Ludwig Bickell

Ludwig Bickell
Ludwig Bickell 1873
Ludwig Bickell als Student
Ludwig Bickell's Wohnhaus in Marburg Kugelgasse 1 vor 1902
Glasplattennegativ von Ludwig Bickell ca. 18x24 cm²

Ludwig Bickell (* 13. September 1838 in Marburg; † 20. Oktober 1901 ebenda) war ein deutscher Jurist, Fotograf und Denkmalpfleger, der im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zahlreiche Gebäude und Kulturdenkmäler in Hessen fotografisch dokumentierte und volkskundliche Sammlungen anlegte. Er wurde dafür 1892 zum Bezirkskonservator im Regierungsbezirk Kassel ernannt und ihm wurde die Ehrendoktorwürde der Philipps-Universität Marburg verliehen.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Ludwig Bickell wurde 1838 in Marburg als Sohn des kurhessischen Landrats Karl Wilhelm Bickell (1796–1864) geboren. Er besuchte das Gymnasium der Stadt Marburg und verließ es 1860 mit dem Abitur, um in Marburg und Leipzig Kameralswissenschaften zu studieren. Nach dem juristischen Staatsexamen 1864 begann er als Referendar im Verwaltungsdienst bei der oberhessisch-kurhessischen Regierung in Marburg. Diese wurde nach der Annexion Kurhessens 1866 durch das Königreich Preußen aufgelöst. Ludwig Bickell entschied sich daraufhin im Alter von 29 Jahren gegen die Beamtenlaufbahn. Das gab ihm zum einem die Möglichkeit, ab 1868 eine Studienreisen durch das Rheinland, Belgien, Frankreich, nach London und Oxford zu unternehmen. Ein in dieser Zeit betriebenes Projekt, ein umfassendes Werk über die den Bau und die Geschichte der Orgel zu schreiben, vollendete er nie. Auch scheiterten alle seine Versuche als „Orgelbautechniker“ oder freiberuflicher Fotograf Fuß zu fassen. Seine wirtschaftliche Situation blieb für mehr als zwei Jahrzehnte prekär. Eine einzige von ihm konzipierte Orgel wurde auch gebaut: Im Chor der Pfarrkirche von Großseelheim. Das neugotische Instrument wurde 1970 beseitigt.[1]

Die großen europäischen Museen und ihre Kunstschätze in London, Paris, Nürnberg etc. regten ihn an, Kunst- und Kulturdenkmäler seiner hessischen Heimat zu dokumentieren und „hessische Altertümer“ zu sammeln. Er ließ eine Kutsche zu einer fahrbaren Dunkelkammer umbauen, um die schwere Fotoausrüstung zu transportieren und die Glasplatten vor Ort präparieren und sofort entwickeln zu können. So entstanden im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hunderte von Fotografien von hessischen Gebäuden aus Fachwerk und Stein, von Kirchen, Straßen, Dörfern und Städten. Über 2500 Negativplatten von hoher Qualität sind heute noch im Bildarchiv Foto Marburg erhalten.

1875 übernahm der Hessische Geschichtsverein die Sammlung Bickells und bestellte ihn zu deren Konservator. Diese Sammlung hessischer Altertümer wurden im ehemaligen Landgrafenschloss in Marburg staatlicherseits einige Räume zur Verfügung gestellt und damit der Grundstock für das spätere Universitätsmuseum Marburg gelegt. Nach zehnjähriger Tätigkeit erschien 1878 die Bildreproduktion „Das alte Marburg“. Im Rahmen der Kasseler Kunstausstellung in der Orangerie 1884 zeigte Bickell die bedeutendsten Stücke seiner Sammlung.

1892 schließlich wurde ihm die Ehrendoktorwürde durch die Philosophische Fakultät der Universität Marburg verliehen. Im selben Jahr wurde durch die Umorganisation der staatlichen Denkmalverwaltung die Stelle eines beamteten Bezirkskonservators der Denkmäler im Regierungsbezirk Kassel geschaffen und Ludwig Bickell erhielt diese Stelle. Auffallend ist dabei sein der zeitgenössischen Auffassung weit vorauseilender Denkmalbegriff, unter den er nicht nur repräsentative Bauten von Herrschaft und Kirche einordnete, sondern auch „Alltagsdenkmäler“, wie Wohnhäuser, Bauernhöfe oder Scheunen. Auch Ensembles (Gesamtanlagen) und Umgebungsschutz für Kulturdenkmäler waren Begriffe, mit denen er bereits arbeitete.

1901 starb Ludwig Bickell im Alter von 63 Jahren in Marburg. Sein Nachfolger als Bezirkskonservator wurde Alhard von Drach.

Gedenken

Bickells Wohnhaus in der Kugelgasse 1 befindet sich in der Marburger Altstadt zwischen Kalbstor und Kugelkirche. Neben dem Hauseingang erinnert eine Gedenktafel an ihn. Die ihm zu Ehren benannte Ludwig-Bickell-Treppe in Marburg führt von der Ritterstraße zum Marburger Schloss.

Werke

  • Das alte Marburg: vier Reproductionen von älteren Stichen der General-Versammlung des Gesamt-Vereins deutscher Geschichts- und Alterthumsvereine zu Marburg 1878
  • Zur Erinnerung an die Elisabethkirche zur Marburg und zur sechsten Säcularfeier ihrer Einweihung. Marburg: Elwert'sche Universitätsbuchhandlung 1883.
  • Die Eisenhütten des Klosters Haina und der dafür thätige Formschneider Philipp Soldan von Frankenberg. Marburg: Elwert 1889.
  • Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel, Bd. 1. Kreis Gelnhausen. Marburg: Elwert 1901.
  • Zusammen mit Johann Baptist Obernetter: Hessische Holzbauten: Fünfzig ausgewählte Tafeln. Marburg: Elwert 1906.

Nachlass

Der Nachlass von Ludwig Bickell und seiner Familie wird im Hessischen Staatsarchiv Marburg (Bestände 340 Bickell und M 51a Bickell) aufbewahrt. Er hat eine Laufzeit von 1769 bis 1901 und einen Gesamtumfang von ca. 3 m und 241 Kartenblättern.[2] [3]

Literatur

  • Hermann Bauer. 1938. Aus der Lebensarbeit Ludwig Bickells *13. Sept. 1838 - 20. Okt. 1901. [Personalia hassiaca in 4°].
  • Elmar Brohl und Gerhard Menk: Ludwig Bickell (1838-1901). Ein Denkmalpfleger der ersten Stunde = Arbeitshefte des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen 7. Wiesbaden 2005.
  • Alhard von Drach: Bericht des Konservators der Denkmäler im Regierungsbezirk Cassel über seine Tätigkeit vom 11. April 1902 bis 31. März 1904 an die Bezirkskommission zur Erforschung und zum Schutze der Denkmäler im Regierungsbezirk Cassel. Nebst einleitenden Nachrichten über die Geschehnisse in den Jahren 1892 bis 1901. Kassel 1904.
  • Elfriede und Gerhard Ehl: Marburg vor 100 Jahren: Historische Dokumente aus der Frühzeit der Photographie von Ludwig Bickell. Marburg: Presseamt d. Magistrats 1982.
  • Menk, Gerhard. 2005. Ein "antiquitätischer Herr": Leben und Werk des hessischen Denkmalpflegers und technischen Pioniers Ludwig Bickell (1838 - 1901). Beiträge zur Geschichte Marburgs und Hessens, 1. Marburg: Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde.
  • Gerd Meyer: Orgelforscher, Sammler, Denkmalpfleger, Fotograf. Ludwig Bikell, dem ersten hessischen Bezirkskonservator zur Erinnerung. In: Denkmalpflege in Hessen 1989,2, S. 2-9.
  • Michael Neumann: Der Bezirkskonservator. In: Elmar Brohl und Gerhard Menk: Ludwig Bickell (1838-1901). Ein Denkmalpfleger der ersten Stunde = Arbeitshefte des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen 7. Wiesbaden 2005, S. 265-274.

Einzelnachweise

  1. Meyer, S. 6.
  2. Übersicht über den Bestand 340 Bickell Hessisches Archiv-Dokumentations- und Informations-System. Abgerufen am 7. Juni 2011
  3. Übersicht über den Bestand M 51a Bickell Hessisches Archiv-Dokumentations- und Informations-System. Abgerufen am 7. Juni 2011

Weblinks

 Commons: Ludwig Bickell – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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