Liberaler Intergouvernementalismus

Liberaler Intergouvernementalismus

Der Liberale Intergouvernementalismus (LI) ist eine politikwissenschaftliche Theorie im Teilgebiet der internationalen Beziehungen. Ihr Gegenstand ist die Erklärung von Integrationsprozessen, insbesondere der Prozess der europäischen Integration.

Der LI entwickelte sich aus dem Intergouvernementalismus, der in der Auseinandersetzung mit dem neofunktionalistischen Paradigma entstand, welcher eine Integrationsdynamik in Europa voraussagte die zwangsläufig zu einer supranationalen politischen Gemeinschaft führen müsse. Der Intergouvernementalismus hingegen sprach den europäischen Nationalstaaten, die interessengeleitet handelten, die souveräne Kontrolle über den Fortgang der europäischen Integration zu. Andrew Moravcsik erweiterte die Annahmen um eine liberale Perspektive, indem er die innerstaatliche Präferenzbildung als eine von 3 Stufen der europäischen Integration ins Auge nahm. Hintergrund war die, in den späten 1980er Jahren erfolgten Integrationsschübe innerhalb der Europäischen Gemeinschaft.

Während dieser ersten Stufe des Integrationsprozesses liefern sich innerstaatliche soziale Akteure (Parteien, Gewerkschaften, Interessenvertreter) einen Wettstreit um die politische Ausrichtung der nationalen Positionen. Die zweite Stufe europäischer Integration stellen die Verhandlungen der nationalen Regierungen auf europäischer Ebene dar, wo die Nationalstaaten rational agierend versuchen, die in der ersten Stufe entwickelten Präferenzen durchzusetzen. Die dritte Stufe stellt die Herausbildung supranationaler Institutionen dar. Diese erfüllen keinen Selbstzweck sondern werden von den nationalen Akteuren lediglich zur Reduktion von Transaktionskosten und zur Verbesserung von Verhandlungsbedingungen implementiert. Die europäische Integration steht und fällt nach Auffassung des LI schließlich mit dem Grad des generierten Nutzens, den die Nationalstaaten dem Integrationsprojekt zurechnen.

In der Politikwissenschaft gilt der LI als theoretischen Gegenpol zum Ansatz des Neofunktionalismus.

Literatur

  • Moravcsik, Andrew (1993): "Preferences and Power in the European Community: A Liberal Intergouvernmentalist Approach", in: Journal of Common Market Studies, Vol. 31, No. 4, December 1993, S. 473-524.
  • Schieder, Siegfried (2010): "Neuer Liberalismus", in: Schiedler, Siegfried/Spindler, Manuela (Hrsg.) (2010): Theorien der Internationalen Beziehungen, 3. überarb. und aktual. Aufl., Opladen [u.a.], S. 187-222.
  • Steinhilber, Jochen (2005): "Liberaler Intergouvernementalismus", in: Bieling, Hans-Jürgen/Lerch, Marika (Hrsg.) (2005): Theorien der europäischen Integration, Wiesbaden, S. 169-196.

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