Chronische myeloische Leukämie

Chronische myeloische Leukämie
Klassifikation nach ICD-10
C92.1 Chronische myeloische Leukämie
ICD-O 9875/3
ICD-10 online (WHO-Version 2011)
Detail aus einem Knochenmarkausstrich mit zahlreichen Vorstufen der myeloischen Reihe (gefärbte Zellen, ungefärbte Zellen = Erythrozyten; panoptische Färbung nach Pappenheim)

Die chronische myeloische Leukämie (CML), auch chronische Myelose genannt, ist eine chronische Leukämie, die mit einer starken Vermehrung von Leukozyten (weißen Blutkörperchen), speziell von Granulozyten und ihren Vorstufen, im Blut und im blutbildenden Knochenmark einhergeht. Die Erkrankung ist in der Anfangsphase häufig symptomlos. Bei der von Rudolf Virchow im Jahr 1845 beschriebenen und erstmals mit dem Namen Leukämie belegten Erkrankung handelte es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine CML. Sie gehört zur Gruppe der myeloproliferativen Neoplasien (MPN) beziehungsweise chronischen myeloproliferativen Erkrankungen (MPE), also Krankheiten, die aus einer (genetischen) Störung der im Knochenmark vorzufindenden hämatopoetischen Stammzellen resultieren. Durch den Einsatz neuerer tumorspezifischer Medikamente, den sogenannten Tyrosinkinase-Inhibitoren, seit etwa der Jahrtausendwende haben sich die Prognose und die Behandlungsformen der CML deutlich gewandelt und die Erkrankung ist in vielen Fällen gut und verhältnismäßig nebenwirkungsarm behandelbar geworden. Die CML ist durch diesen Einsatz sogenannter zielgerichteter Therapien (engl. targeted therapies) geradezu zu einer Modellerkrankung für die ganze Hämatologie oder Tumortherapie im Allgemeinen geworden.[1][2]

Inhaltsverzeichnis

Epidemiologie

Altersspezifische Inzidenz der CML[3] Die Inzidenz ist weltweit weitgehend ähnlich ohne wesentliche regionale oder ethnische Unterschiede[4]

Die CML hat eine Inzidenz von etwa 1,6 Neuerkrankungen pro 100.000 Erwachsenen im Jahr und macht etwa 20 Prozent aller Leukämien aus. Sie ist ganz überwiegend eine Erkrankung des Erwachsenenalters und weist eine stetige Zunahme mit zunehmenden Alter auf. Männer sind etwa 1,4-mal häufiger betroffen als Frauen. Die Diagnose wird im Mittel (Median) mit 65 Jahren gestellt, etwa zehn Prozent der Patienten sind bei Diagnosestellung jünger als 35 Jahre.[3] Für ganz Deutschland schätzt man etwa 1.700 Neuerkrankungen pro Jahr, für die Schweiz kann man etwa 160 und für Österreich etwa 175 Neuerkrankungen pro Jahr annehmen.[5]

Ursachen und Entstehung

Philadelphia-Chromosom: Im Verlauf einer Zellteilung "brechen" zufällig Chromosom 9 und 22 jeweils in zwei Stücke und werden vertauscht wieder "zusammengebaut".

Ursache der Erkrankung ist die Veränderung und anschließende Proliferation (Vermehrung) einer einzigen pluripotenten hämatopoetischen Vorläuferzelle. In fast allen Fällen findet man als Ursache eine reziproke Translokation zwischen den Chromosomen 9 und 22 (geschrieben: t(9;22)(q34;q11), oder abgekürzt t(9;22)). Bei beiden beteiligten Chromosomen ist der Bruchpunkt auf dem längeren Arm (q-Arm) lokalisiert, beim Chromosom 9 dichter zum Ende hin als beim Chromosom 22.

Der Chromosomenbruch liegt auf beiden Chromosomen im Bereich von Genen, nämlich ABL (oder ABL1) auf Chromosom 9 und BCR ("breakpoint cluster region") auf Chromosom 22. Durch die Translokation kommt es also zur Bildung von Fusionsgenen: BCR-ABL auf dem veränderten Chromosom 22 (mit dem Ende des Chromosoms 9) und ABL-BCR auf dem veränderten Chromosom 9 (mit dem Ende von Chromosom 22). Die Chromosomentranslokation ist zytogenetisch als verkürztes Chromosom 22, als sogenanntes "Philadelphia-Chromosom" sichtbar.

Das ABL-Gen kodiert für eine Tyrosinkinase und spielt eine wichtige Rolle bei der zellulären Wachstumsregulation. Kommt es zur Bildung des Fusionsgens BCR-ABL, dann ist ABL entscheidend in seiner Funktion gestört, die Tyrosinkinase-Aktivität ist dauerhaft aktiviert. Das BCR-ABL-Gen wirkt damit als Onkogen und führt zu einer gesteigerten und unkontrollierten Vermehrung der betroffenen Zelle. Die Translokation ist im Laufe des Lebens erworben und nicht vererbt oder vererbbar, da die Keimbahnzellen davon unberührt sind (soweit bekannt sind nur Zellen des blutbildenden Systems betroffen). Warum sie auftritt, ist nicht verstanden. Als Risikofaktoren für das Auftreten der Veränderung werden, wie bei Mutationen allgemein, Ionisierende Strahlung oder Chemikalien diskutiert.[6]

Nicht bei allen CML-Patienten ist ein Philadelphia-Chromosom nachweisbar. In einer großen prospektiven Studie des Medical Research Councils konnte bei etwa 15 Prozent der Fälle zytogenetisch kein Philadelphia-Chromosom nachgewiesen werden.[7] Bei zwei Dritteln dieser Philadelphia-Chromosom-negativen Patienten war jedoch das BCR-ABL-Onkogen nachweisbar und das klinische Bild unterschied sich nicht wesentlich von dem der Philadelphia-Chromosom-positiven Patienten. Diese Patienten hatten zum Teil komplexe Chromosomenveränderungen, die die Translokation t(9;22) maskiert hatten. Bei einem Drittel, das heißt bei etwa fünf Prozenz aller CML-Patienten, ergab sich kein Nachweis der t(9;22)-Translokation oder der BCR-ABL-Fusion. Das klinische Bild dieser Form unterschied sich deutlicher von der „typischen“ CML und hatte eine deutlich schlechtere Prognose.[7]

Verlauf

Die CML verläuft klassischerweise in drei Krankheitsphasen, der chronischen Phase, der Akzelerationsphase und der Blastenkrise (oder Blastenschub). Vor dem Aufkommen neuerer Medikamente und bevor die Option einer Stammzelltransplantation von Zellen gesunder Spender gegeben war, nahm der Krankheitsverlauf geradezu regelhaft diesen Verlauf. Die Blastenkrise war dabei das Endstadium der Erkrankung und führte zum Tod des Erkrankten. Auch heute ist nicht sicher vorauszusehen, wann bei einem Patienten die akzelerierte Phase und wann die Blastenkrise auftritt. Es sind Einzelfälle von CML-Patienten bekannt, die mehr als 20 Jahre in chronischer Phase gelebt haben. Bei anderen Patienten trat die akzelerierte Phase und Blastenkrise schon kurz nach Diagnosestellung auf. Heute sind Blastenkrisen seltener geworden, da gute Behandlungsmöglichkeiten für die chronische Phase bestehen. Gelegentlich werden sie aber immer noch diagnostiziert (häufig als „Erstmanifestation“ der CML).

Chronische Phase

Der Krankheitsbeginn ist langsam und schleichend und fällt oft über Jahre nicht auf. Leitsymptome dieser Phase sind die Leukozytose (Vermehrung der weißen Blutzellen) und die Splenomegalie (Milzvergrößerung). Die Splenomegalie erklärt sich durch die zunehmende Verdrängung der gesunden Blutbildung aus dem Knochenmark, so dass es zur extramedullären Blutbildung in Milz und später auch Leber kommt. Meist wird die Diagnose in diesem Stadium gestellt und nicht selten handelt es sich um eine Zufallsdiagnose, zum Beispiel anhand einer Blutbilduntersuchung, bei der eine Leukozytose auffällt. Im Differentialblutbild finden sich neben reifen Granulozyten unreife Vorstufen der myeloischen Reihe bis hin zu den Myeloblasten (sogenannte Linksverschiebung). Der Anteil an ganz unreifen Zellen (Blasten) liegt aber unter zehn Prozent.

Akzelerationsphase

Die Akzelerationsphase (lat. accelerare = beschleunigen) ist eine Übergangsphase zwischen der chronischen Phase und dem Blastenschub, in der die Erkrankung an Dynamik gewinnt. Sie ist durch zunehmende Leukozytose, Anämie (Blutarmut), Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen) und eine zunehmenden Milzschwellung gekennzeichnet. Im Differenzialblutbild zeigt sich ein Anteil von Blasten von zehn bis 30 Prozent. Die zytogenetische Analyse zeigt häufig zusätzlich zum Philadelphia-Chromosom neu aufgetretene Chromosomenveränderungen (am häufigsten: Isochromosom 17, ein zweites Philadelphia-Chromosom, Trisomie der Chromosomen 8 oder 19). Das subjektive Allgemeinbefinden des Patienten verschlechtert sich. Falls sich der Patient in chemotherapeutischer Behandlung befindet, zeigt sich eine abnehmende Medikamentenwirkung und Dosissteigerungen werden notwendig.

Blastenkrise

Die Blastenkrise tritt relativ plötzlich nach der Akzelerationsphase oder auch direkt aus der chronischen Phase heraus auf. In der Blastenkrise ändert die Erkrankung ihren Charakter von einem chronischen, eher langsamen Verlauf zu einem Verlauf, der dem einer akuten Leukämie entspricht. Die Blastenkrise ist definiert durch:

  • Anteil der Blasten im peripheren Blut und/oder im Knochenmark ≥ 30 Prozent (nach Kriterien der Deutschen CML-Studiengruppe[6]) bzw. ≥ 20 Prozent (nach WHO-Definition), oder/und
  • zytologisch oder histologisch gesicherte blastäre Infiltrate (Ansammlung von größeren Mengen an CML-Zellen in Geweben) außerhalb von Knochenmark, Milz oder Lymphknoten. Derartige Infiltrate bezeichnet man auch als Chlorome.

Die Blasten bei etwa zwei Drittel aller Blastenkrisen zeigen einen myeloischen oder ganz undifferenzierten Immunphänotyp. Das restliche Drittel weist einen lymphatischen Immunphänotyp auf.[6] Im letzteren Fall kann die Blastenkrise ohne Kenntnis der Vorgeschichte meist nur schwer oder gar nicht von einer Philadelphia-Chromosom-positiven akuten lymphatischen Leukämie unterschieden werden. Einen gewissen Hinweis geben die verschiedenen mRNA-BCR-ABL-Transkripte, deren relative Verteilung bei CML und ALL unterschiedlich ist. Das Stadium der Blastenkrise endet unbehandelt relativ rasch (innerhalb von Wochen) tödlich.

Diagnosestellung

a) Knochenmark-Zytologie: Typisch für die CML ist eine Steigerung aller drei Zellreihen: Megakaryopoese (Thrombozyten-Bildung), Myelopoese (Bildung von Granulozyten und Monozyten) und Erythropoese (Bildung von Erythrozyten). Es zeigt sich also in der Regel ein „volles (das heißt zellreiches Knochen-)Mark“. Die Myelopoese ist dabei am stärksten gesteigert und gewinnt in der Spätphase der Erkrankung auf Kosten der anderen Zellreihen die Oberhand. Dabei finden sich aber quantitative und qualitative Veränderungen mit manchmal ungewöhnlich kleinen Megakaryozyten ("Mikromegakaryozyten"), häufig auch einer Vermehrung von Basophilen und/oder Eosinophilen.

b) Zytogenetik und Molekulargenetik: In 95 Prozent Nachweis des Philadelphia-Chromosoms und/oder des BCR-ABL-Onkogens im Blut und Knochenmark. Ein Fehlen dieser Veränderungen ist prognostisch ungünstiger. Der Nachweis von BCR-ABL bei einer myeloproliferativen Erkrankung ist beweisend für die Diagnose einer CML. Manchmal wird das Philadelphia-Chromosom auch bei der akuten lymphatischen Leukämie gefunden.

c) Blutbild und klinisch-chemische Parameter des Blutes: Thrombozytose (in der Anfangsphase) bei einem Drittel der Patienten (Thromboserisiko!), Neutrophilie mit ausgeprägter Eosino- und Basophilie und Linksverschiebung (Vermehrung unreifer Vorstufen der Granulozyten) sowie mäßige Anämie. In der chronischen Phase finden sich aber trotz stark erhöhter Leukozytenzahlen nur wenige Blasten im Gegensatz zur akuten myeloischen Leukämie. Bei der CML können Leukozytenzahlen bis zu über 500 000/µl (Normalwert < 10 000/µl) erreicht werden. Zudem zeigen die CML-Zellen im Gegensatz zum Beispiel zu dem lymphozytären Zellen bei der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) oder Prolymphozytenleukämie (PLL), bei denen ebenfalls hohe Leukozytenzahlen im Blut erreicht werden, die Tendenz zur Adhäsion aneinander („Klebrigkeit“). Daher besteht bei solchen hohen Werte die akute Gefahr von Leukostase-Symptomen, das heißt die Fließfähigkeit des Blutes ist nicht mehr gewährleistet. Dadurch können in diesem Stadium Thrombosen und Durchblutungsstörungen auftreten (Venenthrombose der Netzhaut, Infarkt der Milz, schmerzhafter Priapismus durch Thrombose der Schwellkörper, Hirninfarkt, Myokardinfarkt).

d) Zytochemie: Der ALP-Index als Ausdruck der Aktivität der alkalischen Leukozytenphosphatase in den Neutrophilen ist meist erniedrigt. Diese Bestimmung hat allerdings heutzutage fast ganz ihre Bedeutung verloren.

Als Ausdruck des gesteigerten Zellumsatzes sind die Aktivität der Lactatdehydrogenase (LDH) sowie der Harnsäurespiegel im Blut meist erhöht.

Therapie

Allgemeine Therapieziele

Ziel der Therapie ist ein möglichst weitgehendes Zurückdrängen der Erkrankung bei vertretbaren Nebenwirkungen. Um die Effektivität der Behandlung zu messen, werden die folgenden Begriffe verwendet:

  • hämatologisches Ansprechen (hematological response), das heißt Grad der Normalisierung des Blutbildes und Rückbildung der Splenomegalie; das hämatologische Ansprechen wird durch die klinische Untersuchung und das Differentialblutbild bestimmt;
  • zytogenetisches Ansprechen (cytogenetic response), d.h. zytogenetischer Nachweis des Philadelphia-Chromosoms (Ph+);
  • molekulares Ansprechen (molecular response). das heißt die Messung der BCR-ABL-mRNA mittels quantitativer Polymerase-Kettenreaktion (PCR)

Folgende Begriffe sind im internationalen medizinischen Sprachgebrauch definiert:[8]

Hämatologisches Ansprechen

Vollständiges hämatologisches Ansprechen (complete hematological response, CHR):

Thrombozyten < 450 × 109/L
Leukozyten < 10 × 109/L
Differentialblutbild ohne unreife granulozytäre Vorstufen (Myelozyten, Promyelozyten, Myeloblasten) und mit weniger als fünf Prozent Basophilen
keine tastbare Splenomegalie

Zytogenetisches Ansprechen

Die Messung des zytogenetischen Ansprechens erfolgt mittels zytogenetischer Untersuchung. Dabei wird der Prozentsatz der Metaphasen mit nachweisbarer Philadelphia-Translokation ermittelt.

  • Vollständiges zytogenetisches Ansprechen (complete cytogenetic response, CCyR): Ph+ 0 Prozent
  • Partielles zytogenetisches Ansprechen (partial cytogenetic response, PCyR): Ph+ 1–35 Prozent
  • Geringes zytogenetisches Ansprechen (minor cytogenetic response, MiCyR): Ph+ 36–65 Prozent
  • Minimales zytogenetisches Ansprechen (minimal cytogenetic response): Ph+ 66–95 Prozent
  • Kein zytogenetisches Ansprechen (no cytogenetic response): Ph+ >95 %

Molekulares Ansprechen

Die Messung des molekularen Ansprechens erfolgt mittels RT-PCR. Um die Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Laboren zu gewährleisten, wurde eine internationale Skala (IS) entwickelt.

  • Vollständiges molekulares Ansprechen (complete molecular response, CMR): BCR-ABL nicht detektierbar
  • Gutes molekulares Ansprechen (major molecular response, MMR): BCR-ABL ≤ 0,10IS

Vereinfacht kann man sagen, dass bei einem vollständigen hämatologischen Ansprechen der Prozentsatz der CML-Zellen im Blut/Knochenmark höchstens im unteren zweistelligen Prozentbereich liegen kann, bei einem vollständigen zytogenetischen Ansprechen liegt er höchstens im unteren einstelligen Prozentbereich und bei einem vollständigen molekularen Ansprechen liegt er unterhalb des Promillebereichs.

Medikamente

Hydroxycarbamid

Die Normalisierung der Leukozytenzahl lässt sich oft bereits durch Anwendung von Hydroxycarbamid (Hydroxyharnstoff, englisch: Hydroxyurea) erreichen. Dieses Zytostatikum ist seit langem auf dem Markt. Es hemmt die Umwandlung der Ribonukleotide in Desoxyribonukleotide und ist auch bei den anderen oben genannten myeloproliferativen Erkrankungen wirksam. Typische Dosierungen sind eine Tablette zu 500 mg bis etwa vier Tabletten (= zwei Gramm) täglich.

Nebenwirkungen sind selten, gelegentlich leichte Übelkeit, sehr selten Schleimhautschäden oder Lebertoxizität. Durch diese Therapie ist es möglich, die Leukozytenzahl im Blut annähernd wieder auf Normalbereiche zu reduzieren (5 000 bis 10 000/μl). Ein nachhaltiger Einfluss auf den Krankheitsverlauf ist jedoch mit dieser Normalisierung nicht verbunden. Nach durchschnittlich drei Jahren kommt es zur weiteren Verschlechterung des Zustandes und zum Eintritt in die Akzelerationsphase.

Interferon-α

Interferon-α (IFN-α) ist ein Zytokin, welches von Leukozyten gebildet und freigesetzt wird; es dient der Immunantwort auf virale und bakterielle Infektionen und induziert in den Zielzellen, zum Beispiel bei Virusbefall, unter anderem eine Proliferationshemmung. Zudem steigert es die Aktivität der zytotoxischen T-Zellen und Makrophagen. Interferon wird in der Regel 3×/Woche subkutan injiziert. Typische Dosierungen sind 3×0,5 bis 3×6 Millionen Einheiten pro Woche. Es kann entweder als Monotherapie oder in Kombination mit anderen Medikamenten gegeben werden. Interferon-α ist ein häufig nicht sehr gut verträgliches Medikament. Es kann zu grippeähnlichen Symptomen kommen, die aber abhängig von der Dosis auftreten. Die Interferon-Therapie hat in vielen Fällen Auswirkungen auf die Konzentrations- und Merkfähigkeit, Depressionen können auftreten, sowie Schwindel, Verwirrtheit und Polyneuropathien. Zudem hat die Behandlung Auswirkungen auf den Verdauungstrakt und auf die Leber.

Imatinib

Bei Patienten, die BCR-ABL-positiv sind, kann eine spezifische Therapie zum Einsatz kommen. Der Wirkstoff Imatinib (Handelsname: Glivec) ist ein Tyrosinkinase-Inhibitor, der unter anderem die ABL-Tyrosinkinase kompetitiv hemmt. Dadurch wird die unkontrollierte Proliferation (Zellwachstum/teilung) der CML-Zellen gehemmt und die Apoptose (Zelltod) der betroffenen Zelle induziert. Imatinib wird als Tablette einmal täglich eingenommen.

Die IRIS-Studie

Die Effektivität und Überlegenheit von Imatinib gegenüber allen bislang bekannten anderen medikamentösen Behandlungsformen wurde in einer großen internationalen Phase-III-Therapiestudie mit mehr als 1000 CML-Patienten, der sogenannten IRIS-Studie[9], deutlich (IRIS = International Randomized Study of Interferon and STI571). Ursprünglich war die IRIS-Therapiestudie als zweiarmige Vergleichsstudie geplant, d.h. die Hälfte der Patienten sollte Imatinib als Behandlung erhalten und die andere Hälfte der Patienten die bisherige Standardbehandlung aus Interferon-α und Cytarabin. Schon bei der ersten Zwischenauswertung[9] mit einer mittleren Beobachtungszeit von 18 Monaten wurde aber die Überlegenheit der Imatinib-Behandlung deutlich. Bei den mit Imatinib behandelten Patienten zeigte sich ein gutes zytogenetisches Ansprechen (siehe die Begriffsdefinitionen oben) von 87,1 Prozent und ein komplettes zytogenetisches Ansprechen von 76,2 Prozent. In der Interferon-α/Cytarabin-Gruppe waren die entsprechenden Zahlen 34,7 Prozent und 14,5 Prozent. In der Imatinib-behandelten Patientengruppe zeigten 96,7 Prozent kein Fortschreiten der Krankheit zur Blastenkrise/Akzelerationsphase, während es in der Interferon-α/Cytarabin-Gruppe 91,5 Prozent waren. Insgesamt wurde die Imatinib-Behandlung auch besser vertragen als die Behandlung mit Interferon α/Cytarabin.

Diese Ergebnisse führten dazu, dass die meisten Patienten aus der Interferon-α/Cytarabin-Gruppe in den Behandlungsarm mit Imatinib wechselten (dieser cross-over war im Rahmen der IRIS-Studie erlaubt). Außerdem erfolgte (wesentlich aufgrund der Ergebnisse der IRIS-Studie) die beschleunigte Zulassung von Imatinib zur Behandlung der CML durch die amerikanische Food and Drug Administration[10] und die europäische Arzneimittelagentur[11] und in der Folge verließen viele Patienten, die im Rahmen der IRIS-Studie mit Interferon-α/Cytarabin behandelt wurden, die Studie und führten die Behandlung außerhalb der Studie mit Imatinib fort. Die IRIS-Studie hat sich daher mittlerweile von einer anfänglich zweiarmigen Studie praktisch in eine reine Beobachtungsstudie für die Behandlung von CML-Patienten mit Imatinib gewandelt.

In einer kürzlich veröffentlichten Aktualisierung der IRIS-Studiendaten zeigte sich dabei bei einer medianen Beobachtungszeit von acht Jahren bei den von Anfang an mit Imatinib behandelten Patienten ein progressionsfreies Überleben von 92 Prozent der Patienten.[12]

Imatinib ist heute die medikamentöse Basis, das heißt der „Goldstandard“, der CML-Behandlung. Alle neueren und zukünftigen Behandlungsoptionen müssen sich daran messen. Über die optimale Imatinib-Dosis besteht allerdings noch kein Konsens. Die übliche Dosis sind 400 mg täglich. Es laufen zur Zeit Therapiestudien, die ermitteln sollen, ob eine 600 mg- oder 800 mg-Tagesdosis toleriert wird und bessere Ergebnisse erbringt. Gesichert erscheint, dass die Tagesdosis nicht wesentlich unter 400 mg liegen sollte, da dadurch die Entwicklung von Resistenzen begünstigt wird.

Imatinib ist meist relativ gut verträglich. An Nebenwirkungen können Übelkeit und Erbrechen (selten), Ödeme, Pleura- und Perikardergüsse, Transaminasenanstieg, Muskelkrämpfe und Hautausschläge auftreten.

Therapieziele bei Imatinib-Therapie

Die Therapieziele bei der Behandlung mit Imatinib sind ein vollständiges hämatologisches Ansprechen (CHR) nach spätestens drei Monaten, ein vollständiges zytogenetisches Ansprechen (CCyR) nach spätestens zwölf Monaten und eine gute molekulare Remission (MMolR) nach spätestens 18 Monaten. Die folgenden Kriterien für die Beurteilung der Ansprechens auf eine Behandlung mit 400 mg Imatinib täglich wurden durch ein Expertengremium[13] formuliert:

Kriterien zur Beurteilung der Wirksamkeit einer Imatinib-Therapie (400 mg tgl.)[13]
Zeit Therapieversagen Suboptimales Ansprechen Warnhinweise
Diagnosezeitpunkt Entfällt Entfällt Hochrisiko, del(9q),
zusätzliche chromosomale Aberrationen
in Ph+ Zellen
3 Monate nach Diagnose keine HR
(stabile Erkrankung oder Krankheitsprogression)
Weniger als CHR Entfällt
6 Monate nach Diagnose Weniger als CHR
keine CyR (>95 % Ph+)
Weniger als PCyR (>35 % Ph+) Entfällt
12 Monate nach Diagnose Weniger als PCyR (>35 % Ph+) Weniger als CCyR Weniger als MMolR
18 Monate nach Diagnose Weniger als CCyR Weniger als MMolR Entfällt
zu irgendeinem Zeitpunkt Verlust der CHR
Verlust der CCyR
BCR-ABL-Mutationen
Zusätzliche chromosomale Aberrationen
Verlust der MMolR
BCR-ABL-Mutationen
Jeder Anstieg des
BCR-ABL-Transkriptniveaus
Chromosomale Anomalien in Ph-neg Zellen

Bezüglich der Abkürzungen siehe oben unter "Allgemeine Therapieziele".

Neue Tyrosinkinase-Hemmstoffe

Trotz der bemerkenswerten Behandlungserfolge mit Imatinib benötigen etwa 25 Prozent der CML-Patienten im Laufe der Imatinib-Behandlung eine alternative Therapie.[14] Gründe hierfür sind eine primär nicht genügende Wirksamkeit oder ein Wirkungsverlust von Imatinib, oder eine Imatinib-Unverträglichkeit. In dieser Situation gibt es zwei wesentliche Alternativen, zum einen der Wechsel zu einem anderen Tyrosinkinase-Inhibitor und zum anderen die Durchführung einer allogenen Stammzell- oder Knochenmarktransplantation. Ursache für den Wirkungsverlust kann eine Mutation im Bereich der Tyrosinkinase-Domänen des BCR-ABL-Gens sein.

Zwei neue Tyrosinkinase-Hemmstoffe der zweiten Generation, Dasatinib und Nilotinib, sind mittlerweile zur Behandlung der CML bei Imatinib-Resistenz oder -Unverträglichkeit zugelassen. Beide Medikamente gelten als vergleichbar wirksam bei CML. Die bisherigen Studien deuten darauf hin, dass Dasatinib[15] und Nilotinib[16] bei den meisten Imatinib-Resistenzen wirken.

Dasatinib ist ca. 300mal wirksamer in der Hemmung der ABL-Kinase und wirksam bei vielen Mutationen. Lediglich bei der Mutation T315I wirkte bisher keiner der zugelassenen Tyrosinkinase-Hemmstoffe. Dabei liegt eine Genmutation vor, die zum Aminosäureaustausch ThreoninIsoleucin an Position 315 führt. Isoleucyl-Reste sind erheblich größer als Threonyl-Reste und verhindern so möglicherweise die Bindung des Pharmakons an die spezifische Bindungsstelle.

Im März 2008 wurde mit SGX393 ein Hemmstoff vorgestellt, der in vorklinischen Studien bei der Mutation T315I Wirkung zeigte. Eine Wirkstoff-Kombination mit Nilotinib oder Dasatinib erwies sich als möglich und notwendig, da auch SGX393[17] allein nicht bei allen bekannten Imatinib-Resistenzen wirkt. Ebenfalls vielversprechend ist der in Testung befindliche, auch gegen die T315I-Mutation wirksame Tyrosinkinaseinhibitor Ponatinib (früher: AP24534).[18] Weitere in Entwicklung befindliche Wirkstoffe sind Bosutinib und Bafetinib.

Resistenzen gegen Tyrosinkinase-Inhibitoren

Empfindlichkeit verschiedener BCR-ABL-Mutationen gegenüber Imatinib, Nilotinib und Dasatinib[19][20][21][22] (Beispielhafte Erläuterung: V299L bezeichnet den Aminosäureaustausch ValinLeucin an Position 299 des BCR-ABL-Proteins.)

Bei der Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren tritt mitunter das Phänomen auf, das sich die Wirkung des Medikaments zunehmend abschwächt und schließlich ganz verloren geht. Der früheste Indikator hierfür ist ein Anstieg des BCR-ABL-Niveaus (das üblicherweise unter Therapie alle drei Monate im Blut bestimmt wird). Falls nichts weiter unternommen wird, breitet sich die Erkrankung erneut aus und nimmt den oben geschilderten Verlauf. Man spricht in solchen Fällen von einer Resistenz gegen das Medikament, also zum Beispiel einer Imatinib-Resistenz oder einer Nilotinib-Resistenz.

Ursache für solche Resistenzen sind häufig Nukleotid-Mutationen im BCR-ABL-Onkogen, die zu Aminosäure-Austauschen führen. Das Medikament zeigt dann keine Wirkung mehr gegen das mutierte BCR-ABL-Protein. Man nimmt heute an, dass die meisten dieser Mutationen in geringer Menge schon bei Therapiebeginn vorhanden sind und dann durch die Therapie herausselektiert werden (nur der mutierte, d. h. resistente Klon kann wachsen). Manche der Mutationen treten wahrscheinlich aber auch zufällig während des Krankheitsverlaufs auf. Viele BCR-ABL-Mutationen wurden in den vergangenen Jahren charakterisiert. Von klinischem Interesse ist dabei der Umstand, dass manche BCR-ABL-Mutationen zwar gegen einen Tyrosinkinase-Inhibitor Resistenz verleihen, aber gegen andere empfindlich sind. In solchen Fällen ist dann ein Wechsel auf einen anderen Tyrosinkinase-Inhibitor sinnvoll.

Es gibt allerdings auch das Phänomen der Resistenz, ohne dass eine BCR-ABL-Mutation nachgewiesen werden kann. Hier liegen dann offensichtlich andere genetische Veränderungen zugrunde, die bisher nicht gut verstanden sind. In dieser Situation kann auch ein Wechsel des Tyrosinkinase-Inhibitors sinnvoll sein oder eine Dosiserhöhung des bisher gegebenen.

Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation

Die allogene Stammzelltransplantation (SZT) (seltener auch Knochenmarktransplantation KMT) ist nach bisherigem Wissen die einzige Therapieform, die zu einer vollständigen Heilung führen kann. Es gibt zwar auch vereinzelt Patienten, bei denen die Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren zu einer Nicht-mehr-Nachweisbarkeit des BCR-ABL-Fusionsgens führt. Hier ist aber nicht klar, ob es sich um wirkliche Heilungen oder nur um ein Herunterdrücken der Erkrankung unter die Nachweisgrenze handelt. Da die Prognose am günstigsten ist, je früher die SZT/KMT durchgeführt wird, sollte so früh wie möglich darüber entschieden werden. Das Problem dieser Transplantation ist die relative hohe Mortalität durch Komplikationen (insbesondere schwere Infektionen) während der Transplantationsprozedur und das mögliche Auftreten von schweren Autoaggressionskrankheiten nach Transplantation ("graft-versus-host Erkrankung", GvHD).

Dieser Effekt kann entstehen, weil sich aus den Stammzellen des Knochenmarkes alle Blut- und Abwehrzellen des Körpers bilden. Es wird also nicht allein die Blutbildung ersetzt, sondern das gesamte Immunsystem transplantiert. Während bei herkömmlichen Transplantationen ein host-versus-graft-Effekt ("Empfänger gegen Transplantat"), also eine typische Abstoßungsreaktion zu beobachten ist, richtet sich hier das transplantierte Immunsystem gegen den neuen Körper. Aus diesem Grund muss der SZT/KMT auch eine maximal aggressive Chemotherapie vorangehen, um das körpereigene Immunsystem möglichst vollständig zu zerstören. Die Etablierung der neuen Stammzellen könnte durch ein verbleibendes Immunsystem empfindlich gestört werden.

Der Graft-versus-Host-Effekt ist aber nicht nur nachteilig für den Patienten: ein Teil der Transplantierten profitiert möglicherweise von einer Bekämpfung der verbliebenen Tumorzellen durch das neue Immunsystem. Man nennt diesen Effekt graft-versus-leukemia (GvL) Reaktion.

Eine Transplantation wird nur durchgeführt bei:

  • Patienten, bei denen eine Behandlung mit Imatinib oder neueren Tyrosinkinase-Inhibitoren unwirksam ist
  • jüngeren Patienten, und
  • Patienten, für die ein kompatibler Spender gefunden wird (Familien- oder Fremdspender).

Therapiekosten

Ungefähre Therapiekosten
Medikament Typische
Dosierung
pro Tag
Tages-
therapiekosten
Glivec® 400 mg 113 €
Tasigna® 600 mg 134 €
Sprycel® 100 mg 189 €
Roferon A® 3 × 6 Mio IE
(pro Woche)
31 €
Litalir® 1 g 4,30 €

Das Standard-Medikament Imatinib (Glivec®) steht in Tablettenform in Dosierungen von 100 mg oder 400 mg zur Verfügung. Die Standard-Dosierung sind 400 mg Imatinib täglich. Der deutsche Apotheken-Preis für die Packung mit 90 Tabletten á 400 mg ist 10.149,80 € (entspricht 112,77 € pro Tablette).[23] Sprycel®-Packungen zu 56 Tabletten á 50 mg kosten 5.291,92 €, was bei der üblichen 100 mg Tagesdosis einem Tagestherapiepreis von 189 € entspricht.[23] Tasigna® gibt es in der Stärke 150 mg (112 Kapseln) zu einem Preis von ca. 3752,26 €[23], was bei der üblichen Tagesdosis von 600 mg Tagestherapiekosten von 134 € mit sich zieht. Die Medikamentenkosten liegen damit für einen CML-Patienten zwischen etwa 41.200 € (Glivec®), 69.000 € (Sprycel®) und 48.779 € (Tasigna®) pro Jahr. Aus diesen Zahlen wird verständlich, dass Glivec® heute trotz der relativen Seltenheit der Erkrankung CML das nach Umsatzvolumen zweitwichtigste Medikament der Firma Novartis ist. Im Jahr 2008 wurden damit 3,7 Milliarden US$ Umsatz erzielt.[24]

Zum Vergleich: die Behandlung mit Hydroxycarbamid (Hydroxyurea, zum Beispiel Litalir®) verursacht bei 1 g Tagesdosis jährliche Therapiekosten von ca. 1600 €, die mit Interferon alpha (zum Beispiel Roferon® 3 x 6 Mio IE wöchentlich) jährliche Kosten von ca. 11.500 €.[23]

Die Kosten für eine allogene Stammzelltransplantation werden inklusive der Nachbehandlung auf etwa 150.000 € pauschal geschätzt.

Prognose

Bevor Medikamente zur Verfügung standen, war die CML die Erkrankung aus dem Formenkreis der Myeloproliferativen Neoplasien (MPN) mit der allerungünstigsten Prognose. Das mediane Überleben von CML-Patienten betrug ohne Behandlung nur etwa drei bis vier Jahre. Hydroxycarbamid führte zu einer geringen Verbesserung[25] und Interferon führte darauf folgend zu einer weiteren Verbesserung des medianen Überlebens auf etwa fünf Jahre.[26] Heute liegen die Fünf-Jahres-Überlebensraten bei Imatinib-Behandlung bei etwa 90 Prozent oder sogar noch darüber. Langzeit-Studien zur Lebenszeitverlängerung bei Anwendung von Imatinib stehen noch aus und werden in den nächsten Jahren erwartet. Das Zehnjahresüberleben von mit Imatinib behandelten Patienten liegt aber absehbar deutlich höher als nach Stammzelltransplantation, wo die Überlebensraten historisch mit etwa 55 Prozent nach zehn Jahren angegeben werden (siehe auch Hasford-Score unter Weblinks). Bei Stammzelltransplantation verstirbt ein erheblicher Teil der Patienten an den Folgen der intensiven Behandlung, an schweren Infektionen oder einer graft-versus-host-Erkrankung. Auch die überlebenden Patienten nach Stammzelltransplantation haben häufig mit dem Problem einer chronischen graft-versus-host-Erkrankung zu kämpfen, so dass sie zwar kein Imatinib mehr einnehmen müssen, dafür aber andere Medikamente gegen die GvH-Erkrankung.

Heute ist es daher nicht mehr wie früher gerechtfertigt, CML-Patienten gleich nach Diagnosestellung einer Transplantation zuzuführen. Wohl aber kann es sinnvoll sein, bei einzelnen Hochrisiko-Patienten im Krankheitsverlauf eine Transplantation durchzuführen, wenn diese zum Beispiel kein Ansprechen auf die Behandlung mit Imatinib oder anderen Tyrosinkinase-Inhibitoren zeigen und sonst in gutem Allgemeinzustand sind. Unter Interferon-α-Therapie leben nach zehn Jahren noch 40 Prozent, von den Hochrisikogruppen nur 20 Prozent.

Komplette Heilung ohne Stammzelltransplantation?

Eine komplette Heilung im Sinne eines völligen Verschwindens des BCR-ABL-Onkogens ist in den meisten Fällen weder durch die bisherigen Tyrosinkinase-Inhibitoren (Imatinib, Nilotinib, Dasatinib) noch durch Interferon-α zu erreichen. Es gibt Patienten, bei denen Imatinib oder Nilotinib so gut wirken, dass das BCR-ABL-Onkogen selbst mit den empfindlichsten Messmethoden nicht mehr nachweisbar ist. Hier ist im Einzelfall unklar, ob diese Patienten als geheilt gelten können, oder ob einfach die Messempfindlichkeit der Untersuchungsmethode nicht ausreicht, um die noch wenigen verbliebenen CML-Zellen nachzuweisen. Zur Zeit wird deswegen in diesen Fällen im Allgemeinen nicht empfohlen, die Medikamente unkontrolliert wegzulassen, da ein Wiederauftreten der Erkrankung befürchtet wird. Klinische Studien hierzu laufen, in denen unter anderem zum Beispiel untersucht wird, ob man bei einer solchen oben beschriebenen BCR-ABL-Negativität mit immuntherapeutischen Ansätzen (zum Beispiel Interferon) eventuell die letzten verbliebenen CML-Stammzellen eliminieren kann, um den Patienten komplett zu heilen.[27]

Literatur

  • Bubnoff, Nikolas von; Duyster, Justus: Chronische myeloische Leukämie: Therapie und Monitoring. In: Dtsch Arztebl Int. Nr. 107(7), 2010, S. 114–121 (Abstract).

Einzelnachweise

  1. Chronische myeloische Leukämie Leitlinie. Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO), 27. September 2009, abgerufen am 8. August 2011 (pdf).
  2. Junia V. Melo, David J. Barnes: Chronic myeloid leukaemia as a model of disease evolution in human cancer. In: Nature Reviews Cancer. 7, 2007, S. 441-453. PMID 17522713. Abgerufen am 8. August 2011.
  3. a b SEER Stat Fact Sheets: Chronic Myeloid Leukemia. Surveillance, Epidemiology and End Results (SEER), abgerufen am 2. Juni 2011 (englisch, nach Daten 2004-2008).
  4. CA Schiffer: BCR-ABL Tyrosine kinase inihitors for chronic myelogenous leukemia, N Engl J Med 2007; 357: 258-265. PMID 17634461
  5. Die Zahlenangabe für Deutschland beruht auf Schätzungen des Kompetenznetzes Akute und Chronische Leukämien weblink, die Zahlen für Österreich und die Schweiz sind proportional zu den deutschen Zahlen geschätzt
  6. a b c Hochhaus A: Chronische myeloische Leukämie (CML). In: Seeber S., Schütte J. (Hrsg.) Therapiekonzepte Onkologie. Springer-Verlag Heidelberg, 2007, S. 293. ISBN 978-3-540-28588-5
  7. a b Savage DG et al.: Clinical features at diagnosis in 430 patients with chronic myeloid leukaemia seen at a referral centre over a 16-year period. Br J Haematol 1997;96:111-6. PMID 9012696
  8. http://www.leukemia-net.org/
  9. a b O'Brien SG, Guilhot F, Larson RA, Gathmann I, Baccarani M, Cervantes F, Cornelissen JJ, Fischer T, Hochhaus A, Hughes T, Lechner K, Nielsen JL, Rousselot P, Reiffers J, Saglio G, Shepherd J, Simonsson B, Gratwohl A, Goldman JM, Kantarjian H, Taylor K, Verhoef G, Bolton AE, Capdeville R, Druker BJ; IRIS Investigators. Imatinib compared with interferon and low-dose cytarabine for newly diagnosed chronic-phase chronic myeloid leukemia. N Engl J Med 2003;348:994-1004. PMID 12637609
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  11. Europäischer öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR) Glivec (pdf) der Europäischen Arzneimittelagentur
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  13. a b Baccarani M, Saglio G, Goldman J, Hochhaus A, Simonsson B, Appelbaum F, Apperley J, Cervantes F, Cortes J, Deininger M, Gratwohl A, Guilhot F, Horowitz M, Hughes T, Kantarjian H, Larson R, Niederwieser D, Silver R, Hehlmann R; European LeukemiaNet. Evolving concepts in the management of chronic myeloid leukemia: recommendations from an expert panel on behalf of the European LeukemiaNet. Blood. 2006;108:1809-20. PMID 16709930
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  15. Talpaz M. et al.: Dasatinib in Imatinib-Resistant Philadelphia Chromosome-Positive Leukemias, N Engl J Med 2006;354:2531-41. PMID 16775234
  16. Kantarjian H, et al.: Nilotinib in Imatinib-Resistant CML and Philadelphia Chromosome-positive ALL. N Engl J Med 2006;354:2542-51. PMID 17715389
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  21. O'Hare T, Eide CA, Deininger MWN: Bcr-Abl kinase domain mutations, drug resistance, and the road to a cure for chronic myeloid leukemia. Blood 2007;110(7):2242-2249.PMID 17496200
  22. Redaelli S, Piazza R, Rostagno R, et al. Activity of bosutinib, dasatinib, and nilotinib against 18 imatinib-resistant BCR/ABL mutants. J Clin Oncol 2009;27(3):469-471. PMID 19075254
  23. a b c d Preise lt. Preisliste DocMorris, Stand: 18. April 2010
  24. Novartis: Phase-II-Daten für Tasigna zeigen hohe Wirksamkeit bei CML. Abgerufen am 13. Juni 2011.
  25. R. Hehlmann, H. Heimpel u.a.: Randomized comparison of busulfan and hydroxyurea in chronic myelogenous leukemia: prolongation of survival by hydroxyurea. The German CML Study Group. In: Blood Band 82, Nummer 2, Juli 1993, S. 398–407, ISSN 0006-4971. PMID 8329700.
  26. R. Hehlmann, H. Heimpel u.a.: Randomized comparison of interferon-alpha with busulfan and hydroxyurea in chronic myelogenous leukemia. The German CML Study Group. In: Blood Band 84, Nummer 12, Dezember 1994, S. 4064–4077, ISSN 0006-4971. PMID 7994025.
  27. Burchert A, Müller MC, Kostrewa P, Erben P, Bostel T, Liebler S, Hehlmann R, Neubauer A, Hochhaus A: Sustained molecular response with interferon alfa maintenance after induction therapy with imatinib plus interferon alfa in patients with chronic myeloid leukemia. J Clin Oncol 2010;28(8):1429-35. PMID 20142590

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