St.-Gallus-Kirche (Ladenburg)

St.-Gallus-Kirche (Ladenburg)
St.-Gallus-Kirche 2005

Die St.-Gallus-Kirche ist eine katholische Kirche in Ladenburg im Rhein-Neckar-Kreis im Nordwesten Baden-Württembergs. Der gotische Bau begann um 1250 und war 1485 vollendet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ladenburg ist eine der ältesten Städte in Deutschland rechts des Rheins. In römischer Zeit gab es ein große Marktbasilika. Von den Franken ging die Herrschaft über Ladenburg an den Wormser Bischof. Im Jahr 787 wurde erstmals eine Kirche erwähnt. Ob es sich dabei um einen Vorgängerbau der heutigen Galluskirche handelt, oder ob sie woanders stand, ist nicht bekannt, denn wahrscheinlich gab es schon in der Karolingerzeit mehrere Kirchen in der Stadt. In der Mitte des 13. Jahrhundert begann der Bau der St.-Gallus-Kirche, deren Patrozinum 1299 erstmals genannt wurde. Sie wurde auf der alten Marktbasilika und der Krypta der Vorgängerkirche errichtet. 1412 legte Bischof Johann von Fleckenstein den Grundstein für den Südturm. Wahrscheinlich weil Ladenburg die zeitweilige Residenz der Wormser Bischöfe war, entschloss man sich zum Bau des repräsentativen, zweiten Turms an der Südflanke. Der Glockenstuhl soll 1485 fertiggestellt gewesen sein.

Der alte Tympanon wurde beim Bildersturm beschädigt. Heute ist er am südlichen Seitenschiff angebracht.

Die St.-Gallus-Kirche war die Pfarrkirche für Ladenburg, bis 1409 für Straßenheim und bis ins 18. Jahrhundert für Neckarhausen. Sie war die Hauptkirche der Dekanate Weinheim und Heidelberg im Bistum Worms. Die Herrschaft über den Ort Ladenburg aber mussten sich die Wormser Bischöfe seit 1385 in einem Kondominat mit der Kurpfalz teilen. Nachdem Kurfürst Ottheinrich in seinem Herrschaftsbereich 1556 die Reformation einführte, einigte man sich zunächst auf die simultane Nutzung der Galluskirche. Doch bereits an Karfreitag 1565 beendete Kurfürst Friedrich III. das Simultanverhältnis gewaltsam. Er ließ alle bildhaften Darstellungen zerstören und gestattete die Kirche nur noch den Reformierten. Bischof Dietrich II. von Bettendorf protestierte dagegen erfolglos auf dem Augsburger Reichstag 1566.

Galluskirche 1645 (Matthäus Merian)

Im Dreißigjährigen Krieg und im Pfälzischen Erbfolgekrieg wurde die Pfalz mehrmals verwüstet, die St.-Gallus-Kirche aber überstand die Kriege unbeschadet. Als 1693 französische Truppen vor Ladenburg standen, übergaben die Kapuziner die Stadt. Da die Sebastianskapelle mit Flüchtlingen überfüllt war, gestatteten französische Offiziere den katholischen Gottesdienst in der Galluskirche. Wenige Monate später wiesen sie die Kirche wieder den Reformierten zu, doch Bischof Ludwig Anton ließ sie vom Militär besetzen. Alle Proteste der Reformierten nutzten nichts und 1708 verzichteten sie schließlich in einem Vergleich auf St. Gallus und erhielten im Gegenzug den Mönchhof mit seinen Einnahmen zum Bau einer eigenen Kirche zugesprochen.

Zwischen 1859 und 1860 wurde die Kirche außen instandgesetzt. Zwischen 1863 und 1869 wurde die Galluskirche vergrößert. Hierzu wurde sie nach Westen verlängert und erhielt eine neue Stirnfassade. 1883 erhielt die Sickingenkapelle ein neugotisches Dach, was aber 1950 wieder rückgängiggemacht wurde. Die Krypta wurde 1938 und erneut zwischen 2002 und 2004 restauriert. Die Kirche wurde 1976 renoviert, wobei zum Teil – aus heutiger Sicht – falsche Materialien verwendet wurden, weswegen 2009 Sanierungsmaßnahmen begannen.

Die St.-Gallus-Gemeinde und die Heddesheimer St.-Remigius-Gemeinde schlossen sich 2005 zur Seelsorgeeinheit Ladenburg-Heddesheim zusammen. Sie gehört zum Dekanat Heidelberg-Weinheim im Erzbistum Freiburg.

Beschreibung

St.-Gallus-Kirche 2011
Grundriss von Marktbasilika und Kirche

Äußere Gestaltung

Die St.-Gallus-Kirche steht am südöstlichen Rand der mittelalterlichen Stadt beim Mönchhof. Die dreischiffige Basilika ist im Verhältnis zu ihrer Länge breiter als übliche gotischen Kirchen, was sich vermutlich daraus erklärt, dass der Grundriss in die alte römische Marktbasilika eingefügt wurde. Das Langhaus hat fünf Joche. An die zwei östlichen Joche des nördlichen Seitenschiffes ist die Sickingenkapelle angebaut. Im Tympanon am gotischen Portal an der westlichen Schaufassade ist die thronende Muttergottes mit dem Jesuskind dargestellt, darunter kniend Columban, Gallus, Johannes Epps Const. und B. Willimar. Der Chor im Osten besitzt einen 7/12-Schluss.

Links und rechts des Chors sind der Nord- und der Südturm angeordnet. Der Grundriss der Kirchtürme ist zunächst quadratisch und geht ab dem vierten Geschoss in ein Achteck über. Die Spitzbogenfenster im Glockengeschoss des früher gebauten Nordturms sind schmaler als beim Südturm. An der Seite zum Marktplatz ist eine Turmuhr angebracht. Sie wurde erstmals im Jahr 1770 erwähnt. Die beiden Türme enden mit acht kleinen Giebeln, am Südturm geschweift. Die spitzen Zeltdächer sind aus Kupfer.

An den Außenwänden sind mehrere Grabplatten angebracht, einige von ihnen sind stark verwittert. In der Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden Handschrift Thesaurus Palatinus wurden die Epitaphien bildlich festgehalten, wodurch das ursprüngliche Aussehen überliefert ist.

Innenraum

Innenraum

Der dreischiffige Innenraum präsentiert sich mit architektonischen Gliederungen aus roten Sandsteinquadern und weiß verputzten Flächen. Die Kommunionbank mit der schmiedeeisernen Tür stammt aus dem Jahr 1774. Neueren Datums sind Taufstein, Ambo, Tabernakel und Altarleuchter, die Edwin Neyer schuf. Die modernen Bronzeplastiken an den beiden Seitenaltären stammen von Otto Sonnleitner. Im Chor links befindet sich das kunstvolle Grabmal von Maria Henrietta von Castell, es wird dem Bildhauer Franz Conrad Linck zugeschrieben. Auf der rechten Seite sind die Epitaphien von Johann Philipp Jacob Graf von Preysing, kurpfälzischer Generalfeldmeister, und Georg Augustin von May, kurpfälzischer Kanzler.

Am nördlichen Triumphbogenpfeiler ist ein 1,65 Meter großes Kruzifix angebracht, das vor 1628 entstand. Die Kirchenfenster gestaltete 1966/67 Valentin Feuerstein. Sie zeigen im rechten Seitenschiff Begebenheiten aus dem Alten Testament, im Chor wird die Heilsgeschichte dargestellt, die Fenster im linken Seitenschiff haben Maria und Gallus zum Thema und die beiden Fenster in der Stirnwand die Geschichte Ladenburgs.

Sickingenkapelle

Die Sickingenkapelle ist am nördlichen Seitenschiff angebaut. Sie wurde im 15. Jahrhundert von Hans von Sickingen gestiftet, der dort mit seiner Frau Margaretha Kämmerin von Worms beigesetzt wurde. An der Nordwand steht der 2,90 Meter hohe Epitaph der beiden. In den beiden Fenstern finden sich die dazugehörigen Wappen der von Sickingen und Kämmerer von Worms (Dalberg).

An der Ostwand wurde das Altarretabel vom ehemaligen Kreuzaltar aufgestellt. Vier Holzintarsia an der Westwand zeigen die Evangelisten Lukas, Markus, Matthäus und Johannes. Sie stammen von der alten Kanzel von 1746.

Krypta

Die Krypta ist das älteste Bauwerk der Galluskirche. Sie entstand mit der romanischen Vorgängerkirche zu Beginn des 11. Jahrhunderts und befindet sich unter dem östlichen Chor. Sie soll im Jahr 1007 von Bischof Burchard und Kaiser Heinrich II. eingeweiht worden sein. Ursprünglich war die Krypta ein quadratischer Raum mit 4,80 Meter Seitenlänge. Beim Bau des Chors im 13. Jahrhundert wurden die Seitenwände durchbrochen und mithilfe des Mauerwerks der römischen Marktbasilika ein Umgang angelegt. Vier Säulen mit Würfelkapitellen tragen die Kreuzgratgewölbe. Die Fresken mit Heiligendarstellungen stammen aus dem 14. Jahrhundert. Der Zugang über eine Treppe am linken Rand des Chors wurde erst 1937 gebaut und ersetzte eine Falltür.

Mönch-Orgel

Orgel

Seit 1686 gab es nachweislich eine Orgel in der Galluskirche. 1790 wurde ein Instrument vom Heidelberger Hoforgelbauer Andreas Krämer aufgestellt. Während des Umbaus der Kirche im 19. Jahrhundert wurde es in die Sebastianskapelle überführt und 1868 eine neue Orgel von Louis Voit erbaut. Ende des 20. Jahrhunderts war sie stark überholungsbedürftig. Nach längerem Streit setzte sich die Pfarrgemeinde durch, die eine neue Orgel wollte. Die alte Orgel wurde zunächst eingelagert und befindet sich heute nach einer Restaurierung in der Marbacher Alexanderkirche.

Die heutige Orgel in der St.-Gallus-Kirche wurde 1999 von Mönch Orgelbau erbaut. Das Instrument hat 43 Register auf drei Manualen und Pedal und 2971 Pfeifen. Es ist für die Orgelmusik der deutschen und französischen Romantik besonders geeignet. Die Orgel hat folgende Disposition:

I Hauptwerk C–g3 II Positiv C–g3 III Schwellwerk C–g3 Pedal C–f1
Bourdon 16' Principal 8' Quintaton 16' Contrabass 16'
Principal 8' Lieblich Gedeckt 8' Geigenprincipal 8' Subbass 16'
Cor de nuit 8' Viola alta 8' Bourdon 8' Octavbass 8'
Viola di Gamba 8' Octave 4' Salicional 8' Flûte 8'
Harmonieflöte 8' Waldflöte 4' Unda maris 8' Violoncello 8'
Octave 4' Nazard 22/3 Flûte traversière 8' Bombarde 16'
Hohlflöte 4' Flageolet 2' Fugara 4' Trompetbass 8'
Superoctave 2' Tierce 13/5 Flûte octaviante 4' Tremulant
Mixtur IV 22/3 Mixtur 11/3 Octavin 2'
Scharff III 1' Clarinette 8' Cornettino III 22/3
Cornett III-V 8' Voix humaine 8' Basson-Hautbois 8'
Trompete 8' Tremulant Trompette harmonique 8'
Tremulant Clairon harmonique 4'
  • Koppeln: II/I, III/I, III/II, Sub III, I/P, II/P, III/P, Super III/P.
  • Spielhilfen: Elektronische Setzeranlage.

Glocken

Das Geläut der St.-Gallus-Kirche besteht aus sechs Glocken. Im Südturm hängen die Gallusglocke, mit 1900 kg die schwerste Glocke, und die Schutzengelglocke. Sie ist die älteste und kleinste Glocke und wurde früher nur bei Taufen geläutet. Im Nordturm hängen die vier anderen Glocken. Die drei alten wurden zwischen 1443 und 1500 gegossen. Die jüngste wurde 1957 gestiftet und ersetzte zwei Glocken aus den 1930er Jahren, die im Zweiten Weltkrieg abgeliefert werden mussten. Wegen statischen Problem läuten die Glocken nur an einigen Hochfesten gemeinsam.

Name Gussjahr Turm Ø (mm) kg Ton
Gallusglocke 1502 Südturm 1420 1900 es'
Christkönigsglocke 1500 Nordturm 1220 1500 ges'
Marienglocke 1443 Nordturm 1050 800 as'
Theresienglocke 1957 Nordturm 650 ces
Josefsglocke 1450 Nordturm 770 300 d''
Schutzengelglocke 1439 Südturm 425 80 es''

Literatur

  • Ladenburg-Lexikon. Norderstedt 2007, ISBN 978-3-8334-6799-8.
  • Rainer Laun: Rhein-Neckar-Kreis, in: Dagmar Zimdars u.a. (Bearb.), Georg Dehio (Begr.): Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler: Baden-Württemberg I. Die Regierungsbezirke Stuttgart und Karlsruhe. München 1993, ISBN 3-422-03024-7.
  • Hans Huth: Die Kunstdenkmäler des Landkreises Mannheim: Ohne Stadt Schwetzingen. München 1967.
  • Staatl. Archivverwaltung Baden-Württemberg in Verbindung mit d. Städten u.d. Landkreisen Heidelberg u. Mannheim (Hrsg.): Die Stadt- und die Landkreise Heidelberg und Mannheim: Amtliche Kreisbeschreibung, Bd 3: Die Stadt Mannheim und die Gemeinden des Landkreises Mannheim. Karlsruhe 1970.
  • Martin Kares, Michael Kaufmann, Godehard Weithoff: Orgelführer Rhein-Neckar-Kreis. Heidelberg 2001, ISBN 3-932102-07-X.

Weblinks

 Commons: St.-Gallus-Kirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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