Prekmurisch

Prekmurisch
Prekmurisch
(Prekmürščina, Prekmürski jezik, Prekmurščina)

Gesprochen in

Slowenien (Prekmurje), Ungarn (Komitat Vas), Österreich (Burgenland); Auswanderer in Kanada und den USA
Sprecher 80.000
Linguistische
Klassifikation
Novine, prekmurische Zeitung von József Klekl aus dem Jahr 1918
Das erste überlieferte prekmurische Buch, Mali Katechismus (Kleiner Katechismus)
István Szelmár: Die Geschichten Altes und Neues Testament (Zgodbe sztároga i nóvoga testamentoma), 1880.

Prekmurisch (Eigenbezeichnung Prekmürščina, Prekmürski jezik, slowenisch Prekmurščina) ist eine Varietät des Slowenischen,[1] einer südslawischen Sprache. Prekmurisch wird von ca. 80.000 Menschen im zu Slowenien gehörenden Prekmurje (Übermurgebiet) und in Ungarn in der Vendvidék („wendisches Gebiet“) rund um Szentgotthárd gesprochen. Weitere Sprecher leben unter anderem in Österreich, Deutschland und den USA.

Bereits im 18. Jahrhundert entstand eine prekmurische Literatursprache, die im heute zu Slowenien gehörenden Gebiet erst 1919 von der slowenischen Standardsprache abgelöst wurde.[2] Im Jahr 1920 erneuerte József Klekl die prekmurische Literatursprache.[3] Diese Sprache wurde auch in der Kirche verwendet.[4] Auch die Schriftsteller aus Prekmurje und dem wendischen Gebiet Ungarns,[5] wie Feri Lainšček,[6][7] Milan Vincetič,[8] Milan Zrinski, Miki Roš, Jože Ftičar, Ferenc Mukics,[9][10] Károly Holecz schrieben in Prekmurisch.

Zwischen dem Standardslowenischen und dem Prekmurischen bestehen große Unterschiede in Lexik, Morphologie und Phonetik. Bis 1919 war Prekmurisch im Sprachgebiet Unterrichtssprache in den Schulen, bis 1945 wurde es teilweise in der Presse verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Name

Die Sprecher des Prekmurischen nennen sich seit Jahrhunderten Slovenci oder Slovénge und ihre Sprache slovenski jezik. Von den Magyaren werden sie tótok genannt, der Landstrich heißt Tótság (Szlovenszka okroglina). Im 18. und 19. Jahrhundert nannten die prekmurischen Schriftsteller ihre Sprache sztári szlovenszki jezik („alte slowenische Sprache“), in der Wissenschaft wurde sie meist „vandalische Sprache“ (lingua vandalicus, vandalus nyelv, vandalszki jezik, vandalszka vüszta) genannt.

Im 19. Jahrhundert setzten sich in Ungarn aus politischen Gründen die Bezeichnungen Vend, Vendvidék und Vend nyelv durch. Ab 1919 wird der Dialekt der nunmehr großteils mit dem übrigen slowenischen Sprachgebiet vereinigten Region als „Prekmurisch“ bezeichnet.

Sprachverwandtschaft

Der prekmurische Dialekt gehört zur Gruppe der pannonischen Dialekte (slowenisch panonska narečna skupina), die auch ostslowenische Dialektgruppe (vzhodnoslovenska narečna skupina) genannt wird und eine der sieben Dialektgruppen des Slowenischen bildet.

Das Prekmurische ist sehr nahe mit der kajkavischen Dialektgruppe des Kroatischen verwandt. Diese sprachlichen Gemeinsamkeiten wurden unter anderem dadurch noch verstärkt, dass schon seit dem Mittelalter die meisten prekmurischen Priester (sowohl katholische als auch evangelische) in Kroatien ausgebildet wurden, hauptsächlich in Zagreb und Varaždin. Die katholischen Kirchengemeinden des südlichen Prekmurje gehörten bis 1777 zum Bistum Zagreb, sodass ausschließlich kajkavische Mess- und Gesangsbücher verwendet wurden. Bereits im „alten Gesangbuch von Martjanci“ (Sztára Martyanszka peszmaricza) sind die Einflüsse des Kroatischen und Burgenlandkroatischen gut ersichtlich. Die Flexion und die Aussprache weist, ähnlich wie im Kroatischen, eine kleine Deflexion auf. Zum Beispiel heißt „in Ungarn“ auf Prekmurisch v Vogrskoj, im Standardslowenischen na Madžarskem, im Kroatischen u Ugarskoj/Mađarskoj; „Wörterbuch der slowenischen Sprache“ heißt auf Prekmurisch rejčnik slovenskoga jezika, auf Slowenisch slovar slovenskega jezika und auf Kroatisch rječnik slovenskoga jezika.

Prekmurisch Slowenisch Kroatisch Deutsch
jákost moč jakost Kraft
vapno apno vapno Kalk
istino res istino Wahrheit
divojka dekle djevojka Mädchen

Rund 50 % des prekmurischen Wortschatzes unterscheiden sich vom Standardslowenischen.

Prekmurisch Slowenisch Deutsch
pörgar meščan Bürger
sledkar pozneje, kasneje später
vöra ura Uhr
stüdenec studenec Brunnen

Im Prekmurischen existieren auch die Vokale ü und ö, die im Standardslowenischen nicht vorkommen. Auch die Verwendung der Diphthonge au oder ou, die in der Standardsprache nicht vorkommen, ist verbreitet.

Prekmurisch Slowenisch Deutsch
Boug Bog Gott
pout pot Weg
roubar ropar Räuber
spougnji spodnji unter

Im Prekmurischen gibt es den Laut lj, der im Standardslowenischen sehr häufig vorkommt, nicht.

Prekmurisch Slowenisch Deutsch
králestvo kraljestvo Königreich
lüdstvo ljudstvo Volk
prijátel prijatelj Freund
živlénje, žítek življenje Leben

Zum Vergleich das Vaterunser auf Slowenisch, Prekmurisch, Kroatisch und Burgenlandkroatisch:

Slowenisch Prekmurisch[11] Kroatisch Burgenlandkroatisch[12]
Oče naš, ki si v nebesih,

posvečeno bodi tvoje ime,
pridi k nam tvoje kraljestvo,
zgodi se tvoja volja
kakor v nebesih tako na zemlji.
Daj nam danes naš vsakdanji kruh
in odpusti nam naše dolge,
kakor tudi mi odpuščamo svojim dolžnikom,
in ne vpelji nas v skušnjavo,
temveč reši nas hudega. Amen.

Oča naš, ki si vu nebésaj!

Svéti se Ime tvoje.
Pridi králestvo tvoje.
Bojdi vola tvoja,
kak na nébi, tak i na zemli.
Krüha našega vsakdanéšnjega daj nam ga dnes.[13]
I odpüsti nam duge naše,
kak i mi odpüščamo dužnikom našim.
I ne vpelaj nas vu sküšávanje.
Nego odslobodi nas od hüdoga. Amen.

Oče naš, koji jesi na nebesima,

sveti se ime tvoje,
dođi kraljevstvo tvoje,
budi volja tvoja,
kako na nebu tako i na zemlji.
Kruh naš svagdanji daj nam danas,
i otpusti nam duge naše,
kako i mi otpuštamo dužnicima našim,
i ne uvedi nas u napast,
nego izbavi nas od zla. Amen.

Oče naš, ki si na nebesi,

sveti se ime tvoje,
pridi kraljevstvo tvoje,
budi volja tvoja,
kako na nebu tako i na zemlji.
Kruh naš svakidanji daj nam danas,
i otpusti nam duge naše,
kako i mi otpušćamo dužnikom našim,
i ne zapeljaj nas u skušavanje,
nego oslobodi nas od zla. Amen.

Alphabetbuch von Mihály Bakos
Prijátel („Freund“), prekmurische Zeitung von Imre Augustich (1876)
Peter weint, weil er Jesus lossagt; Judas gereut sein Verrat. Péter Kollár: Kleine Bibel mit Bilden (Mála biblia z-kejpami), 1898.

Geschichte

Die Proto-Slowenen wanderten um 550 nach Pannonien ein. Nach der Landnahme der Ungarn wurden die zwischen den Flüssen Raab und Mur lebenden Slowenen infolge der Einbeziehung ihres Siedlungsgebietes in den ungarischen Staat von den übrigen Slowenen isoliert. Dies trug dazu bei, dass sich im Lauf der Jahrhunderte die Sprachformen auseinanderentwickelten.

Im 16. Jahrhundert entstanden die ersten prekmurischen Schriften, z. B. das Gesangbuch von Martjanci. 1715 veröffentlichte der evangelische Priester Ferenc Temlin (geboren in Krajna) in Halle an der Saale (heute Sachsen-Anhalt, Deutschland) das erste prekmurische Buch Mali Katechismus, eine Übersetzung eines Teils von Martin Luthers Großem Katechismus. Im Jahr 1725 erschien anonym das erste prekmurische Alphabetbuch Abeczedarium Szlowenszko („slowenisches Alphabetbuch“). Das drittälteste überlieferte Werk auf Prekmurisch ist Réd zvelicsánsztva von Mihály Szever Vanecsai aus dem Jahr 1742.

Ein lutherischer Geistlicher, István Küzmics, übersetzte 1771 das Neue Testament (Nouvi Zákon) und legte damit das Fundament für die prekmurische Standardsprache. János Szily, Bischof von Steinamanger, vereinigte die Slowenen in den beiden Komitaten Vas und Zala und führte den Schulunterricht in prekmurischer Sprache ein. Mit seiner Unterstützung übersetzte Miklós Küzmics die katholische Bibel (Szvéti Evangyeliomi) und verfasste ein Alphabet- und Gebetbuch (Molitvena Kniga). Seine Bücher wurden mehrfach neu aufgelegt und das Alphabetbuch ABC Kni'zicza blieb bis 1868 das verbindliche Lehrbuch für das slowenischsprachige Gebiet Ungarns.

Miklós und István Küzmics und andere prekmurische Intellektuelle hielten es nicht für angebracht, die (krainisch dominierte) standardslowenische Literatursprache zu übernehmen, sondern zielten auf die Schaffung einer getrennten Literatursprache ab.[14] In der Folge führte der Schriftsteller, Dichter, Sprachforscher und Historiker József Kossics eine prekmurische Literatursprache ein und nahm dabei Anleihen beim Kajkavischen und dem steirischen slowenischen Dialekt (Krátki návuk vogrszkoga jezika za zacsetníke; Zobriszani Szloven i Szlovenka med Mürov in Rábov; Zgodbe vogerszkoga králesztva; Starine 'selesznih ino szalaszkih Szlovénczov). Der Dichter, Schriftsteller, Übersetzer und Journalist Imre Augustich versuchte später eine Annäherung an die Sprache des übrigen slowenischen Sprachgebiets. Augustich gründete die erste prekmurische Zeitung Prijátel („Freund“).[15] János Murkovics, Lehrer von Fellsdorf (Beltinci), schrieb 1871 das erste Lehrbuch im Gaj-Alphabet (Abecednik za katholičanske vesnič e šolé po velejnyi). József Szakovics und József Klekl erneuerten die Literatursprache im 20. Jahrhundert.

Subdialekte

  • Raabgebiet-Dialekt (Porabsko narečje, Bákerski guč/govor): um Szentgotthárd
  • Goričko-Dialekt (Goričko narečje, Gorički govor): nördliches Prekmurje und Cankova
  • Ravensko-Dialekt (Ravensko narečje, Rávénski govor), Murska Sobota und Rakičan
  • Soboško-Dialekt (Soboško narečje, Soboški govor), Murska Sobota
  • Dolinsko- oder Markovsko-Dialekt (Dolinsko/Markovsko narečje, Markiški govor), Rakičan und Lendava

Bibliographie

  • János Fliszár: Vogrszki-vendiski rêcsnik, 1922.
  • Vilko Novak: Slovar stare knjižne prekmurščine. Založba ZRC, Ljubljana, 2006. ISBN 961-6568-60-4.
  • József Szakovics (Hrsg.): Molitvena Kniga, Odobrena od cérkvene oblászti, 1942.
  • Marija Kozar: Etnološki slovar slovencev na Madžarskem. Monošter-Szombathely 1996. ISBN 963-7206-62-0.
  • Stalna Razstava: Pokrajinski Muzej Murska Sobota. Murska Sobota 1997. ISBN 961-90438-1-2.
  • Natalija Ulčnik: Začetki prekmurskega časopisja, Bielsko-Biała, Budapest, Kansas, Maribor, Praha, 2009. ISBN 978-961-6656-40-5
  • Ivan Škafar: Bibliografija prekmurskih tiskov od 1715 do 1919, Ljubljana 1978.
  • Franc Kuzmič: Bibliografija prekmurskih tiskov 1920-1945, Založba ZRC. Ljubljana 1999. ISBN 961-6182-78-1
  • Franci Just: Besede iz Porabja, beseda za Porabje, Franc-Franc Murska Sobota, 2003. ISBN 961-219-070-4
  • Franci Just: Med verzuško in pesmijo, Poezija Prekmurja v prvi polovici 20. stoletja, Franc-Franc Murska Sobota, 2000. ISBN 961-219-025-9

Einzelnachweise

  1. Á. Pável: Vend nyelvtan, 1942
  2. Založba ZRC, Slovar stare knjižne prekmurščine, Ljubljana 2006 (ISBN 961-6568-60-4).
  3. F. Kuzmič: Bibliografija prekmurskih tiskov. S. 7; Med verzuško in pesmijo. S. 72.
  4. Evangeličanska cerkvena pesmarica, Pomurski tisk Murska Sobota 1970; Spejvamo Gospodni - na hvalo in diko. Murska Sobota, Svobodna Binkoštna Cerkev, 1974; L. Kozar: Svete Pestmi, Solidarnost Murska Sobota 1996; J. Kühár: Hvalite Gospoda, Škofijski ordinariat v Mariboru 1994.
  5. Besede iz Porabja, besede za Porabje, 143. s.
  6. OTROŠTVO ONKRAJ BREGA
  7. Domača beseda - domanja rejč v Porabju
  8. Kafka namesto odhoda v disko (vecer.com)
  9. Porabska kultura na Vilenici
  10. Nov roman porabskega pisatelja Frančeka Mukiča (rtv.slo)
  11. Molitvena Kniga, Odobrena od cérkvene oblászti (1942). Zálozso Zvér János knigar v muraszombati, trétja izdaja.
  12. Kruh Nebeski (1976). molitvenik za hrvatski narod Gradišća, šesto izdanje.
  13. Oder gnes.
  14. Pokrajinski muzej Murska Sobota: Stalna razstava, Murska Sobota 1997 (ISBN 961-90438-1-2), S. 195–205.
  15. N. Ulčnik: Začetki prekmurskega časopisja 9. s.

Weblinks

 Commons: Prekmurische Sprache – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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