre zunehmend städtisch bebaut wurden, aus dem Landgebiet aus und wurden als Vororte ebenfalls unter städtische Verwaltung gestellt: Rotherbaum, Harvestehude, Eimsbüttel, Eppendorf, Winderhude, Uhlenhorst, Barmbek, Eilbek, Hohenfelde, Borgfelde, Hamm, Horn, Billwerder-Ausschlag, Steinwerder, Kleiner Grasbrook.

1894 wurden schließlich sämtliche Vororte per Gesetz nach Hamburg eingemeindet. Dadurch vergrößerte sich das Stadtgebiet von 952 auf 7665 ha und die Bevölkerung von 230.000 auf 594.000.[4]

Fusion und Auflösung im 20. Jahrhundert

Das anhaltende Wachstum Hamburgs führte dazu, dass zwischen 1912 und 1923 immer weitere Vororte aus dem Landgebiet herausgelöst wurden (darunter Alsterdorf, Ohlsdorf, Fuhlsbüttel, Langenhorn, Finkenwerder). 1924 wurde Geesthacht zur Stadt erhoben und schied wie Bergedorf und Cuxhaven ebenfalls aus dem Landgebiet aus.

Für das schrumpfende Landgebiet wurde daher am 19. November 1926 eine einzige Landherrenschaft Hamburg gebildet, die die vier bisherigen Landherrenschaften ablöste.

Mit der Schaffung der Einheitsgemeinde Freie und Hansestadt Hamburg am 1. April 1938 wurde die Landherrenschaft schließlich ganz aufgelöst.[5]

Einzelnachweise

  1. Zit. nach Diersen: Aus der alten Landherrenschaft Hamm und Horn, S. 7 f.
  2. Vgl. Kommentierte Beständeübersicht des Staatsarchivs Hamburg, Bestand 412-5.
  3. Gustav Bolland: Die Verhandlungen über die Reorganisation des hamburgischen Landgebietes von der Franzosenzeit bis zum Jahre 1835, In: Zs. des Vereins für Hamburgische Geschichte 32 (1931), S. 128–160.
  4. „Gesetz, betreffend die Vereinigung der Vorstadt St. Pauli, der Vororte und was das angeht mit der Stadt“ vom 22. Juni 1894, vgl. Hans-Dieter Loose: Die Hamburgische Stadterweiterung im Jahre 1894, In: Veränderungen 1894-1994. Hamburg-Hamm im Spiegel erlebter Geschichte(n). Stadtteilarchiv Hamm, Bd. 5, Hamburg 1994 ISBN 3-9803705-2-6, S. 7-10 (Zahlenangaben S. 8).
  5. Vom Groß-Hamburg-Gesetz, das mit Wirkung vom 1. April 1937 in Kraft trat, war die Landherrenschaft zwar zunächst nicht unmittelbar betroffen. Ein Jahr später wurde aber schließlich die Einheitsgemeinde Freie und Hansestadt Hamburg gebildet und die Landherrenschaft aufgelöst. Vgl. William Boehart: Das Groß-Hamburg-Gesetz - Ein Rückblick 70 Jahre danach. In: Lichtwark-Heft Nr. 71, Hamburg 2006. ISSN 1862-3549.

Literatur

  • Gustav Bolland: Die Verhandlungen über die Reorganisation des hamburgischen Landgebietes von der Franzosenzeit bis zum Jahre 1835, In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 32 (1931), S. 128–160. Digitalisat
  • Adolf Diersen: Aus der alten Landherrenschaft Hamm und Horn, Hamburg 1961.
  • Rainer Postel (Bearb.): Hamburg. In: Thomas Klein (Hrsg.): Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815 - 1945, Reihe B, Bd. 17. Marburg 1978 ISBN 3-87969-142-8, S. 61-135 (hier insbesondere 117-121).
  • Statistisches Amt Hamburg (Hrsg.): Aus Hamburgs Verwaltung und Wirtschaft, Jg. 8; Hamburg 1931.

Siehe auch

Weblinks


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