Radio City

Radio City

Radio City (auch Radio City 299 genannt) war ein von Reg Calvert 1964 gegründeter britischer Piratensender, der sich auf dem aufgegebenen Militärstützpunkt Shivering Sands in der Themsemündung befand. Er ging unmittelbar aus dem Piratensender Radio Sutch hervor, den Calvert zusammen mit dem Sänger Screaming Lord Sutch seit Mai 1964 betrieben hatte. Im Verlaufe von Besitzrechtsstreitigkeiten wurde Calvert 1966 von einem Widersacher erschossen. Eine Gesetzesänderung zwang den Sender 1967 zur Aufgabe.

Inhaltsverzeichnis

Gründung

Hauptartikel: Radio Sutch

Direkter Vorläufer von Radio City war der Sender Radio Sutch, den Reg Calvert in seiner Eigenschaft als Manager des Sängers Screaming Lord Sutch mit diesem gegründet hatte. Sutch und Calvert hatten zu diesem Zweck ein aufgegebenes Maunsell Fort aus dem Zweiten Weltkrieg namens Shivering Sands ohne Erlaubnis besetzt. Dieses befand sich seinerzeit außerhalb der britischen Hoheitsgewässer und war damit faktisch dem Zugriff britischer Behörden entzogen, obwohl die Anlage selbst formal der britischen Armee gehörte. Sutch verkaufte im Herbst 1964 seinen Anteil an Calvert, der daraufhin zum alleinigen Eigentümer wurde und den Sender in Radio City umbenannte. Calvert ergänzte die anfangs primitive technische Ausstattung des Senders und konnte so Reichweite und Wirkungsgrad verbessern.

Die Büroanschrift von Radio City lautete - wie die von Radio Sutch - 7 Denmark Street, London W. C. 2.[1] Es handelte sich dabei um die Adresse der Künsterlagentur King's Agency, die Calvert zusammen mit seinem Partner Terry King gegründet hatte.[2]

Frequenzen und Technik

Die ursprünglich primitivste Ausstattung von Radio Sutch, bestehend aus lediglich einem ausgemusterten Militärfunkgerät, einigen zusammengeschalteten Autobatterien, einem 24-Volt-Generator zum Aufladen,[3] einer Gerüststange als Antenne[4] und einem Plattenspieler, reichte knapp zum Empfang des Senders in den Küstenstädten von Kent und Essex aus. Mit zunehmender Entfernung nahm die Qualität des Signals stark ab. Lediglich nachts wurden auf Grund atmosphärischer Bedingungen bessere Reichweiten erzielt. Nachdem Calvert alleiniger Inhaber des Senders geworden war, baute er ihn weiter aus.

Ursprünglich wurde auf Mittelwelle, 187 Meter, gesendet. Sutch und Calvert hatten dazu den Werbeslogan „You're in heaven on one eight seven“ entwickelt. Nachdem der alte Sender durch einen leistungsstärkeren vom Typ General Electric TCJ-7 (Spitzname „Dicke Berta“) aus US-Marinebeständen ersetzt und um einen weiteren Sender Typ Cossor der Royal Air Force ergänzt worden war, sendete Radio City auf 188 und 299 Metern mit einer Leistung von 400 Watt.[5] Die Behelfsantenne wurde durch einen abgespannten Antennenmast ersetzt.

Der gestiegene Energiebedarf der Station wurde durch einen Lister JP3-Dieselgenerator gedeckt, der später durch einen weiteren Generator verstärkt wurde. Um die über eine Tonne schweren Aggregate in die Station hieven zu können, musste der vorhandene Lastkran umgebaut werden. Der benötigte Dieselkraftstoff wurde in 50-Gallonen-Fässern geliefert.[6] Die in der Station vorhandenen starken Generatoren konnten nicht verwendet werden, da 1963 der Geschützturm G4 bei einer Kollision mit einem Schiff zerstört wurde, so dass die Verbindung zur Scheinwerferplattform, die die Generatoren beherbergte, unterbrochen war.

Mit der verbesserten Technik konnte Radio City in Südostengland einschließlich London gut empfangen werden. Die Abdeckung entsprach der einer landgestützten Sendestation. Die Port of London Authority führte häufig Beschwerde darüber, dass der Sender die Funkverbindung zu ihrer automatischen Gezeitenmessanlage auf dem benachbarten Scheinwerferturm stören würde.

Programm

Das Programm von Radio City war zum großen Teil mit dem von Radio Sutch identisch, es wurde populäre Musik, Rock 'n' Roll, Pop, Blues, gesendet, die vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk der BBC ignoriert wurde. Der Sender finanzierte sich durch Werbung und religiöse Programme.

Personal

Als Betrieb von Radio City war die gesamte Familie Calvert beteiligt, Calverts minderjährige Töchter dürften die jüngsten DJs überhaupt gewesen sein. Ferner waren u. a. Chris Cross und der Holländer Martin Green tätig. Manager der Station war Eric K. Martin. Als Techniker fungierten Don Witts und der Funkamateur Phil Perkins, der zuvor bei Radio Invicta auf Red Sands mitgewirkt hatte und als DJ gelegentlich unter dem Pseudonym Tony Silver auftrat.[4] Ein weiterer Techniker war Paul Elvey (Generatorentechnik, zugleich DJ).[3]

Fusionspläne und Tod Calverts

Ende 1965 begann Reg Calvert Fusionsgespräche mit verschiedenen Parteien zu führen. So hatten die Betreiber von Radio Caroline die Absicht, sich ebenfalls auf Shivering Sands niederzulassen. Unter anderem wurde ins Auge gefasst, die Sender zu fusionieren und Shivering Sands als gemeinsame Relaisstation zu verwenden, um eine noch höhere Abdeckung Englands zu erreichen. Zu diesem Zweck wurde ein leistungsstarker Sender beschafft und nach Shivering Sands geliefert, von den dortigen Technikern aber für unbrauchbar befunden. Er verblieb ungenutzt in der Station. Die Gespräche stagnierten.

Anfang 1966 beschloss Calvert, zusammen mit Wonderful Radio London (auch als Big L bekannt) den Sender United Kingdom Good Music (UKGM) zu gründen. Die bevorstehende Fusion wurde jedoch erst unmittelbar vor ihrer Durchführung bekanntgegeben, was zu einem tödlichen Streit mit Calverts ursprünglichen Verhandlungspartnern führte.

In der Nacht zum 19. oder 20. Juni 1966 - die Angaben sind widersprüchlich - drangen Dockarbeiter in die Sendestation ein, die von Oliver Smedley, einem Interessenten an Radio Caroline, angeheuert worden waren. Die Eindringlinge drohten, den Sendemast zu kappen und ins Meer zu werfen, demontierten Teile der Sendeanlage, womit sie Radio City außer Betrieb setzten, und hielten den Sender besetzt. Am nächsten Tag forderte Smedley von Calvert die Unterzeichnung eines Vertrags, nach dem er fünfzig Prozent der Einnahmen der neuen Station an ihn abtreten sollte. Calvert wandte sich an die Polizei, die sich jedoch für unzuständig erklärte. Am 21. Juni 1966 stürmte Calvert in Smedleys Haus, es kam zu Handgreiflichkeiten, in deren Verlauf Smedley seinen Kontrahenten erschoss. Smedley wurde festgenommen.[7]

Obwohl sich die Polizei mit Hinweis auf die geografische Lage und die Eigentümerschaft des Militärs zunächst nicht zuständig fühlte, wurden auf Shivering Sands Ermittlungen aufgenommen. Polizeibeamte befragten das Radio-City-Personal sowie die noch immer im Fort befindlichen Besetzer, ohne jedoch gegen diese vorzugehen. Die Besetzer räumten das Fort am 26. Juni 1966 freiwillig.

Oliver Smedley wurde vom Vorwurf des Mordes freigesprochen. Das Gericht urteilte, er habe in Notwehr gehandelt.

Aufgabe des Senders

Nach Calverts Tod führte seine Witwe Dorothy den Sender weiter, bis sie aus rechtlichen Gründen 1967 gezwungen wurde, ihn einzustellen. Dorothy Calvert wurde am 8. Februar vor das Gericht von Southend geladen, das ihre Argumentation, der Sender befinde sich außerhalb britischen Territoriums, unterliege daher nicht den britischen Rundfunkgesetzen, und das Gericht sei aus dem gleichen Grund nicht zuständig, verwarf. Am 9. Februar 1967, 0 Uhr, stellte Radio City seinen Sendebetrieb endgültig ein.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Briefkopf oben links
  2. Bob Le-Roi: Call Up The Groups. private Webseite, abgerufen am 22. Februar 2011.
  3. a b Radio City "the tower of power"; PART TWO: THE REQUEST STATION OF THE NATION. Abgerufen am 27. Februar 2011.
  4. a b Bob Le-Roi: Radio Sutch & City in Pictures & Audio Part 1. 31. März 2010, abgerufen am 27. Februar 2011.
  5. Bob Le-Roi: Radio Sutch & City in Pictures & Audio Part 4. 28. August 2009, abgerufen am 27. Februar 2011.
  6. Bob Le-Roi: Radio Sutch & City in Pictures & Audio Part 2. 22. Januar 2009, abgerufen am 27. Februar 2011.
  7. P. R. Willet: Radio City (Radio Caroline) Dokumentation, Datum unbekannt, veröffentlicht auf Youtube. Abgerufen am 9. Februar 2011.

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