Choralkantate

Choralkantate

Die Kantate (lat. cantare = „singen“) bezeichnet in der Musik eine Formenfamilie von mehrsätzigen Werken für Gesangsstimmen und Instrumentalbegleitung. Rezitative, Arien, Ariosi, Chorsätze, Choräle und instrumentale Vor- und Zwischenspiele können sich in beliebiger Anzahl abwechseln. Ihre größte Bedeutung erlangte die Kantate in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Es gibt geistliche und auch weltliche Kantaten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Frühbarock

Als unerhörte und im kirchlichen Bereich zunächst umstrittene Neuerung galt die begleitete Monodie des Frühbarock. Im 17. Jahrhundert bildete sich auf dieser Grundlage das Geistliche Konzert heraus, das auch (der Motetten-Tradition der Renaissance folgend) mehrteilig sein und verschieden besetzte Abschnitte aufweisen konnte. Die mehr textorienterten und formal freieren Ausprägungen der Monodie entwickelten sich zum Rezitativ, die gesanglich-lyrischen zur Arie. Die für die Kantaten kennzeichnende Satzfolge aus voneinander abgesetzten Einzelstücken entwickelte sich besonders deutlich in den Werken des Komponisten Wolfgang Carl Briegel und verbreitete sich bald im gesamten mitteldeutschen Raum.

Barock

Die berühmtesten Kantaten-Komponisten des Barock sind Dietrich Buxtehude, Johann Sebastian Bach (siehe Bach-Kantaten) und Georg Philipp Telemann (siehe Telemann-Kantaten), die Kantaten vorwiegend, aber nicht ausschließlich für den kirchlichen Gebrauch komponierten.

Die deutsche Kirchenkantate entstand für den lutherischen Gottesdienst, wo sie dem Evangelium folgte oder - bei zweiteiligen Werken - die Predigt umrahmte.[1]. Sie wurde als Wortverkündigung durch Musik verstanden, in zweiter Linie auch als Lobopfer. Daher war die möglichst eindringliche Textdeklamation bestimmend für ihre Entwicklung (siehe Geschichtsabschnitt).

Eine typische Kirchenkantate aus der Zeit J. S. Bachs besteht aus:

Als Textgrundlage dienten Bibeltexte bzw. Paraphrasen über diese sowie freie zeitgenössische Dichtung.

Eine besondere Form ist die Choralkantate, der der Text und in der Regel auch die Melodie eines Chorals zugrunde liegt. In der Regel ist hier der Anteil der Chorsätze größer als bei anderen Kantaten. Den Extremfall stellt die „Per-omnes-versus“-Kantate dar, in der alle Strophen eines Chorals in den verschiedenen Sätzen verarbeitet werden.

Ebenfalls wichtig war die Solo-Kantate für nur eine Singstimme und Begleitung durch Continuo oder Orchester. Diese Form kam auch im weltlichen Bereich häufig vor.

Größere Formen wie Passionen und Oratorien sind prinzipiell gesehen nur besonders lange, vielsätzige Kantaten.

Klassik und Romantik

Nach einem Schattendasein in der Wiener Klassik wurde die Kantate in der Musik der Romantik vereinzelt neu aufgegriffen, so von Felix Mendelssohn Bartholdy („Lobgesang“) und anderen Komponisten der Epoche. Die Verbindung der Sinfonie mit Elementen der Kantate seit Beethovens 9. Sinfonie führte zur Entwicklung der Sinfoniekantate.

Ein typisches Werk der Spätromantik ist Mahlers 1880 vollendete weltliche Kantate Das klagende Lied mit überdimensionalem Orchester-, Chor- und Solisteneinsatz.

20. Jahrhundert

Im 20. Jahrhundert wurden noch einige Versuche gemacht, die Kantate in weniger aufwändiger Form für den kirchlichen Gebrauch weiterzupflegen, die jedoch angesichts des gewaltigen historischen Erbes ein Randdasein führten. Wesentlich für die Entwicklung der Gattung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist die große Kantate von Franz Schmidt: „Deutsche Auferstehung, ein festliches Lied für Soli, Chor, Orgel und Orchester“ (Text von Oskar Dietrich; komp.: 1938-39, unvollendet, fertiggestellt von Dr. Robert Wagner; Urauff: Wien, 1940), die mitten im Zweiten Weltkrieg erstmals erklang.

Bereits 1929 war die für das neue Medium Radio konzipierte Kantate „Lindberghflug“ (1929) von Bertolt Brecht (Text) sowie Kurt Weill und Paul Hindemith (Musik) entstanden, die auch Sende- und Motorengeräusche einbezog.

Zu erwähnen ist weiter das geistliche Kantatenschaffen von Johannes Driessler („Denn Dein Licht kommt“, op. 4, 1947); „Die Segnung der Freude“, op. 36,2 und andere Kantaten z. B. über die Offenbarung des Johannes), der nach dem Zweiten Weltkrieg der Gattung neue Impulse vermittelte. Mit expressiver Tonsprache arbeitet der Schweizer Willy Burkhard in seiner Kantate „Die Sintflut - Kantate nach dem Bericht aus dem 1. Buch Mose“ (1954/1955), die als A Cappella-Werk höchste Anforderungen an das Leistungsvermögen des gemischten Chores stellt. Mehr Sanglichkeit, aber nicht weniger ausdrucksstark sind auch die kirchlichen Kantaten von Bertold Hummel, Paul Ernst Ruppel und Rolf Schweizer, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden.

21. Jahrhundert

Auch im 21. Jahrhundert entstehen weiterhin neue Kantaten v. a. im kirchenmusikalischen Bereich, beispielsweise von Hans Georg Bertram, Helmut Barbe und Dieter Kanzleiter.

Anmerkungen

  1. Die Kirchenkantate hat ihren Platz im sonn- und festtäglichen Hauptgottesdienst, dem „Amt“, nach der Verlesung des Evangeliums und vor dem Gesang des Lutherschen Glaubensliedes „Wir glauben all an einen Gott“. War die Kantate zweiteilig, so wurde der zweite Teil nach Beendigung des Kanzeldienstes oder zur Austeilung des Abendmahls musiziert" (Alfred Dürr: „Die Kantaten von Johann Sebastian Bach“, Kassel usw. 1971, S. 36f.).

Siehe auch


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