Cluny (Abtei)

Cluny (Abtei)
Modell der ehemaligen Klosteranlage von Cluny
Ostflügel der Abtei
Der Tour Fabry am Ende der Nordmauer des Klosters
Inneres des Querhauses

Die Abtei von Cluny [klyˈni] in Burgund war als Ausgangspunkt bedeutender Klosterreformen eines der einflussreichsten religiösen Zentren des Mittelalters. Ihre Kirche war zeitweise das größte Gotteshaus des Christentums. Mehrere Gebäude der Benediktinerabtei und einige Reste der im Zuge der Französischen Revolution gesprengten Abteikirche im Zentrum der gleichnamigen französischen Stadt Cluny sind erhalten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Cluny wurde mit Urkunde vom 11. September 910 durch Wilhelm I. Herzog von Aquitanien und Graf von Mâconnais als Benediktinerkloster gegründet. Dabei verzichtete Herzog Wilhelm auf jede Gewalt über das Kloster und schloss jegliche Einmischung weltlicher oder geistlicher Gewalt in die internen Angelegenheiten des Klosters aus (Exemtion und Immunität). Insbesondere wurde auf die wirtschaftliche Nutzung verzichtet. Das Kloster selbst wurde unter den direkten Schutz des Papstes gestellt. Für die Verhältnisse des 10. Jahrhunderts war dies eine Neuerung. Wilhelm ernannte lediglich den ersten Abt Berno und erlaubte dem Konvent danach eine freie Abtswahl. Diese beiden Kriterien, Exemtion und freie Abtswahl, trugen wesentlich zur Entfaltung Clunys bei. Diese Neuerungen sowie eine strenge Auslegung der Benediktusregel machten Cluny zum Ausgangs- und Mittelpunkt der cluniazensischen Reform, in deren Blütezeit etwa 1.200 Klöster mit rund 20.000 Mönchen zu Cluny gehörten. Eines der wichtigsten Priorate lag in La Charité-sur-Loire. Bemerkenswert war die straffe Ordnung innerhalb der Gemeinschaft. Noch heute gibt es eine rege Diskussion über die Cluniazensische Bewegung, welche von der Abtei ausging.

Von 927 bis 1156 wurde Cluny von fünf einflussreichen Äbten regiert, die zugleich Freunde und Ratgeber von Kaisern, Königen, Fürsten und Päpsten waren.

Bereits der erste Abt, Berno, brachte Reformideen aus seinem vorherigen Kloster mit. Damit wurden die Ideen von Benedikt von Aniane (750–821) wieder aufgenommen. Im Mittelpunkt stand die Rückkehr zu den Klosterregeln des hl. Benedikt, der Regula Benedicti, und der Kampf gegen die Verweltlichung des Klosterlebens. Unter Abt Berno entstand der Cluniazensische Verband.

Sein Nachfolger Odo baute den Verband aus. Dabei wurden entweder neue Priorate von Cluny aus gegründet oder die Kommunität einer bereits bestehenden Abtei schloss sich Cluny an. Auch wurden Bitten von adeligen Klosterherren an Odo herangetragen, in ihren Klöstern Reformen nach dem Vorbild Clunys durchzuführen. Dafür verzichteten die Adeligen auf ihren Einfluss auf diese Klöster.

Im Cluniazensischen Verband gab es vier Stufen von eingegliederten Klöstern: In Prioraten war der Abt von Cluny direkter Oberer. Geleitet wurden diese Priorate von einem Prior, der dem Abt von Cluny gegenüber ein Treuegelöbnis ablegen musste. Die nächste Stufe war die der inkorporierten Abteien. Die Abteien dieser Stufen unterschieden sich von Prioraten dadurch, dass sie einen eigenen Abt hatten, der aber dem Abt von Cluny unterstand und diesem ein Treuegelöbnis leisten musste. Die dritte Stufe war die der abhängigen, von Cluny kontrollierten Abteien. Dies waren in der Regel große Abteien mit intaktem Wirtschaftsbetrieb, die vorher dem Papst unterstellt waren und die dieser zu Reformen Cluny übergab und dabei die je eigene Rechtsstellung einer Abtei zu Cluny festlegte. So ernannte etwa der Abt von Cluny den Abt einer solchen Abtei oder war doch bei seiner Ernennung wesentlich beteiligt. Die vierte Stufe war die der Abteien, die die Lebensgewohnheiten von Cluny übernahmen, aber selbständig blieben. Die klösterliche Disziplin im Verband wurde durch die Kontrolle der eingegliederten Klöster durch den Abt von Cluny aufrechterhalten.

Die Liturgie stand in Cluny im Vordergrund. Mit der Zeit wurde das Chorgebet immer umfangreicher. So betete jeder Mönch unter Abt Hugo täglich 215 Psalmen, gegenüber den von Benedikt in seiner Regel vorgesehenen 37 Psalmen täglich. So wurde wegen des umfangreichen liturgischen Dienstes insbesondere die Handarbeit von den Mönchen vernachlässigt, die sich dazu Konversen ins Kloster holten. Bei der Liturgie stand das Totengedenken weit oben an. Abt Odilo führte als allgemeinen Gedächtnistag für alle Verstorbenen den Allerseelentag ein, der später in der gesamten katholischen Kirche eingeführt wurde und bis heute begangen wird.

Durch seine Prachtentfaltung übte Cluny auch eine hohe Anziehung auf Adlige aus, sodass das Kloster reiche Schenkungen von Vermögenden bekam. Die Abtei besaß zu dieser Zeit ein enormes Geldvermögen. Trotz der äußeren Pracht wurde immer Wert auf strenge Askese gelegt. Der Abt beispielsweise hatte nicht, wie Benedikt in seiner Regel erlaubt und es auch sonst praktiziert wurde, eine eigene Wohnung im Klosterbereich, sondern lebte mit den Mönchen.

Nach Abt Petrus Venerabilis begann Mitte des 12. Jahrhunderts der Niedergang Clunys. Es setzte eine Phase der Stagnation in der Ausbreitung des cluniazensischen Verbandes ein. Außerdem zeigten einige Klöster des Verbandes Verselbständigungstendenzen. Hinzu kam die Auseinandersetzung mit Bernhard von Clairvaux und den späteren Zisterziensern.

In der Folge der französischen Revolution wurde die Abtei aufgehoben. Die Kirche wurde gesprengt und unter Napoleon als Steinbruch für den Bau des „Haras National“ (Pferdezucht) in Cluny genutzt. Die eigentlichen Klostergebäude dienen heute als Berufsschule.

Abteikirche

Das Kloster von Cluny: Eingang zur Abtei (Zeichnung, 18. Jahrhundert oder früher)
Plan der dritten und letzten Abteikirche
Cluny, Rekonstruktion

Ihre Entwicklung verdankt die Abtei in besonderer Form den ersten sechs Äbten. Auch die Abteikirche von Cluny wurde den Anforderungen des vermehrten liturgischen Dienstes angepasst und zweimal umgebaut, einmal unter Abt Maiolus (981, Cluny II) und ein weiteres Mal unter Abt Hugo (1089, Cluny III). Cluny II war die erste Kirche mit stufenförmiger Choranlage. Die Kirche hatte eine Flachdecke. Einige Kirchen mit Flachdecke, wie zum Beispiel die Klosterkirche in Alpirsbach, folgen diesem Einfluss. Auch das Kloster von Hirsau (begonnen 1082), wurde Cluny II nachempfunden, obwohl dieser Baustil bereits „veraltet“ und Cluny III schon im Bau war. Die Weihe des Hochaltars der Klosterkirche Cluny III fand 1095 statt. Der Bau hielt bis ins 12. Jahrhundert an. Cluny III war bis zum Wiederaufbau von Sankt-Peter im Vatikan der größte Kirchenbau der Christenheit mit einem fünfschiffigem Langhaus von 187 m Länge und zwei Querschiffen, von denen heute nur noch letztere teilweise erhalten sind. Der Grundriss mit doppelten Seitenschiffen wurde nach vielen Jahrhunderten des Vergessens von den konstantinischen Kirchen wie Alt-St. Peter übernommen. Besonders beeindruckend bei Cluny III war das Gewölbe mit einer Spanne von 12,20 m bei einer Höhe von 30,48 m. Der Clunezianerorden hatte einen besonderen Einfluss auf die Architektur der damaligen Zeit. Allerdings sind viele Bauwerke des clunezianischen Baustils nicht mehr erhalten. Der wiedergefundene Grundriss mit den doppelten Seitenschiffen lebt jedoch in vielen Kirchen fort, so zum Beispiel in der Kathedrale Notre-Dame in Paris. 1810 wurden große Teile der Anlage gesprengt.

Literatur

  • K. J. Conant: Cluny. Les églises et la maison du chef d’ordre; 1968
  • B. Egger: Geschichte der cluniazensischen Klöster in der Westschweiz; 1907
  • Karl Suso Frank: Cluny, in: TRE 8 (1981) 126–132
  • Kassius Hallinger: Gorze-Kluny. Studien zu den monastischen Lebensformen und Gegensätzen im Hochmittelalter; 2 Bde., 1950/51
  • A. Hessel: Cluny und Mârcon; in: ZKG 22 (1901)
  • ders.: Odo von Cluny und das französische Kulturproblem im frühen Mittelalter; in: HZ 128 (1923)
  • D. Knowles: Aufstieg und Niedergang von Cluny; in: Concilium 10 (1974), 475–480
  • Frédéric Lenoir und Violette Cabesos: Der Fluch des Mont-Saint-Michel; 2007
  • E. Sackur: Die Cluniazenser; 2 Bde., 1892/94
  • E. Werner: Die gesellschaftlichen Grundlagen der Klosterreform im 11. Jahrhundert; 1953
  • Joachim Wollasch: Cluny – „Licht der Welt“. Aufstieg und Niedergang der klösterlichen Gemeinschaft, Artemis und Winkler, Zürich 1996. ISBN 3-7608-1129-9

Weblinks

Siehe auch

46.4340555555564.65916666666677Koordinaten: 46° 26′ 2,6″ N, 4° 39′ 33″ O


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