Charles de Valois, duc d'Orléans

Charles de Valois, duc d'Orléans

Karl, Herzog von Orléans (* 24. November 1394 in Paris; † 4. Januar 1465 in Amboise) war Herzog von Orléans und ist in Frankreich vor allem als bedeutender Lyriker bekannt. Er war Vater des späteren Königs Ludwig XII..

Inhaltsverzeichnis

Jugend

Karl war Enkel des Königs Karl V. und ältester Sohn von Herzog Ludwig von Orléans, des ehrgeizigen jüngeren Bruders von König Karl VI.. Seine Mutter war Valentina Visconti, Tochter von Herzog Gian Galeazzo Visconti von Mailand.

Sein Vater Ludwig gefiel sich in der Rolle des Mäzens und so kam Karl früh mit Kunst und Literatur in Berührung. Ebenso früh allerdings wurde sein Leben, meist schmerzhaft, von der Politik bestimmt.

So wurde er 1406, knapp 12-jährig, im Sinne dynastischer Interessen mit seiner fünf Jahre älteren Cousine Isabella verlobt, die ihrerseits schon Witwe des abgesetzten und 1400 ermordeten Königs Richard II. von England war. Sie brachte die erhebliche Mitgift von 500.000 Franken in die Ehe ein, starb aber schon 1409, kaum ein Jahr nach der Hochzeit, bei der Geburt einer Tochter.

1407 verlor Karl seinen Vater, der auf offener Straße erstochen wurde von Auftragsmördern des Herzogs Johann Ohnefurcht von Burgund, der mit ihm um die Regentschaft für den geistesgestörten Karl VI. stritt. 1408 verlor er durch Krankheit auch seine Mutter, die vergeblich die Bestrafung der Mörder und ihres Anstifters gefordert hatte.

Karl bewies zwar erstmals sein literarisches Talent, indem er in einem Rundbrief an die Städte Frankreichs Sühne forderte, war aber zu jung und von seinem Naturell her ungeeignet für die Rolle des Rächers. Die übernahm der energische Graf Bernard von Armagnac, der eine Partei für ihn organisierte, wobei er ihn zugleich mit seiner elfjährigen Tochter Bonne verheiratete (1410). Über mehrere Jahre zogen sich Verhandlungen und bürgerkriegsartige Kämpfe hin, bis die "Armagnacs" 1413 vorläufig siegten und in Paris einzogen (siehe auch: Bürgerkrieg der Armagnacs und Bourguignons).

Nachdem er den ihm rangmäßig zustehenden Platz am Pariser Hof eingenommen und seine junge Frau Bonne dorthin geholt hatte, begann Karl um 1414 zu dichten, und zwar Balladen an sie, in die er sich (nach Vollzug der Ehe?) ganz offenbar verliebt hatte. Es sind Gedichte, die die Konventionen der höfischen Lyrik kunstvoll befolgen und dennoch sehr persönlich wirken. Ebenfalls seine Verliebtheit spiegelt die gereimte Traumerzählung La Retenue d'Amours (= Die Aufnahme [in den Lehensdienst] Amors).

Gefangenschaft in England

1415 landete ein englisches Heer in Frankreich zu einem der Beutezüge, aus denen der Hundertjährige Krieg weitgehend bestand. Auf dem herbstlichen Rückzug Richtung Boulogne und England wurde es bei Azincourt von einem überlegenen französischen Ritterheer gestellt, besiegte dieses aber dank seiner Bogenschützen. Karl, der einer der französischen Anführer war, wurde gefangen genommen und nach England gebracht, wo er 25 Jahre lang als Geisel der englischen Könige Heinrich V. bzw. Heinrich VI. festgehalten wurde. Eine wichtige Rolle spielte hierbei, dass er in der Liste der französischen Thronanwärter weit oben stand und man ihn als Faustpfand einzusetzen gedachte in Verhandlungen mit seinem Cousin, dem Dauphin und dann (ab 1422) neuen König Karl VII., der jedoch nichts für ihn zu tun bereit war, nachdem sich das Kriegsglück zu Frankreichs Gunsten wendete.

Während dieser Zeit, die Karl auf verschiedenen Burgen bei häufig wechselnden Gastgebern-Bewachern in nur lockerem Briefkontakt mit der Heimat verlebte, dichtete er zunächst weiter Balladen, die in sehr authentischer Weise überwiegend um die Themen Liebe, Trennung, Sehnsucht und Heimweh kreisen. Später, nachdem sich seine Hoffnungen auf einen möglichen Besuch Bonnes in England zerschlagen hatten und er (1432?) erneut Witwer geworden war, verfasste er auch Chansons (zum Teil in englischer Sprache) an eine englische Dame, in die er sich verliebt hatte.

Nachdem man diese aus seiner Umgebung entfernt hatte und 1437 auch ein Eheprojekt mit der verwitweten Margarete von Savoyen gescheitert war, schrieb er frustriert die Traumerzählung Songe en complainte (=Traumerzählung in Form einer Klage), die eine Art Gegenstück zur Retenue von einst darstellt und in der er, Amor um Entlassung bittend, Verzicht gelobt auf "alles, was mit Liebe zu tun hat".

Rückkehr nach Frankreich

1440 endlich wurde Karl, der seine Nutzlosigkeit als Faustpfand erwiesen hatte, gegen ein enormes Lösegeld freigelassen. Er bekam es vorgeschossen von seinem Cousin zweiten Grades und Sohn des 1419 selbst ermordeten Mörders seines Vaters, Herzog Philipp dem Guten von Burgund. Dieser verheiratete ihn zugleich, um ihn politisch noch enger an sich zu binden, mit einer Nichte, der 14-jährigen Maria von Kleve.

Karl hatte bei seiner Heimkehr gehofft, er könne Frieden zwischen den Kronen Englands und Frankreichs stiften, darüber hinaus das mit England verbündete, praktisch souveräne Herzogtum Burgund wieder an Frankreich heranführen und insgesamt eine seinem hohen Status gemäße Position neben seinem Cousin Karl VII. einnehmen. Doch scheiterte er an dem Misstrauen, das dieser ihm als vermeintlichen Sympathisanten Burgunds entgegenbrachte. Auch Karls 1447/48 unternommene Versuche, seine von der Mutter geerbten Ansprüche in Norditalien durchzusetzen, blieb mangels militärischer Unterstützung des Königs erfolglos. Er zog sich deshalb enttäuscht fast völlig auf sein Schloss in Blois zurück.

Hier verarbeitete er seine wechselnden, oft depressiven Stimmungen und Gedanken in zahlreichen Balladen und, mehr und mehr, in Rondeaus, die wie Blätter eines poetischen Tagebuchs wirken, dabei aber virtuos alle Möglichkeiten der Gattung ausschöpfen. Zugleich versuchte er nicht ohne Erfolg, seinen Hof zu einem literarischen Zentrum zu machen, indem er Höflinge und Freunde sowie seine Frau zum Versemachen anhielt und Dichter aus ganz Frankreich zu kürzeren und längeren Besuchen beherbergte, darunter Olivier de la Marche, George Chastelain, Jean Meschinot und, Ende 1457, auch François Villon, von dem er sich allerdings im Unfrieden getrennt zu haben scheint.

1457, 59 und 62 wurde Karl noch Vater zweier Töchter und eines Sohnes, nachdem er sein bis dahin sichtlich eingehaltenes Verzichtgelöbnis endlich doch gebrochen hatte. Er erkrankte und starb Anfang 1465 in Amboise auf der winterlichen Heimreise von einem Fürstentreffen in Tours, wo er vom neuen König Ludwig XI. öffentlich gedemütigt worden war. Schon einige Jahre zuvor hatte er (offenbar bald nach dem Zerwürfnis mit Villon) der Dichtkunst den Abschied erklärt.

Sein Sohn übernahm 1498 als Ludwig XII. die Königskrone von seinem ohne männlichen Erben verstorbenen Neffen zweiten Grades Karl VIII..

Literarisches Schaffen

Gegen 1445, d.h. wenige Jahre nach seiner Heimkehr, hatte Karl seine ab 1414 in den verschiedensten Lebenslagen in Paris, England und Blois verfassten Gedichte und Dichtungen von einem Kalligraphen in ein Sammelmanuskript kopieren lassen. In dieses ließ er anschließend von seinen Sekretären auch seine jeweils neuen Balladen und Rondeaus sowie die Gedichte von Höflingen und Gästen eintragen, was er gelegentlich auch selber tat oder die betreffenden Autoren tun ließ. Viele dieser jüngeren Texte sind Repliken auf den oder die jeweils vorangehenden, stehen also zu zweit oder mehreren in einem thematischen und oft auch konkreten situativen Zusammenhang. Bekannt ist der Block von elf Balladen zum Thema „Durst an der Quelle“, der offenbar Ende 1457 aus einem Wettdichten hervorging. Das Manuskript ist erhalten (und überliefert aller Wahrscheinlichkeit nach die einzigen Villon zuschreibbaren Autographen).

Zwar trifft sein heutiges Image als des ersten französischen Dichters von Naturlyrik nur sehr teilweise zu, doch ist Charles d’Orléans (wie er in der Literaturgeschichte heißt), einer der authentischsten und zugleich elegantesten sowie darüber hinaus auch produktivsten französischen Lyriker des ausgehenden Mittelalters. Er kann als Vollender der Kunstform der höfischen Lyrik in Frankreich gelten. Im deutschsprachigen Raum ist er praktisch unbekannt.

Ehen und Nachkommen

1409 heiratete Karl seine Cousine Isabella von Valois (1389-1409), Tochter des Königs Karl VI. und Witwe von König Richard II. von England. Ihre gemeinsame Tochter Johanna (1409-1432), die Karl nach 1415 nicht mehr wiedersah, wurde ohne seine Zustimmung von König Karl VII verheiratet mit Herzog Johann II. von Alençon.

1410 ließ sich Karl in zweiter Ehe mit Bona (Bonne) von Armagnac (1395-1430/35) verheiraten, Tochter des Grafen Bernhard VII. Die Ehe blieb kinderlos.

1440 heiratete er in dritter Ehe Maria von Kleve (1426-1486), Tochter des Herzogs Adolf I. Nach 16 Jahren Kinderlosigkeit wurde Marie schließlich noch Mutter von:

Siehe auch

Weblinks


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