Schatten (Psychologie)

Schatten (Psychologie)

Schatten ist in der Analytischen Psychologie von Carl Gustav Jung die Gesamtheit der individuell und kollektiv-unbewussten Dispositionen des Ichs. Es ist derjenige Persönlichkeitsanteil, den ein Mensch vor sich und anderen zu verbergen sucht.[1] Er wird auch zu den archetypischen Anteilen der Persönlichkeit gezählt und man bringt ihn ggf. mit den sog. minderwertigen Funktionen in Zusammenhang.[2]

Inhaltsverzeichnis

Das Motiv des Schattens in der Kunst

Abb. 1. Peter Schlemihls wundersame Geschichte; Radierung von George Cruikshank, 1827

Eine Reihe von Literaturstücken nimmt sich des psychologischen Themas entweder ausdrücklich oder auch indirekt an. So z. B. ausdrücklich in der Märchenerzählung Peter Schlemihls wundersame Geschichte von Adelbert von Chamisso, dem Märchen Der Schatten von Hans Christian Andersen oder indirekt in Goethes Faust. Die Schattenpersonen sind hier gleich mehrfach vertreten, vordergründig die Person von Mephisto, aber auch der Famulus Wagner als Vertreter der psychologischen Hilfsfunktionen (Abb. 2) und Gretchen sind als Schattenpersonen aufzufassen, wobei Gretchen psychologisch eher als Anima zu interpretieren wäre. Der tragische Verlauf der Gretchenerzählung macht hier auf die unheilsame Wirkung einer rigiden Spaltung beider Persönlichkeitsanteile aufmerksam. Nach Erich Neumann werden verdrängte Inhalte regressiv und verstärken sich negativ. Durch solche Regessionen werden primitivere Reaktionsformen belebt.[3]

Ichpsychologie

Abb. 2. Superiore und inferiore Funktionen:

Die hellen Zonen der Grafik kennzeichnen die superiore Funktion nach C.G. Jung (hier: willkürlich ausgewählt die „Empfindungsfunktion“ mit leichter Verschiebung zum Denken. Die dunkleren Zonen der Grafik repräsentieren die Hilfsfunktionen (hier: „Denken“ und „Fühlen“), die dunkelsten Zonen die inferioren Funktionen oder minderwertigen Funktionen (hier: „Intuieren“).

Carl Gustav Jung unterscheidet das Ich von Selbst. Das Ich vertritt die bewussten (hellen) Anteile, das Selbst die gesamte Psyche, also auch die unbewussten (dunklen) Anteile.[2]

Individuationsprozess

Der Individuationsprozess nach Jung ist der jedem Menschen aufgegebene Reifungs- und Entfaltungsprozess. Die erste Etappe nach Jolande Jacobi ist die Auseinandersetzung mit dem habituellen Einstellungstypus. Dies hat automatisch auch die Kenntnis der entgegengesetzten inferioren Funktion zur Folge, deren Entwicklung ebenfalls nicht unterbleiben darf, gerade dann, wenn sie nicht oder ungenügend bzw. nur „schattenhaft“ entwickelt ist. Die zweite Etappe ist die Auseinandersetzung mit den eher kollektiven Gesichtspunkten von Animus und Anima.[4] Durch Hinwendung der Aufmerksamkeit kann der Schatten bewusst gemacht werden.[1]

Literatur

  • Erich Neumann: Tiefenpsychologie und neue Ethik. 1964, Kindler-Verlag München, Ausgabe im Fischer-Taschenbuch-Verlag 1985, Reihe: Geist und Psyche, ISBN 3-596-42005-9; zu Stw. „Schatten“: Seiten 22, 25, 26, 27, 38, 44, 45, 47, 65, 70 f., 72 ff., 75 f., 84

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Uwe Henrik Peters: Lexikon Psychiatrie, Psychotherapie, Medizinische Psychologie. Urban & Fischer, München 62007; ISBN 978-3-437-15061-6; Seite 480
  2. a b Carl Gustav Jung: Psychologische Typen. Gesammelte Werke. Walter-Verlag, Düsseldorf 1995, Paperback, Sonderausgabe, Band 6, ISBN 3-530-40081-5, (a) §§ 268, 730; (b) § 730
  3. Erich Neumann: Tiefenpsychologie und neue Ethik. 1964, Kindler-Verlag München, Ausgabe im Fischer-Taschenbuch-Verlag 1985, Reihe: Geist und Psyche, ISBN 3-596-42005-9; zu Stw. „Regression“: Seite 36
  4. Jolande Jacobi: Die Psychologie von C.G. Jung. Eine Einführung in das Gesamtwerk. Mit einem Geleitwort von C.G. Jung. Fischer Taschenbuch, Frankfurt März 1987, ISBN 3-596-26365-4, Seite 109-124

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