Large Helical Device

Large Helical Device

Das Large Helical Device (abgekürzt LHD, jap. 大型ヘリカル装置, ōgata herikaru sōchi) ist ein Experiment zur Kernfusion, das seit 1998 in Toki in Japan betrieben wird. Als Experiment zur Grundlagenforschung und zur Technologieentwicklung gewinnt LHD keine Energie. LHD ist zur Zeit (Stand Februar 2010) das größte betriebene Fusionsexperiment nach dem Stellarator-Prinzip. Eine vergleichbare Anlage wird erst 2014 mit Wendelstein 7-X in Deutschland in Betrieb genommen.[1]

Als Besonderheit ist LHD - wie Wendelstein 7-X - mit supra-leitenden Spulen ausgestattet.[2] Damit ist es prinzipiell möglich, Feldlinienkäfige bei hohen Magnetfeldstärken unbegrenzt lange zu erzeugen. In der Praxis sind die Experimente auf etwa halbstündigen Betrieb begrenzt. Diese Zeitspanne ist jedoch vollkommen ausreichend, um auch technologische Fragestellungen für einen Energie erzeugenden Reaktor wie ITER oder DEMO zu klären.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Hauptartikel: Kernfusionsreaktor

Ziel der Fusionsforschung ist es, aus der Verschmelzung von leichten Atomkernen Energie zu gewinnen, ähnlich wie es in der Sonne geschieht. Damit in einem Fusionsprozess Energie erzeugt wird, müssen sich Atomkerne extrem nahe kommen; erst dann können die Kernkräfte - die schwache und die starke Wechselwirkung - wirken.

Typische Energien, die in einer einzigen Reaktionen mit Kernen freigesetzt werden, liegen im MeV Bereich - etwa 1 - 10 millionen Mal mehr als durch eine chemische Reaktion. Soll es zur Fusion kommen, benötigen leichte Kerne mindestens einen Bruchteil dieser Energie in Form von Bewegungsenergie. Bei den entsprechenden Temperaturen liegt Materie jedoch nicht mehr in üblichen Aggregatszuständen vor: ein Gas wird ionisiert und man spricht von einem Plasma.

Hieraus ergibt sich ein Problem: Da die Teilchen geladen sind, stoßen sich die Kerne infolge der elektromagnetischen Wechselwirkung ab. Diese Abstoßung ist immer größer als die energiegewinnende Kernanziehung. Es muss zur Fusion also einen Weg geben, auf dem es dennoch zu einer hinreichenden Annäherung zur Fusion kommt: Entscheidend hierfür ist der quantenmechanische Tunneleffekt. Dieser wirkt so, dass die elektromagnetische Abstoßung unterlaufen oder untertunnelt werden kann. Damit ergibt sich eine kleine Wahrscheinlichkeit für eine Annäherung der Kerne, die durch steigende Temperaturen erhöht werden kann, um Fusion zu ermöglichen.

Die Fusionsreaktion, die am einfachsten ablaufen kann - also bei niedrigsten Temperaturen - ist die sogenannte D-T Reaktion. Ein schwerer Wasserstoffkern - Deuteron (D) - stößt dazu mit einem super-schweren Wasserstoffkern, dem Triton (T). Dabei verschmelzen die Kerne zu einem Heliumkern (Alpha-Teilchen) und einem Neutron. Ein erstes Fusionskraftwerk wird die D-T Reaktion nutzen. Heutige Experimente prüfen, ob ein Plasma so eingeschlossen werden kann, dass die Fusionsreaktion zur Energiegewinnung genutzt werden kann.

Ziele und Fragestellungen

Ziel des LHD-Projektes ist es zu klären, ob ein Fusionsreaktor nach dem Heliotron-Prinzip realisiert werden kann. Daraus ergeben sich Fragestellungen technologischer und physikalischer Art:

  • Die technologischen Fragen beinhalten Bau- und dauerhafte Betriebsmöglichkeiten von Schlüsselkomponenten eines Fusionskraftwerks. LHD bietet die Möglichkeit solche Komponenten realistisch zu testen. Spezifisch können Materialfragen und die Fähigkeit zum Dauerbetrieb von Hochleistungskomponenten, wie der Plasmaheizung, untersucht werden.
  • Die physikalische Fragestellungen beinhalten ob die Isolationseigenschaften eines Heliotrons ausreichend für die Energieerzeugung sind. Ähnlich wichtig ist, ob das LHD-Plasma bei den Plasmadrücken eines Fusionskraftwerkes stabil ist und wie gut der Einschluss der Fusionsprodukte funktioniert.

Mit diesem Projekt-Ziel fügt sich LHD in die weltweiten Untersuchungen zur Energiegewinnung aus Fusion ein. Neben Fragen, die sich auf die besondere Bauart des Heliotrons beziehen, liefert das technologische und physikalische Programm Ergebnisse, die auch auf andere Bauprinzipien übertragbar sind.

Technik

Vertikaler Querschnitt durch LHD

Wie alle Anlagen zur magnetischen Fusionsforschung besteht LHD aus einer torusförmigen Vakuumkammer, in der ein Plasma erzeugt wird. Vorher wird die Kammer auf etwa ein Zehnmilliardstel des Normaldruckes evakuiert. Diese Kammer hat einen äußeren Durchmesser von 7,8 m. Die vertikale Querschnittsfläche hat einen Durchmesser von 1,2 m. Das Plasmavolumen ist damit vergleichbar mit einer mittelgroßen Maschine nach dem Tokamak-Prinzip, so wie etwa ASDEX Upgrade.

Als Besonderheit des Bauprinzips von LHD dreht sich der elliptische vertikale Querschnitt zehn mal bei einer vollen Drehung des Torus - er bildet ein Heliotron. Dadurch entsteht eine helikale (schraubenförmige) Magnetfeld-Geometrie. Das Magnetfeld erreicht Feldstärken von 3 T, die durch zwei helikale Spulen erzeugt werden, die das Vakuumgefäß umfassen.

Magnetfeldspulen

Die supraleitenden Spulen werden bei Temperaturen in der Nähe des absoluten Nullpunkts betrieben. Insgesamt werden bei LHD bauliche Komponten mit einer Masse von 820 t auf 3,9–4,4 K gekühlt. Die Kühlleistung beträgt etwa 5,7 kW. Das zentrale Spulensystem - die beschriebene schraubenförmige, helikale Spule - besteht aus 450 Windungen. Insgesamt ergibt dies eine Länge von über 11 km Supraleiter. Der Spulenstrom beträgt etwa 11.000 A. Daneben verfügt LHD über sogenannte Poloidalfeldspulen. Sechs dieser ringförmigen Spulen mit Durchmessern von jeweils 7–22 m liegen parallel zur ringförmigen Achse des Torus. Sie dienen der Stabilisierung des Plasmarings. Mit diesen Spulen und einer gesteuerten Strombeschickung der helikalen Spule lässt sich die Lage des Plasmas in weiten Bereichen variieren.

Heizung

Da LHD der Grundlagenforschung dient, ist kein Betrieb mit dem Fusionsbrennstoff Tritium vorgesehen. Da das Plasma somit selbst keine Energie erzeugt, muss zu seiner Aufrechterhaltung eine äußere Heizung verwendet werden. LHD verfügt über leistungsstarke Mikrowellensender, deren Betriebsfrequenz so gewählt ist, dass jeweils die Bewegung der Ionen oder Elektronen im Magnetfeld angefacht wird: Ionen- (ICRH) bzw. Elektronzyklotronresonanzheizung (ECRH). Daneben verfügt LHD über schnelle Neutralteilchenstrahlen (NBI), die in das Plasma eingeschossen werden, dort ionisieren und dann ihre gerichtete hohe Bewegungsenergie durch Stöße an die Plasmateilchen abgeben.

Heizung Leistung
Tangentiale NBI 3 × 5 = 15 MW bei 180 keV
Radiale NBI 1 × 6 = 6 MW bei 40 keV
ICRH 6 × 0,5 = 3 MW (cw) bei 38,47 MHz
6 × 1,2 = 7,2 MW (5 s) bei 38,47 MHz
ECRH 2 × 0,5 = 1 MW (2 s) bei 82,7 GHz
2 × 1 = 2 MW (5 s) bei 77 GHz
1 × 0,8 = 0,8 MW (3 s) bei 84 GHz
2 × 0,5 = 1 MW (0,5 s) bei 168 GHz

Brennstoff Zu- und Abfuhr

Neben der Zu- und Abfuhr von Energie, muss für ein Fusionsplasma auch die kontrollierte Zu- und Abfuhr von Brennstoff gewährleistet sein. Bei LHD kann Gas durch Hochdruckventile zum Plasma „angeblasen“ werden. Daneben verfügt LHD über eine Injektion von Pellets, kleiner, gefrorener Kügelchen des Arbeitsgases, die pneumatisch in das Plasma geschossen werden. Sie können damit tiefer in das Plasma eindringen als Gas, das durch ein Hochdruckventil zugeführt wird. Die Pellet-Injektion von LHD kann Kügelchen mit 3 mm Durchmesser bei Geschwindigkeiten von 200–600 m/s elf mal pro Sekunde in den Torus einschießen.

Die Teilchen- und Energieabfuhr aus dem Plasma ist von zentraler Bedeutung für einen Fusionsreaktor. LHD ist dazu mit Prallplattensystemen ausgestattet, auf welche die Teilchen durch die Magnetfeldlinien weiterer Spulen gezielt geleitet und abgeführt werden. Dieser Divertor wird auch für Fusionsmaschinen nach dem Tokamak-Prinzip verwendet. Hinter den Prallplatten sind Hochleistungspumpen angebracht, welche die ankommenden Teilchen - entsprechend der "Fusions-Asche" im Reaktor - absaugen.

Physikalische Eigenschaften von LHD-Plasmen

Eine Vorgehensweise in der Fusionsforschung besteht darin, von kleineren Experimenten auf Fusionsmaschinen in Reaktorgröße zu schließen. So wie bei Windtunnelexperimenten kann man mit einer Dimensionsanalyse auf das Verhalten von Objekten in Originalgröße folgern. Diese Vorgehen spart erheblichen experimentellen Aufwand. Das Vorgehen gestattet es auch, verschiedene Experimente im Hinblick auf ihre Reaktorrelevanz einzuordnen.

Die physikalische Größen, die eine solche Analyse gestatten sind dimensionslose Parameter. Für Fusionsplasmen sind die wichtigsten dimensionslosen Parameter das sogenannte Plasma-Beta, die Kollisionalität und der normalisierte Gyroradius.

Im Hinblick auf den normalisierten Gyroradius ist LHD insofern beschränkt, als dieser etwa 10 mal zu groß für einen Reaktorbetrieb ist. Diese Größe hängt von der Größe der Maschinen und der erreichbaren Magnetfeldstärke ab, kann also folglich im LHD Betrieb nicht wesentlich verbessert werden.

Daneben erreichte LHD in Experimenten Kollisionalitäten und Plasma-betas, die jeweils einzeln die notwendigen Reaktorbedingungen erreichten. Zusammen werden reaktor-relevante Werte nicht erreicht. Eine Größe, die alle drei dimensionslosen Parameter beinhaltet ist die magnetische Reynoldszahl. Diese ist bei LHD etwa einen Faktor 200 von Reaktorbedingungen (Stand: Ende 2009) entfernt.

Die erreichten Plasma-Beta Werte sind für Fusionsmaschinen mit magnetischem Einschluss Rekordwerte. Hier konnte LHD gemittelte Werte von 5% erreichen. Jedoch kommt es bei diesen Rekordwerten auch zu einer substantiellen Verringerung des Plasmavolumens, da infolge des hohen plasma betas eine Verschiebung des Plasmas auftritt (die sog. Shafranov-Verschiebung).

Die erreichten Energieeinschlusszeiten sind aufgrund der Größe von LHD die höchsten, die je in einem Stellaratorexperiment erreicht wurden. Berücksichtigt man die Größe der Plasmen, so erreicht der beste Energieeinschluß von LHD fast den von Wendelstein 7-AS.

Sehr bemerkenswert für Fusionsmaschinen mit magnetischem Einschluss sind auch extrem hohe Plasmadichten, die LHD erreichen konnte. Durch gezielten Einsatz von Brennstoffpellets kann LHD Plasmadichten bis 1021 m-3 erreichen. Dies ist um einige Faktoren mehr, als es in Fusionsexperimenten nach dem Tokamak-Prinzip möglich ist. Jedoch sind wichtige Fragestellungen nach der Stabilität und der Brennstoffabfuhr Gegenstand gegenwärtiger Forschung. Dennoch wurde auf der Basis dieser experimentellen Ergebnisse vorgeschlagen, einen Fusionsreaktor nach dem Stellarator-Prinzip bei sehr hohen Dichten zu betreiben. Dies ist sehr attraktiv, weil die nutzbare Fusionsleistung mit dem Quadrat der Plasmadichte steigt und geringere Betriebstemperaturen benötigt würden.

Eine wichtige Errungenschaft der LHD Experimente war es zu zeigen, dass gewisse Instabilitäten der Magnetohydrodynamik in Stellaratorplasmen erheblich milder sind als vorher auf Basis theoretischer Überlegungen berechnet wurde. Daraus folgt für das Stellarator-Prinzip eine deutlich größere Flexibilität für die Gestaltung des Magnetfeldes.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Japanische Fusionsanlage LHD in Betrieb gegangen. Abgerufen am 12. September 2010.
  2. Kernfusionsforschung. JSPS Bonn, abgerufen am 12. September 2010.

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