Columbushaus

Columbushaus
Columbushaus am Potsdamer Platz, 1932
Columbushaus ca. 1940 nach Eröffnung des S-Bahnhofs Potsdamer Platz

Das Columbushaus (nicht zu verwechseln mit dem Columbiahaus) war ein neungeschossiges Büro- und Geschäftshaus am Berliner Potsdamer Platz, das neben der seinerzeit modernen architektonischen Gestaltung auch durch die Ereignisse zum Kriegsende 1945 und zum Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953 bekannt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Columbushaus wurde von 1930 bis 1932 von dem progressiven Architekten Erich Mendelsohn im Auftrag des Grundstückbesitzers Wertheim anstelle des 1928 abgerissenen Grand-Hotels Bellevue errichtet und bereits nach dem Mauerbau im Jahr 1961 wieder abgetragen. Das Gebäude stand auf dem Eckgrundstück zwischen Friedrich-Ebert-Straße und Bellevuestraße, dem sogenannten „Lenné-Dreieck“. Diese Fläche gehörte ursprünglich zum Bezirk Mitte (nach Kriegsende in Ost-Berlin), lag aber nach dem Mauerbau 1961 vor der geradlinig durchgezogenen Mauer und war nur notdürftig mit einem Zaun gegen Zutritt von West-Berlin gesichert. Im Rahmen eines Gebietstauschs kam das Lenné-Dreieck 1988 dann zum West-Berliner Bezirk Tiergarten.

Das große neungeschossige Gebäude hob sich mit seiner modernen horizontalen Fassadengliederung deutlich von den übrigen Gebäuden am Potsdamer Platz ab. Bislang standen hier Bauten aus der Gründerzeit oder Bauten mit klassizistischer Gestaltung. Dank einer Stahlskelettkonstruktion waren die Büroetagen fast stützenfrei und konnten mit nichttragenden Trennwänden fast beliebig unterteilt werden. Im Columbushaus gab es zum ersten Mal in Deutschland eine künstliche Belüftungsanlage.

Im Erdgeschoss waren verschiedene Ladengeschäfte (unter anderem eine Woolworth-Filiale) und im ersten und neunten Obergeschoss ein Café-Restaurant untergebracht. Im zweiten bis achten Obergeschoss befanden sich Büroflächen. Im Gebäude waren zunächst weiterhin ein Reisebüro, die Firma Büssing, die Deutsche Edelstahl und andere bekannte Unternehmen und Verbände ansässig. Auf dem Dach war eine große Neonreklame für die nationalsozialistische Zeitung Braune Post montiert. Während der Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin beherbergte das Haus die Auskunftsstelle des Organisationskomitees der Olympiade. Am 1. Dezember 1939 wurden von Richard von Hegener drei oder vier Büroräume des Hauses für die Tarnorganisationen angemietet, die für die Durchführung der nationalsozialistischen Krankenmorde, der „Aktion T4“, gegründet worden waren. Dieses zentrale Büro wurde mindestens bis April 1940 genutzt, ab dann war die nahegelegene Tiergartenstraße 4 Hauptsitz der Organisation.[1]

In der Schlacht um Berlin gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude beschädigt, die tragenden Strukturen jedoch waren weitestgehend erhalten. Wegen der modernen Bauweise hielten sich die Schäden in Grenzen.

Beschädigtes Columbushaus (links), 1945
Columbushaus 1950

Nach dem Krieg befand sich das Haus im sowjetischen Sektor. Wertheim nutzte im Erdgeschoss Ladenräume und in weiteren Etagen Büroräume für Verwaltungszwecke. Nach der Enteignung des Wertheim-Konzerns wurden die Läden von der Handelsorganisation (HO) übernommen, die Volkspolizei zog mit einer Polizeiwache in das Gebäude ein.

Beim Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953 wurde das Columbushaus gestürmt und in Brand gesteckt. Die Ruine wurde 1961, so wie die meisten anderen Gebäude und Gebäudereste im damaligen Grenzbereich, im Zuge des Baus der Berliner Mauer abgetragen. Dabei wurden die Konstruktionsteile des Stahlskelettes abgefahren und anderweitig weiterverwendet.

Da die Mauer geradlinig im Zuge der Friedrich-Ebert-Straße gebaut wurde, lag das zu Ost-Berlin gehörende brachliegende Grundstück vor der Mauer und war vom Westteil zugänglich. In die Schlagzeilen geriet das Grundstück durch den geplanten Weiterbau eines Teilstücks der Stadtautobahn (Westtangente) durch den Tiergarten und eine aus Protest hiergegen erfolgte Besetzung im Jahr 1988. Durch einen Gebietstausch kam das Grundstück mit dem Lenné-Dreieck noch kurz vor der Wende zu West-Berlin.

Nach dem Fall der Mauer wurde am alten Standort des Columbushauses nördlich der Bellevuestraße im Zuge des Wiederaufbaus des Potsdamer Platzes von Otto Beisheim und anderen Investoren das Beisheim-Center mit mehreren Hotels wie dem Marriott und dem Ritz-Carlton errichtet.

Literatur

  • Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Industriebauten, Bürohäuser. Berlin und seine Bauten, Teil IX. Berlin: Wilhelm Ernst & Sohn, 1971. ISBN 3-433-00553-2

Weblinks

 Commons: Columbushaus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Thomas Vormbaum (Hrsg): „Euthanasie“ vor Gericht. Die Anklageschrift des Generalstaatsanwalts beim OLG Frankfurt/M. gegen Dr. Werner Heyde u. a. vom 22. Mai 1962.(Heyde-Anklage) Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin, 2005. ISBN 3-8305-1047-0. Seite 134 und 226.


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