Transition (IT-Management)

Transition (IT-Management)

Der Begriff Transition (englisch und deutsch træn'zɪ∫әn = „Übergang“) bezeichnet im IT-Management einen Prozess, bei dem die Verantwortung für die Betreuung oder den Betrieb (Application Management) eines Anwendungsprogramm-Systems (kurz „Anwendungssystem")

  • von einer unternehmensinternen Organisationseinheit an einen externen Dienstleister (Outsourcing), [1]
  • von einem externen Dienstleister an einen anderen externen Dienstleister [2] oder
  • von einem externen Dienstleister an eine unternehmensinterne Einheit (Insourcing)

übergeben wird. [3]

Inhaltsverzeichnis

Motive

Die Entscheidung, das Application Management eines Anwendungssystems in neue Hände zu legen, kann folgende Ursachen haben:

  • Der Vertrag mit dem bisherigen Dienstleister ist ausgelaufen. Ein anderer Dienstleister hat dieselbe vertragliche Leistung (Service level) zu einem günstigeren Preis angeboten.
  • Die Mitarbeiter, die das Application Management bisher betrieben haben, scheiden aus dem Arbeitsleben aus (z. B. aus gesundheitlichen oder Altersgründen), wechseln aus eigener Initiative das Unternehmen oder suchen sich unternehmensintern neue Aufgaben. Die frei werdenden Stellen werden nicht wieder mit unternehmensinternen Mitarbeitern besetzt.
  • Das Anwendungssystem erfüllt nur Vorgaben des Gesetzgebers, leistet aber keinen Deckungsbeitrag. Die Mitarbeiter, die das System bisher betreut/betrieben haben, sollen innerhalb des Unternehmens versetzt werden, um Aufgaben mit höherer Wertschöpfung wahrzunehmen.
  • Dem bisherigen Dienstleister wurde vor Ablauf der Vertragsdauer gekündigt, weil er dauerhaft nicht in der Lage war, die zugesagte vertragliche Leistung zu erfüllen.

Ebenen

Bei einer Transition sind zwei Ebenen der Übergabe zu unterscheiden:

Akteure

An einer Transition sind folgende Akteure beteiligt:

  • Die Wissensträger (englisch knowledge owners) auf Seiten des bisherigen Systembetreuers/-betreibers, die das System in der Regel aus mehrjähriger Erfahrung kennen;
  • die Wissensempfänger (englisch knowledge recipients) auf Seiten des zukünftigen Systembetreuers/-betreibers sowie
  • ein Transition-Manager auf Seiten des zukünftigen Systembetreuers/-betreibers, der die Transition organisiert, den Fortschritt der Transition überwacht und den Erfolg der Transition gegenüber dem Eigentümer des Anwendungssystems verantwortet.

Phasen

Eine Transition erfolgt üblicherweise in folgenden Phasen:

  • Erläuterung, welche Rolle das Anwendungssystem im betriebswirtschaftlichen bzw. technischen Kontext des Unternehmens spielt;
  • Vermittlung des fachlichen und IT-technischen Wissens über das Anwendungssystem (Architektur, Funktionsmodell, Datenmodell, Benutzermodell, Schnittstellen zu anderen Systemen), gestaffelt nach zunehmendem Detaillierungsgrad (top-down);
  • Vermittlung des Wissens über Maßnahmen zur Benutzerverwaltung und laufenden Qualitätssicherung (z. B. Monitoring);
  • Einführung in das Betriebs-, Sicherheits- und Backup-/Recovery-Konzept;
  • Vermittlung des Wissens über die gängigen Ansprechpartner (z. B. Schlüsselanwender (Key User), Wartungs- und Betriebsverantwortliche von Nachbarsystemen, Experten für andere Komponenten der Systemarchitektur);
  • Übergabe und Selbststudium der System- und Benutzerdokumentation sowie der Schulungsunterlagen;
  • Anbindung der Wissensempfänger an die Informationstechnologie des Systemeigentümers. Je nach Umfang des Application Managements können dies sein: das Produktionssystem, das Action Request System, die Entwicklungssystem, das Testsystem usw.
  • Vermittlung von Wissen zur Lösung von Kundenanfragen und Problemfällen (Tickets):
    • Theoretische Einweisung in die Lösung von Tickets;
    • Work Shadowing: Die Wissensempfänger weichen – bildlich gesprochen: „wie Schatten“ (englisch shadows) – nicht von der Seite der Wissensträger und sehen ihnen beim Lösen aktueller Tickets zu. Die Wissensträger erläutern den Wissensempfängern, mit welchen Strategien sie Tickets dieses Typs üblicherweise lösen und welche Schwierigkeiten dabei auftreten.
    • Reverse Work Shadowing (von englisch reverse = „umgekehrt“): Die Wissensempfänger versuchen, parallel zu den Wissensträgern eigenständig aktuelle Tickets zu lösen (in dieser Phase jedoch noch unverbindlich). Die Wissensträger begutachten die Lösungsvorschläge und besprechen sie mit den Wissensempfängern.
  • Change of control: Übergabe der Verantwortung für das Application Management vom bisherigen an den zukünftigen Betreuer/Betreiber mit allen rechtlichen Konsequenzen.
  • Zwischen dem bisherigen und dem zukünftigen Betreuer/Betreiber kann vereinbart werden, dass die Wissensempfänger noch für eine Übergangszeit auf das Wissen der Wissensträger zurückgreifen können.

Emotionen

Eine Transition ist nicht nur ein Prozess, der nach einem vereinbarten Aufgaben- und Terminplan „abgearbeitet“ wird. Er stellt für alle Beteiligten auch ein komplexes emotionales Ereignis dar. Letzteres ist vor allem dann der Fall, wenn die Entscheidung für die Transition aus formalen (z.B. finanziellen) und nicht aus inhaltlichen Gründen getroffen wurde, zumal gegen die Überzeugung der Systemanwender.

  • Auf Seiten der Wissensträger herrscht eine Art Trauer. Im allgemeinen haben die Wissensträger viele Jahre lang für einen reibungslosen Betrieb des Anwendungssystems gesorgt. Das System hat ihren Arbeitsalltag geprägt und ist ihnen durch die starke inhaltliche Auseinandersetzung „ans Herz gewachsen“. Nun gilt es, den Verlust der Aufgabe zu verarbeiten („Trauerarbeit“). – Daneben empfinden die Wissensträger oft Neid auf die Wissensempfänger, die ihnen mit der Übernahme des Application Managements eine mehrjährige Arbeitsperspektive nehmen. Dies kann dazu führen, dass die Wissensträger versuchen, die Transition nur halbherzig durchzuführen. – Um diese Gefühle abzumildern, müssen die Vorgesetzten den Wissensträgern baldmöglichst neue, annähernd gleichwertige Aufgaben übertragen, die ihnen die Gewissheit geben, auch weiterhin „gebraucht“ zu werden.
  • Die Wissensempfänger empfinden Stolz darauf, dass ihnen das Application Management des Systems anvertraut wird, sowie Vorfreude auf die neue Aufgabe, die ihnen eine Beschäftigung für mehrere Jahre sichert. Andererseits beschleicht die Wissensempfänger angesichts der Fülle des Lernstoffs, den sie sich binnen kurzer Zeit aneignen müssen, oft ein Gefühl der Überforderung, das zu Stress führt. Sie werden mitunter von Versagensängsten geplagt, da sie befürchten, in der Transition nicht ausreichend auf ihre neue Aufgabe und die Probleme vorbereitet zu werden, die zum Zeitpunkt der Transition oft noch nicht absehbar sind. – Damit die negativen Gefühle nicht überhand nehmen, muss der Transition-Manager (als Interessenvertreter der Wissensempfänger) den Wissenstransfer so gewissenhaft planen, dass der Lernstoff gut bewältigt werden kann.
  • Auf Seiten der Systemanwender herrscht Skepsis, inwieweit die Wissensempfänger – vor allem in den ersten Wochen und Monaten nach dem Verantwortungsübergang – in der Lage sein werden, das Application Management zu meistern. Die Bedenken steigen mit der Komplexität des Anwendungssystems. Der Systemeigentümer ist daher gefordert, die Transition nach besten Kräften zu unterstützen. Umgekehrt obliegt dem Transition-Manager die Aufgabe, den Systemeigentümer regelmäßig und wahrheitsgemäß über den Fortschritt der Transition zu unterrichten. – Trotz intensiver Transition tritt nach dem Verantwortungsübergang oft tatsächlich eine (mehr oder weniger dauerhafte) Verschlechterung der Servicequalität ein. Dies bestärkt die Skeptiker in ihren Befürchtungen und löst Wut und Resignation darüber aus, dass die Entscheidung für die Transition über ihre Köpfe hinweg getroffen wurde.

In dem (eher seltenen) Fall, dass dem bisherigen Dienstleister gekündigt wurde, weil er seiner Aufgabe nicht gewachsen war, stellt sich die Gefühlslage der Beteiligten wie folgt dar:

  • Die Wissensträger empfinden Erleichterung über das bevorstehende Ende des „Schreckens ohne Ende“.
  • Die Wissensempfänger erwarten (nicht zu Unrecht), dass sie von gescheiterten Vorgängern nur unzulänglich auf ihre zukünftigen Aufgaben vorbereitet werden. Die positiven Gefühle (Stolz, Vorfreude) sind bei den Wissensempfängern daher schwächer und die negativen Gefühle (Stress, Versagensangst) stärker ausgeprägt als im oben geschilderten „Normalfall“.
  • Wie die Wissensträger empfinden auch die Systemanwender Erleichterung über das baldige Ende der Geschäftsbeziehung mit dem bisherigen Dienstleister. Sie sehen der Beziehung mit dem zukünftigen Betreuer/Betreiber eher positiv entgegen („Es kann nur noch besser werden“), hegen aber nach den schlechten Erfahrungen der Vergangenheit auch gewisse Zweifel, ob wenigstens der zukünftige Dienstleister seiner Aufgabe gewachsen sein wird.

Anmerkungen

  1. Das für Unternehmen Gesagte gilt für Behörden u.ä. entsprechend.
  2. Hierzu zählt auch die Übergabe von einem externen Dienstleister an einen kostengünstigeren Unterauftragnehmer (siehe Nearshoring/Offshoring).
  3. Die Übergabe der Verantwortung für das Application Management zwischen zwei unternehmensinternen Organisationseinheiten erfordert in der Regel keine Transition, da die bisherigen Wissensträger meist in die neue Organisationseinheit wechseln.

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