Chemtrail

Chemtrail
Solche Kondensstreifen werden von Vertretern dieser Hypothese als Chemtrails bezeichnet

Unter Chemtrails versteht man hypothetische Kondensstreifen, von denen behauptet wird, dass sie neben kondensierten Flugzeugabgasen noch weitere Chemikalien enthalten, die den Abgasen zugesetzt werden. Chemtrails sollen sich von normalen Kondensstreifen durch ihre Langlebigkeit und flächige Ausbreitung unterscheiden.[1][2]

Über Chemtrails wird spätestens seit 1996 diskutiert.[3] Die Anhänger der Verschwörungstheorie tauschen sich vor allem auf amerikanischen Internetseiten aus, die sich gegen die Regierung wenden, so wird in Internetforen diskutiert und Bildmaterial auf Youtube veröffentlicht.[1][4] Aufgrund zahlreicher Anfragen nahmen Nichtregierungsorganisationen, Meteorologen und weitere Institutionen wiederholt Stellung. Mit Stand von 2011 gibt es weder für das massive Ausbringen von Chemikalien noch für auffällig geänderte Kondensstreifen wissenschaftliche Anhaltspunkte.[2]

„Seit in der Zeitschrift Raum & Zeit 127/2004 der Artikel „Die Zerstörung des Himmels” erschienen ist, erhielt das Umweltbundesamt (UBA) zahlreiche Anfragen besorgter Bürgerinnen und Bürger zu den so genannten Chemtrails. Dabei soll es sich um angeblich durch Flugzeuge in der Atmosphäre versprühte Chemikalien handeln.“

Umweltbundesamt[5]

Inhaltsverzeichnis

Verschwörungstheorien

Begriff und Absichten

Der Begriff Chemtrail ist ein Kofferwort, zusammengesetzt aus der englischen Abkürzung Contrails für Kondensstreifen und Chemikalien.[4] Mit ihm werden bestimmte, langlebige und teils in Gittern auftretende Kondensstreifen bezeichnet.[6] Es soll sich bei Chemtrails nicht um normale, aus Eiskristallen bestehende Kondensstreifen handeln, sondern um Sprühspuren von diversen chemischen Substanzen. Über die genaue Zusammensetzung dieser Stoffe besteht keine Einigkeit, oft nennen die Anhänger jedoch Barium und Aluminium als Bestandteil.[1] In einer möglichen Betrachtungsweise werden diese Zusätze als gewollte Vorgehensweise angenommen, um Einfluss auf Klimaänderungen zu erhalten oder zumindest Versuche in diese Richtung zu unternehmen.

Im Normalfall hängt die Ausbreitungsform und -geschwindigkeit sowie die Beständigkeit der Kondensstreifen von Faktoren wie Temperatur, lokaler Windgeschwindigkeit und Luftfeuchtigkeit ab. Bei geringer Luftfeuchtigkeit lösen sich Kondensstreifen rascher auf. Bei hoher Luftfeuchtigkeit hingegen können Abgaspartikel als Kristallisationskeime wirken, weiteren Wasserdampf binden und sich bei entsprechenden Strömungen weit ausbreiten. In der Meteorologie werden Kondensstreifen als eine Art „künstliche Cirruswolken“ angesehen und sind schon länger bekannt, als die nach der Verschwörungstheorie „organisierte Klimaänderung“ stattfindet. Kondensstreifen, die am Himmel stehen bleiben, sind der Wetterkunde zufolge Anzeichen für Wetteränderungen.[2][7]

Die beobachtete Zunahme in Häufigkeit und Ausbreitung von Kondensstreifen am Himmel hängt vor allem mit dem starken Wachstum des Flugverkehrs zusammen. Allein in Deutschland hat sich die Zahl der Beförderungsleistung durch Flüge seit den 1980er Jahren verfünffacht. Bei über zwei Millionen Starts und Landungen pro Jahr[8] kommt es dementsprechend zur Entwicklung einer deutlich größeren Zahl an Kondensstreifen als vor diesem Zeitpunkt. Diese künstliche Bildung von Wolken und deren Effekte werden wissenschaftlich untersucht, sie verändern die Sichtverhältnisse in der Atmosphäre. Andererseits stellen zunehmende Streifenstrukturen eine ästhetische Veränderung des sichtbaren Himmels dar.[9]

Technische Umsetzungen

Zu den technischen Voraussetzungen der Chemtrails gibt es verschiedene, zum Teil widersprüchliche und technisch nicht schlüssige Erklärungen. Gemäß einer Variante werden den Flugzeugtreibstoffen Chemikalien zugesetzt. Das würde eine Verbreitung von Polymeren, Mikroben oder pharmazeutisch wirksamen Substanzen, wie sie von einigen Verschwörungstheoretikern angenommen wird, ausschließen, da diese in den Brennkammern der Triebwerke zerstört werden.[10] Die Verbreitung reiner metallischer oder mineralischer Substanzen über diesen Weg würde hingegen zu hohem Verschleiß an den Turbinenschaufeln der Triebwerke führen.[10]

Andere Vermutungen gehen von einer Verbreitung der Substanzen mittels eingebauter Sprühvorrichtungen aus. Solche könnten etwa an der Flugzeugunterseite hinter verschlossenen Klappen verborgen sein.[10] Somit könnten spezielle Sprühmaschinen mit eingewiesenem Personal Chemtrails ausbringen oder die Substanzen würden automatisch, unbemerkt von den Piloten, während des Fluges von normalen Linienmaschinen durch hohle Drähte an den Tragflächenkanten versprüht. Diese Drähte dienen eigentlich der Ableitung statischer Ladungen und besitzen einen Mittelleiter, der aber entfernt worden sein soll. Modifizierte Spannungsableiter und ebenso zusätzliche Klappen oder Sprühsysteme würden aber spätestens bei der Vorflugkontrolle durch uneingeweihtes Personal entdeckt und reklamiert werden.[10]

Sinn und Zweck

Es wurde angenommen, dass Substanzen versprüht würden um Geo-Engineering zu betreiben, damit solle eine Beeinflussung des Klimas erreicht werden. Hierbei wird oft das Welsbach-Patent angeführt, in dem die Möglichkeit der Verminderung des Treibhauseffekts mittels großflächiger Verteilung von Partikeln in der Atmosphäre beschrieben wird.[1][11]

Stellungnahmen von Politik und Nichtregierungsorganisationen

Aufgrund von Anfragen seitens Anhängern der Verschwörungstheorie nahmen Politik, Institutionen und Nichtregierungsorganisationen wiederholt Stellung.

Das Umweltbundesamt (UBA) veröffentlichte ein Informationsblatt[5], das sich mit Chemtrails auseinandersetzt. Auch wenn theoretische Vorstellungen des Klimaschutzes durch Ausbringen verschiedener Stoffe vorlägen, so gibt es demnach keine Hinweise darauf, dass diese bisher konkret umgesetzt würden. Das UBA beruft sich auf den Deutschen Wetterdienst, in dessen Beobachtungsdaten keine auffälligen Veränderungen des Verhaltens von Kondensstreifen verzeichnet sind. Auch dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sind keine entsprechenden Phänomene bekannt, obwohl es seit vielen Jahren die Wirkung von Luftfahrtemissionen auf die Atmosphäre untersucht. Anfragen bei der Deutschen Flugsicherung und beim Deutschen Wetterdienst ergaben keine Hinweise auf auffällige Flugbewegungen und Kondensstreifen. Auch der WHO liegen keine Kenntnisse zur Existenz von besonderen Chemtrails vor. Das Verteidigungsministerium und das europäische Hauptquartier der US Air Force teilten mit, keine entsprechenden Projekte zu betreiben.[2] Die Air Force beantwortete zudem Theorien, dass sie das Wetter manipuliere, mit einem Informationspapier zu Kondensstreifen. Wettermanipulationen würden durch die Air Force nicht vorgenommen, und man plane auch nicht, damit zu beginnen.[3]

Das Greenpeace Magazin bewertete die Spekulationen über Chemtrails in einem eigenen Artikel als Verschwörungstheorie und schloss sich den Ergebnissen des Umweltbundesamtes an.[12]

Erwähnt werden Chemtrails in den Vereinigten Staaten 2001 in einer Gesetzesvorlage, dem Space Preservation Act, die dem Kongress durch den Politiker Dennis Kucinich erstmals vorgelegt wurde. Die Vorlage wurde abgelehnt, und Kucinich, der an der Ausarbeitung der Vorlage nicht direkt beteiligt war, äußerte später, dass er sich über die Erwähnung der Chemtrails nicht im Klaren war und er an diesem Thema nicht interessiert sei.[13]

Im März 2007 stellten österreichische Nationalratsabgeordneten der FPÖ eine parlamentarische Anfrage an den damaligen Landwirtschaftsminister Josef Pröll (ÖVP).[14] Darauf stellte das Landwirtschaftsministerium fest, dass ihm das Thema Chemtrails seit längerem bekannt sei und es derartige Vorgänge als überaus problematisch einstufen würde; es gebe aber keinerlei Hinweise auf die Ausbringung derartiger Stoffe über Österreich.[15]

Andere Phänomene

Nicht mit den angeblichen Chemtrails verwechselt werden darf das so genannte Hagelfliegen zur Wetterbeeinflussung. Dabei wird von Kleinflugzeugen mit Spezialgeneratoren ein Gemisch aus Silberjodid und Aceton im Aufwindbereich von Gewitterwolken ausgebracht. Das führt zur Bildung winziger Eiskeime damit sich keine großen Hagelschloßen bilden, sondern kleine Eiskugeln, die oftmals sogar wieder schmelzen, bevor sie am Boden ankommen. Das ausgebrachte Silberjodid ist nach der Verdünnung in der Luft in der Umwelt nicht mehr nachweisbar.[16]

Literatur

Verschwörungsliteratur

  • Leonard G. Horowitz: Death in the Air: Globalism, Terrorism & Toxic Warfare. Healthy World Dist, 2001, ISBN 0-923550-30-5. (englisch)
  • William Thomas: Chemtrails Confirmed. Bridger House Publishers, 2004, ISBN 1-893157-10-5. (englisch)
  • Gerd Hohberger: Gefahr? Reichardt, Augsburg 2004, ISBN 3-939359-21-1.
  • Christian Haderer: Chemtrails. Verschwörung am Himmel? Sammler, Graz 2005, ISBN 3-85365-213-1.
  • Frank Hills: Chemische Kondensstreifen („Chemtrails“) über Deutschland. Schmid, Durach 2005, ISBN 3-938235-17-9.
  • Jerry E. Smith: Weather Warfare: The Military's Plan to Draft Mother Nature. Adventure Unlimited, 2006, ISBN 1-931882-60-6. (englisch)

Literatur zur Verschwörungstheorie

  • Holm Hümmler: Chemtrails – Zwischen Meteorologie und Verschwörungstheorie. In: Skeptiker. Nr. 2, 2006, S. 48–55.
  • Nigel James: Contrails. In: Peter Knight: Conspiracy Theories in American History. Santa Barbara/Denver/Oxford 2003, S. 197-199.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d Odenwald, Michael:'Wetterkapriolen' Focus 17. Juni 2011.
  2. a b c d Umweltbundesamt:'Chemtrails – Gefährliche Experimente mit der Atmosphäre oder bloße Fiktion?', Stand: März 2011.
  3. a b US Air Force:Contrails Facts, AFD-051013-001, 13. Oktober 2005.
  4. a b Nigel James: Contrails. In: Peter Knight: Conspiracy Theories in American History, Santa Barbara/Denver/Oxford 2003, 197-199.
  5. a b UBA: Chemtrails - Gefährliche Experimente mit der Atmosphäre oder bloße Fiktion?. Stand: März 2011 Abgerufen: 10. November 2011
  6. Schlatter, Thomas. 'Weather Queries: Chemtrail Controversy', [1], weatherwise.org 9. März 2001.
  7. United States Environmental Protection Agency: 'Aircraft Contrail Factsheet', September 2000.
  8. Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen:Pressemitteilung Nr. 06/2010 (Verkehrsentwicklung 2009), 10. Februar 2010.
  9. Umwelt- und Prognose-Institut e.V.:'Zunehmender Flugverkehr beeinträchtigt klare und kontrastreiche Sicht in der Atmosphäre', Stand: 30. März 2011.
  10. a b c d Kristina Peter: Chemtrails oder Kondensstreifen? In: Magazin 2000 Plus. 6, 2007, S. 24 ff.
  11. David B. Chang, I-fu Shih: United States Patent US5003186 veröffentlicht 26. März 1991.
  12. Marcel Keiffenheim: 'Ein Himmel voller Verschwörer' in Greenpeace Magazin 5, 2004.
  13. Naymik, Mark: 'Many Kucinich backers are out there – way out', in Cleveland Plain Dealer 12. März 2003. Wörtlich “When I found out that was in there, I said, ‘Look, I’m not interested in going there.‘”
  14. FPÖ: Parlamentarische Anfrage Nr. 551/J betreffend Freisetzung von Chemikalien in der Atmosphäre zur Beeinflussung des Klimas, 22. März 2007.
  15. Landwirtschaftsministerium Österreich: Beantwortung der parlament. Anfrage Nr. 551/J, 22. Mai 2007.
  16. Bayerische Hagelflieger impfen Gewitterwolken. vero-online.info (5. Juli 2006). Abgerufen am 19. November 2011.

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