Christen im Irak

Christen im Irak

Die Christen im Irak bilden unter den Religionsgemeinschaften im Irak von jeher nur eine religiöse Minderheit, die einer andersgläubigen Mehrheit, zunächst dem Zoroastrismus, seit dem 7. Jh. dem Islam, gegenübersteht. Kirchengeschichtlich entstammen sie überwiegend dem syrischen, daneben vor allem dem armenischen Christentum.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtliche Aspekte

Das Gebiet des heutigen Irak ist ein Land der Bibel, insbesondere in Bezug auf das Alte Testament. Das Paradies der Schöpfungsgeschichte und die Sintflut wird in einem Teil Mesopotamiens lokalisiert. Die Sippe Abrahams stammt aus der Gegend von Ur - dem früher sumerischen, sogenannten Chaldäa. Vor der Zeitenwende war dieser Name auch für Sterndeuter persischer oder zoroastrischer Herkunft gebräuchlich (siehe auch Stern der Weisen). Im Frühchristentum breitete sich das Christentum rasch über den ganzen Nahen Osten aus und führte auch im Sasanidenreich zu einer großen Zahl von Gemeinden unter der Leitung von Bischöfen. Oberster Bischof war der Katholikos, der in der Hauptstadt residierte, unter den Sasaniden in Seleukeia-Ktesiphon, in islamischer Zeit in Bagdad oder in bzw. bei Mosul. Innerkirchliche Auseinandersetzungen der Spätantike, Bevölkerungsbewegungen und neuzeitliche abendländische Unionsbemühungen führten zur Bildung konkurrierender Kirchengemeinschaften, die das heutige Bild des Christentums im Irak mitbestimmen.

Die christlichen Kirchen im Irak

Die wichtigsten heutigen Kirchenorganisationen sind:

Daneben gibt es im Irak mehrere Diasporagemeinden, darunter lateinische Katholiken und verschiedene protestantische Gruppierungen.

Siedlungsgebiete

Nach den Mongoleneinfällen zogen sich die Christen des heutigen Irak auf den Norden zurück, das Hakkari-Gebirge, Wohnsitz der semi-autonomen Assyrer-Stämme, und die Ebenen von Mossul und Urmia (Iran). Im Gefolge des 1. Weltkrieges wurde das Gebirge und das Gebiet um Urmia von Christen weitgehend entvölkert. Die Überlebenden flüchteten z. T. in das Ausland (Syrien, UdSSR, USA usw.). In der 2. Hälfte des 20. Jh. zogen die Christen des Irak zunehmend in die sicher scheinenden Städte, auch in die Hauptstadt Bagdad, das zu einem wichtigen Christenzentrum wurde, in dem sich auch die Kirchenführungen niederließen. Im Gefolge der jüngsten Irakkriege ist, neben Flucht oder Auswanderung in fremde Staaten, ein erneuter Rückzug in den nördlichen Landesteil zu beobachten.

Gegenwartslage

Unter dem Regime von Saddam Hussein hatte die Religionsfreiheit der Christen keinen schlechten Stand. Seiner Regierung gehörten auch christliche Minister wie der Chaldäer Tariq Aziz an. Die seit 2005 zunehmenden Kämpfe zwischen Schiiten und Sunniten sowie der islamistische Terrorismus im Irak machen aber nach Mitteilung chaldäisch-katholischer Bischöfe die dortige Lage der Christen immer bedrohlicher. Nach Schätzung des Weihbischofs Andreos Abouna sind von zuvor 1,4 Mio Christen jetzt nur noch 600.000 in ihren irakischen Heimatgebieten verblieben. Der Rest floh in die Nachbarländer Syrien und Jordanien, einige Gruppen auch in die Türkei, den Libanon und nach Europa. Erzbischof Louis Sako von Kirkuk teilt mit, lediglich im Kurdengebiet sei die Situation noch erträglich. „Es gibt dort Städte, in denen sich die Zahl der Christen innerhalb von drei Jahren verdoppelt hat“ (Christ in der Gegenwart 58, 2006, 370). Allerdings wird der Nordirak seit Mai 2007 vom deutschen Innenministerium nicht mehr als inländische Fluchtalternative für Christen aus dem Irak angesehen.

Andere Beobachter wie die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) zeichnen dagegen ein noch negativeres Bild der Situation der irakischen Christen ab und rechnen mit einem Ende der fast 2000-jährige Geschichte der Christen auf dem Gebiet des heutigen Irak.

Exodus

Das UNO-Flüchtlingskommissariat UNHCR berichtet im März 2007, daß Christen im Irak ihres Lebens nicht mehr sicher seien: Religiös motivierte Gewalttaten nehmen im Land weiter zu. Daher versuchen jeden Monat Christen das Land zu verlassen, um den vielfältigen Verfolgungen zu entgehen. Nach Roland Schönbauer (UNHCR-Österreich) habe im Irak die Gewalt gegen Christen und ihre Kirchen seit Jahresbeginn explosionsartig zugenommen, was einen regelrechten Exodus orientalischer Christen zur Folge habe. Laut Le Monde vom 24. März 2008 [1] haben inzwischen weit mehr über die Hälfte der ehemals ca. 700.000 irakischen Christen das Land verlassen müssen. Weiterhin befürchten die Autoren des zitierten Le Monde Artikels, daß soweit der Exodus anhält bzw. die Gründe für den Exodus anhalten, die seit dem 1. Jahrhundert bestehenden christlichen Gemeinden des Irakes, (immerhin einer der ältesten christlichen Religionsgemeinschaften überhaupt) bald für immer verschwunden sein könnten.

Siehe auch

Kontingentlösung

In Deutschland wird seit Beginn des Jahres 2008 verstärkt über eine Kontingent-Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Irak diskutiert, die einer religiösen Minderheit angehören. Angeknüpft wird dabei an die Aufnahme der vietnamesischen "boat-people" in den 70er Jahren. Insbesondere die Menschenrechtsbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion Steinbach wie auch Bundesinnenminister Schäuble haben sich im Vorfeld der Frühjahrs-Innenministerkonferenz positiv dazu geäußert, ebenso der bayrische Innenminister Joachim Herrmann (PM 139/08 vom 11. April 2008).

Seit dem 27. November ist nun klar, dass sich Deutschland mit der EU geeinigt hat und 2500 irakische Christen aufnimmt, ein Großteil derer ist schon da.[2]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Marc Stenger (Bischof von Troyes), Ghaleb Bencheikh, Jean-Claude Petit, Laurent Larcher : La tragédie des chrétiens d'Irak. In: Le Monde.fr 24.03.2008[1]
  2. Die Netzeitung: Europa einigt sich auf Aufnahme von 10.000: Deutschland nimmt 2500 Iraker auf 27.11.2008

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