Reichstagswahl November 1933

Reichstagswahl November 1933

Die Reichstagswahl vom 12. November 1933 fand zugleich mit der Volksabstimmung über den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund statt. Vorangegangen war die Ausschaltung der politischen Gegner des Nationalsozialistischen Systems. Zugelassen war nur eine nationalsozialistisch dominierte Einheitsliste. Wahl und Abstimmung erbrachten, wie von der Regierung beabsichtigt, eine deutliche Zustimmung.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Propagandaplakat vor der Wahl

Innenpolitisch war die Zeit seit der Reichstagswahl von März 1933 von der Ausschaltung der politischen Gegner des Nationalsozialismus geprägt. Die letzte Sitzung des im März 1933 gewählten Reichstages fand am 17. Mai statt. Danach wurde das Parlament aufgelöst. Die KPD war bereits zerschlagen, die SPD wurde im Juni verboten. Die anderen Parteien hatten sich wie das Zentrum mehr oder weniger freiwillig aufgelöst. Im Juli wurde ein Gesetz gegen die Neubildung von Parteien erlassen, damit war die NSDAP die einzige legale politische Organisation.

Von einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung wurde die Ausschaltung der politischen Parteien hingenommen, und die Zerschlagung der marxistischen Parteien von SPD und vor allem der KPD wurde sogar vielfach begrüßt.

Der NSDAP war es in dieser Zeit gelungen, alle propagandistischen Einflussmöglichkeiten für sich zu gewinnen. Für das Regime positiv zu Buche schlug vor allem das allmähliche Ende der Weltwirtschaftskrise. Der beginnende Rückgang der Arbeitslosenzahlen wurden der Regierung zugeschrieben.

In außenpolitischer Hinsicht konnte Hitler dagegen bis dahin wenig Erfolge aufweisen. Sein Regime war außenpolitisch weitgehend isoliert. Dies zeigte sich auf der Genfer Abrüstungskonferenz. Stand Deutschland 1932 kurz davor, militärisch gleichberechtigt zu werden, war davon nunmehr keine Rede mehr. Stattdessen schlug Großbritannien eine Kontrollsystem vor, um die deutsche Aufrüstung zu kontrollieren. Daraufhin ließ Hitler die Abrüstungsverhandlungen abbrechen und veranlasste den Austritt aus dem Völkerbund. Dieser Schritt war in weiten Kreisen populär. Selbst Martin Niemöller schickte Hitler dazu ein begeistertes Glückwunschschreiben.[1] Der Austritt aus dem Völkerbund sollte durch eine Volksabstimmung legitimiert werden. Dabei war der Zeitpunkt nicht zufällig gewählt, sondern der 11. November war der Jahrestag, an dem 1918 der Waffenstillstand unterzeichnet wurde. Dieses Datum galt vielen als ein Tag der nationalen Schande.

Gleichzeitig fanden Reichstagswahlen statt. Traten im März 1933 noch verschiedene Parteien an, war diesmal nur eine nationalsozialistisch dominierte Einheitsliste zugelassen. Die Liste wurde vom Reichsministerium des Innern in Zusammenarbeit mit der NSDAP aufgestellt. Selbstverständlich machten die Nationalsozialisten die größte Gruppe der Bewerber aus. Aber es wurden auch ehemalige Angehörige von DNVP, DVP, Zentrum oder BVP aufgestellt, um eine gewisse Pluralität vorzutäuschen.

Wahlkampf

Litfaßsäule mit einem Wahlplakat der NSDAP, November 1933

Das Regime warb mit allen Mitteln der Propaganda um Zustimmung. Die Partei warb mit dem Slogan „Mit Hitler gegen den Rüstungswahnsinn“.[2] Unterstützt wurde die Regierung dabei von führenden Personen des öffentlichen Lebens. Am 11. November forderte Reichspräsident Paul von Hindenburg in einer seiner seltenen Radioansprachen zur Zustimmung auf. Unterstützung kam auch von Ferdinand Sauerbruch, Martin Heidegger und Gerhart Hauptmann. Auch die Spitzen der Wirtschaft und der Kirchen riefen zur Abstimmung auf. Im Fall der katholischen Kirche trug der Abschluss des Reichskonkordats dazu bei, dass die Bischöfe zur „freudigen Stimmangabe für den Führer“ aufriefen.[3] Auch Gegner des Regimes sprachen sich zumindest hinsichtlich der Volksabstimmung für eine Zustimmung aus, weil sie damit eine nationale Außenpolitik unterstützen wollten.[4]

Wahl und Ergebnisse

Formal lief die Wahl im Wesentlichen korrekt ab, und das Wahlgeheimnis blieb offiziell gewahrt. Auf der lokalen Ebene sah dies häufig anders aus. In den Wahllokalen waren Hitlerbilder oder Hakenkreuzfahnen aufgehängt. Die SA durfte die Wahllisten einsehen und organisierte einen Wahlschleppdienst, der Wähler an die Urnen holte. Aber auch wo kein Druck auf die Wähler ausgeübt wurde, hatten diese vielfach kein Vertrauen in das Wahlgeheimnis. Viele waren eingeschüchtert oder sahen keine Alternative zu einem zustimmenden Votum. Aber es war bei dieser Abstimmung insgesamt noch ohne größeres Risiko möglich, mit nein zu stimmen, eine ungültige Stimme abzugeben oder der Wahl fern zu bleiben.

Dennoch geht man davon aus, dass wegen des Fehlens einer systematischen Wahlbeeinflussung die Ergebnisse tatsächlich im Kern die Zustimmung eines großen Teils der Bevölkerung zum Regime widerspiegeln.[5] Die Wahlbeteiligung war mit 95,2 % extrem hoch. Die Volksabstimmung erbrachte eine Zustimmung von 95,1 % für den Austritt aus dem Völkerbund. Dies entsprach 89,9 % der Wahlberechtigten. Etwas niedriger war mit 92,1 % das Ergebnis für die Einheitsliste.

Nicht ganz zu Unrecht konnte das Regime darin eine Bestätigung des politischen Kurses sehen. Selbstverständlich hat die Propaganda und der politische Terror das ihrige zu dem Ergebnis beigetragen; aber es kann kein Zweifel daran bestehen, dass ein Großteil der Wähler hinter der Regierung stand. Aber daneben zeigte sich auch, dass es noch immer eine beträchtliche Anzahl von Gegnern des Regimes gab. Vor allem in den Hochburgen der zerschlagenen Arbeiterparteien und in Quartieren mit einem hohen jüdischen Bevölkerungsanteil lag die Zahl der Gegenstimmen nicht selten im zweistelligen Bereich. Eine Hochburg der Ablehnung war Lübeck mit etwa 22 % Gegenstimmen. In Altona lag die Zustimmung bei 77,4 %, in Hamburg bei 78,1 %, in Berlin bei 78,6 %, in Bremen bei 79,6 % und in Leipzig bei 79,8 %. Dabei ist zu bedenken, dass in Großstädten die soziale Kontrolle weniger ausgeprägt war als in Kleinstädten und auf dem Land. Gleichwohl ist es bemerkenswert, dass ein Fünftel bis ein Drittel der Wähler dem Regime seine Zustimmung verweigerten.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Band 4. München 2003, S. 804.
  2. Kurt Bauer: Nationalsozialismus: Ursprünge, Anfänge, Aufstieg und Fall. Wien u.a. 2008, S. 234.
  3. Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Band 4. München 2003, S. 813.
  4. Gerhard Schulz: Permanente Gleichschaltung des öffentlichen Lebens und Entstehung des nationalsozialistischen Führerstaats in Deutschland. In: Derselbe (Hrsg.): Die große Krise der dreißiger Jahre. Göttingen 1985, S. 85.
  5. Hans-Ulrich Wehler: Der Nationalsozialismus. München 2009, S. 72.

Literatur

  • Gerhard Schulz: Deutschland seit dem Ersten Weltkrieg 1918–1945 Göttingen 1982, S. 144–145.
  • Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Bd. 2, Bonn 2005, S. 32f.

Weblinks


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