Collegium Humanum

Collegium Humanum

Das Collegium Humanum (Internationales Studienwerk – Collegium Humanum e. V.) war ein rechtsextremer Verein, der 2008 verboten wurde.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Collegium Humanum wurde 1963 von Werner Georg Haverbeck als „Heimvolkshochschule für Umwelt und Lebensschutz“ im ostwestfälischen Vlotho gegründet. Als eingetragener und gemeinnützig anerkannter Verein war das Collegium Humanum in Bad Oeynhausen registriert (Eintragsdatum: 10. Dezember 1968) und hatte seinen Sitz im Vlothoer Stadtteil Valdorf.[1]

Mit der Gründung des Collegiums, dessen Haus 50 Betten und Platz für bis zu 150 Gäste bot, versuchte Haverbeck in den 1970er Jahren, mit Bildungsarbeit des Collegiums auch Angehörige der frühen Ökologiebewegung zu erreichen. Zudem wurden Veranstaltungen zu esoterischen und anthroposophischen Themen angeboten.

Seit 1981 entwickelte sich der Verein zu einem Zentrum für Antisemitismus und Holocaustleugnung. Er diente als Anlaufpunkt für Rechtsextremisten von der Neuen Rechten bis hin zu Freien Kameradschaften. So tagte 1984 ein „Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers“ dort. Musikveranstaltungen mit folkloristischen Gruppen, nationalistischen Liedermachern bis hin zur schottischen Blood-and-Honour-Band Nemesis fanden ebenfalls statt.

1994 übernahm der Zahnmediziner Hans-Jürgen Klose aus Duisburg vorübergehend die Leitung des Collegiums. Immer wieder waren Holocaustleugner wie der Schweizer Bernhard Schaub und der NPD-Anwalt und ehemalige APO-Aktivist Horst Mahler zu Gast. Wegen starker Proteste aus der Bevölkerung zog sich Klose jedoch aus Vlotho zurück. Danach wurde Ursula Haverbeck-Wetzel Vorsitzende des Vereins. Zusammen mit dem „Weltbund zum Schutz des Lebens“ (WSL) gab das Collegium bis zur Auflösung des Weltbundes 2001 die zweimonatlich in 3000 Exemplaren erscheinende Stimme des Gewissens heraus. Anschließend übernahm das Collegium die Zeitschrift und die Mitglieder. 2003 wurden zwei Ausgaben wegen Holocaustleugnung beschlagnahmt.

Die regelmäßigen Teilnehmer und Referenten Schaub und Mahler gründeten am 9. November 2003 in Vlotho den dem Collegium nahestehenden „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“. Auch dieser Verein wurde Anfang Mai 2008 verboten.

Besonderes Gewicht hatte für das Collegium die Beeinflussung Jugendlicher mit holocaustleugnender Propaganda. So fand im November 2006 eine „Geschichtswerkstatt“ zur Holocaustleugnung statt. Eine weitere ähnliche Veranstaltung speziell für 16- bis 25-Jährige fand vom 23. bis 25. März 2007 statt; als Referenten wurden Schaub und Olaf Rose genannt. Damit reagierte der Verein auf die internationale Holocaust-Konferenz von Antizionisten, Geschichtsrevisionisten und Holocaustleugnern im Dezember 2006 im Iran, bei der verstärkte Kampagnen gegen die gültige Rechtsprechung, die die Holocaustleugnung in vielen europäischen Staaten unter Strafe stellt, gefordert und organisiert wurden. Schaub war einer der Hauptredner. Rose, Vorstandsmitglied der rechtsextremen Gesellschaft für freie Publizistik und parlamentarischer Berater der sächsischen NPD-Landtagsfraktion, war ebenfalls Gast der Konferenz.

Im März 2007 bezeichnete die Linksfraktion im Bundestag das Collegium als „Zentrum für offen neonazistische und antisemitische Aktivitäten“ und wollte wissen, ob die Bundesregierung Erkenntnisse über verfassungsfeindliche oder verfassungswidrige Betätigung des Vereins hat und ob sie Möglichkeiten dafür sieht, auf das Land Nordrhein-Westfalen einzuwirken, ihm die Gemeinnützigkeit zu entziehen.

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen forderte am 20. Februar 2008 die Bundesregierung auf, ein Verbot des Vereins „Collegium Humanum“ nach dem Vereinsgesetz zu prüfen.[2]

Nach kritischen Äußerungen der Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, wurde diese in einem Brief des Vereins bedroht.[3]

Am 7. Mai 2008 wurde das Collegium Humanum einschließlich des angeschlossenen Vereins „Bauernhilfe e. V.“ durch den Bundesminister des Innern nach § 3 des Vereinsgesetzes verboten, da es sich „gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland (richte) und (...) durch (...) fortgesetzte Leugnung des Holocaust gegen geltendes Recht (verstoße).“ Im Anschluss an die Verbotsverfügung wurden an mehreren Orten in Deutschland Hausdurchsuchungen durchgeführt. [4] Mit dem Verbot war der Einzug des Vereinsvermögens (z.B. der Vlothoer Immobilien) verbunden.

Am 25. August 2008 lehnte das Bundesverwaltungsgericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesministeriums des Innern ab, ebenso einen Antrag auf Prozesskostenhilfe.[5] Am 5. August 2009 bestätigte der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts die Verbotsverfügung des Bundesinnenministers endgültig. Zur Begründung hieß es, der Verein habe in mehreren Artikeln den Holocaust geleugnet und damit den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt. Der Verein habe eine „Wesensverwandschaft“ zum Nationalsozialismus und glorifiziere die NS-Herrschaft. Weiterhin untergrabe er die verfassungsgemäße Ordnung Deutschlands.[6][7]

Finanzierung

Das Collegium Humanum wurde über Seminargebühren und Spenden finanziert.[8]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eintrag Bad Oeynhausen VR 403 im Gemeinsamen Registerportal der Länder
  2. Antrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Februar 2008
  3. Rechtsextreme Bedrohung, focus.de vom 3. März 2008
  4. Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble verbietet rechtsextremistische Organisationen. Bundesministerium des Innern, abgerufen am 7. Mai 2008.
  5. Beschluss BVerwG 6 VR 1.08
  6. Pressemitteilung Nr. 49/2009 des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Verfahren BVerwG 6 A 2.08; BVerwG 6 A 3.08 vom 5. August 2009
  7. Collegium Humanum bleibt verboten, wdr.de vom 5. August 2009
  8. Deutscher Bundestag, Drucksache 16/4919, 16. Wahlperiode, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Kersten Naumann und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 16/4687 vom 30. März 2007, S.4
52.1499498.880107

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