St. Abdon und Sennen (Ringelheim)

St. Abdon und Sennen (Ringelheim)
St. Abdon und Sennen, Nordseite
Portalgiebel
Inneres nach Osten

St. Abdon und Sennen ist eine katholische Kirche in Salzgitter-Ringelheim. Zusammen mit Schloss Ringelheim bildet sie den Gebäudekomplex des ehemaligen Benediktinerklosters Ringelheim.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Kanonissenstift

Kirche und Kloster gehen auf eine Stiftung des Immedinger Grafen Immat zurück, die König Otto I. im Jahr 940 mit einer Schutzurkunde bestätigte. Das Frauenkloster erhielt das seltene Patrozinium sowie Reliquien der heiligen Abdon und Sennen, zweier persischer „Unterkönige“, die um 250 in Rom das Martyrium erlitten. Bis 1150 war Ringelheim ein reichsunmittelbares Kanonissenstift.

Um 1000 war Judith Äbtissin von Ringelheim. Sie war eine Schwester Bischof Bernwards von Hildesheim. Bernward stiftete, möglicherweise aus Anlass ihres Todes, dem Kloster das Ringelheimer Kreuz, eine monumentale Holzplastik des gekreuzigten Christus von einzigartigem Rang.

Benediktinerabtei

Nach einer Zeit des Niedergangs übergab König Konrad III. das Kloster 1150 dem Hochstift Hildesheim. Zu dieser Zeit war offenbar kein lebensfähiger Kanonissenkonvent mehr vorhanden. Bischof Bernhard entsandte Mönche aus dem Hildesheimer Michaelskloster und wandelte Ringelheim in eine Benediktinerabtei um. Diese erlebte eine zweihundertjährige Blütezeit, bis sie im 14. Jahrhundert in Schwierigkeiten geriet. Mitte des 15. Jahrhunderts schloss sie sich der Bursfelder Reformkongregation an.

Reformation

Als Folge der Stiftsfehde (1519–1523) verlor der Hildesheimer Bischofsstuhl einen Großteil seines Territoriums, darunter auch Ringelheim, an Braunschweig-Lüneburg. Unter Herzog Julius wurde 1570 die Reformation durchgeführt. Das Kloster Ringelheim blieb als Körperschaft unter lutherischen Äbten bestehen, die Gebäude verwahrlosten jedoch.

Benediktinerabtei Ringelheim, idealisierte Darstellung um 1720

Benediktinerabtei

1643 wurde das Hochstift Hildesheim in den Grenzen von 1519 wiederhergestellt. Bischof Ferdinand von Bayern besiedelte das inzwischen verfallene Ringelheimer Kloster wieder mit Mönchen von St. Michael. In den folgenden Jahrzehnten entstand das bis heute weitgehend erhaltene Gebäudeensemble.

Säkularisation

Nach der Säkularisation 1803 kam Ringelheim an Preußen. Park und Konventsgebäude wurden in Privathand verkauft (siehe Schloss Ringelheim). Die Kirche wurde katholische Pfarrkirche. Heute gehört sie zur Pfarrei St. Marien, Salzgitter-Bad.

Architektur

Die im 10. Jahrhundert erbaute vorromanische Kirche war eine dreischiffige Basilika ohne Querhaus. Sie besaß einen Westturm mit einer pyramidenförmigen Haube sowie zwei Kapellen. Diese und der Turm wurden nach einem Brand 1596 abgerissen. 1485–1504 wurde die Klosterkirche um einen spätgotischen Chor erweitert.

Nach der Rückkehr der Benediktiner wurden Langhaus und Chor 1694 erhöht. Das Langhaus erhielt ein neues Dach mit Spitzgauben und am Übergang zum Chor einen achteckigen Dachreiter mit Laterne. An der Stelle des alten Westturms entstand 1730 die barocke Schaufassade, die heute der augenfälligste Teil des Außenbaus ist. Sie ist wie der ganze Bau weiß verputzt und mit steinsichtigen Querbändern und Kanten in zwei Wand- und zwei Giebelgeschosse gegliedert, von denen das unterste fast die halbe Gesamthöhe einnimmt. In ihm befindet sich das Portal, das von Pilastern und Architrav gerahmt ist und über dem die Figur der Muttergottes mit Kind steht, flankiert von den heiligen Benedikt und Scholastika. Das obere Wandgeschoss enthält drei rechteckige Fenster. Der Giebel ist mit Voluten und geschwungener Bogenkrönung, Obelisken und Vasen, verschiedenförmigen (Schein-)Fenstern, einer Uhr mit blauem Zifferblatt und einem darüber stehenden Kreuz reich gestaltet.

Ausstattung

Raumgestaltung

Das Kircheninnere präsentiert sich in der frühklassizistischen Gestalt, die es unter dem letzten Abt Godehard Arnold (1794–1803) erhielt. Es ist eine hohe und langgestreckte Halle mit schmalen Bogendurchgängen zu den Seitenschiffen. Über diesen zieht sich durch die ganze Raumlänge ein Stuckgebälk, das das Untergeschoss von einer „Himmelszone“ trennt. Der flachen Decke mit Stichkappen über den Fenstern fehlt eine – wahrscheinlich ursprünglich geplante – Bemalung. Die großen rundbogigen Obergadenfenster sind klarverglast und geben reichlich Licht. Wände und Decke sind weiß gefasst. Die Pilaster enden in reich stuckierten Scheinkapitellen. Der Chor setzt das Mittelschiff in voller Breite und Höhe fort. Er ist durch zwei schräg aufgestellte Seitenaltäre und unter der Decke durch einen flachrunden Mauerbogen vom Langhaus abgesetzt.

Hochaltar

Im Zentrum der Raumperspektive steht der barocke Hochaltaraufbau im Chorschluss. Er entstand um 1700. Seine Basis ist armartig verbreitert und trägt an den Enden die Statuen der Kirchenpatrone Abdon und Sennen, dargestellt als Könige mit Krone, Zepter und Schwert sowie mit ihren Märtyrerattributen, einem Bären und einem Löwen. Das Retabel besteht aus zwei säulen-, gebälk- und zierwerkgerahmten Stockwerken. Das untere zeigt im Altarbild die Geburt Christi (J. A. Pöttinger, Hildesheim, 1801) und zwischen den Rahmensäulen die Statuen der benediktinischen Patrone Benedikt und Scholastika, die auch über dem Außenportal erscheinen. Im oberen, schmaleren Stockwerk sind als Bild die Anbetung der Hirten, als flankierende Statuen die heiligen Bischöfe Bernward und Blasius zu sehen. Die Altarbekrönung bildet das Lamm Gottes mit Kreuzesfahne und Strahlenkranz zwischen zwei knienden Engeln.

Kanzel und Seitenaltäre

Die reich ornamentierte Kanzel vom Ende des 18. Jahrhunderts ist mit lebhaften Figuren der vier Evangelisten geschmückt. Den mit Putten besetzten Schalldeckel krönt der auferstandene Christus mit dem Kreuz.

St. Abdon und Sennen verfügt über vier Seitenaltäre. Am Choreingang stehen rechts der Christusaltar mit einem Dreifaltigkeitsbild und Statuen der heiligen Franz von Assisi und Antonius von Padua, links der Marienaltar mit einem Gemälde der Himmelfahrt Mariens und Statuen der heiligen Margareta und Katharina. Beide Nebenaltäre stammen aus dem späten 18. Jahrhundert.

Zwei weitere, gut hundert Jahre ältere figurenreiche Seitenaltäre stehen in den Ostabschlüssen der Seitenschiffe. Der nördliche enthält anstatt eines Gemäldes eine spätgotische holzgeschnitzte und farbig gefasste Pietà.

Kopie des Ringelheimer Kreuzes über dem Zelebrationsaltar

Ringelheimer Kreuz

Das neben mehreren barocken Kelchen und Monstranzen bedeutendste Stück des Kirchenschatzes von St. Abdon und Sennen ist das Ringelheimer Kreuz, die Stiftung Bischof Bernwards um das Jahr 1000. Der Christuskorpus aus Linden- und Eichenholz – das Kreuz selbst ist nicht mehr vorhanden – ist 1,62 m hoch und von ungewöhnlicher Lebendigkeit und Ausdruckskraft. Im kunstgeschichtlichen Rang für seine Zeit wird ihm nur das Kölner Gerokreuz an die Seite gestellt. Das Original befindet sich seit einer umfassenden Konservierungsmaßnahme 1993 als Dauerleihgabe im Dommuseum Hildesheim. Für St. Abdon und Sennen schuf Hans Kazzer (München) 1993/94 eine Kopie, die die ursprüngliche Gestalt des Kreuzes einfühlsam rekonstruiert. Sie hängt als Triumphkreuz über dem Zelebrationsaltar.

Orgel

Die Orgel mit 32 Registern gehört zu den Hauptwerken des barocken Orgelbaus im niedersächsischen Raum. Sie wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts wahrscheinlich von dem Einbecker Orgelbaumeister Andreas Schweimb geschaffen und bis zum Ende des 18. Jahrhunderts akustisch und optisch modernisiert. Nach verschiedenen Restaurierungsmaßnahmen des 19. und 20. Jahrhunderts gleicht sie heute wieder weitgehend dem spätbarocken Zustand. Der weiß-goldene, reich verzierte Prospekt mit schwarzen Gebälken nimmt über dem Westportal die ganze Breite des Mittelschiffs ein. Bekrönt wird er von der Figur König Davids mit der Harfe, umgeben von musizierenden Engeln.

In St. Abdon und Sennen finden seit 1989 alljährlich im Mai an vier Sonntagen die Ringelheimer Orgeltage mit namhaften Organisten statt.

Literatur

  • Karl Bernhard Kruse, Monika Tontsch: St. Abdon und Sennen Salzgitter-Ringelheim. Schnell Kunstführer Nr. 2184, Regensburg 1995

Weblinks

 Commons: St. Abdon und Sennen (Ringelheim) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
52.0350710.31107

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Abdon und Sennen — († um 250 n. Chr.) waren zwei persische Märtyrer unter Kaiser Decius. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Literatur 3 Weblinks 4 Einzelbelege …   Deutsch Wikipedia

  • Ringelheim — Stadt Salzgitter Koordinaten …   Deutsch Wikipedia

  • Schloss und Park Ringelheim — 52.03455555555610.310972222222 Koordinaten: 52° 2′ 4″ N, 10° 18′ 39″ O …   Deutsch Wikipedia

  • Salzgitter-Ringelheim — Ringelheim Stadt Salzgitter Koordinaten …   Deutsch Wikipedia

  • Schloss Ringelheim — 52.03455555555610.3109722222227Koordinaten: 52° 2′ 4″ N, 10° 18′ 39″ O …   Deutsch Wikipedia

  • Salzgitter-Ringelheim — Infobox German Location Subdivision name = german name = Ringelheim image photo = Schloss Ringelheim.jpg image caption = Castle Ringelheim, Salzgitter, Germany of city coa = Coat of arms of Salzgitter.svg type = Quarter article = of of city =… …   Wikipedia

  • Watenstedt-Salzgitter — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Salzgitter — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Andreas Schweimb — (* 1654 in Dedeleben bei Halberstadt; getauft am 22. November 1654; † 31. Januar 1701; begraben am 13. Februar 1701 in Einbeck) war ein Orgelbaumeister der Barockzeit. Er wirkte im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts in Einbeck. Orgeln aus… …   Deutsch Wikipedia

  • Orgellandschaft Südniedersachsen — Schweimb Orgel in Lamspringe (1696) Die Orgellandschaft Südniedersachsen umfasst das Gebiet der Landkreise Goslar, Göttingen, Hameln Pyrmont, Hildesheim, Holzminden, Northeim und Osterode am Harz sowie die Stadt Salzgitter. Über 70 historische… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”