Competitive Intelligence

Competitive Intelligence

Competitive-Intelligence (CI), zu deutsch etwa „Konkurrenz-/Wettbewerbsforschung, -analyse, -beobachtung, -(früh)aufklärung“, bezeichnet die systematische, andauernde und legale Sammlung und Auswertung von Informationen über Konkurrenzunternehmen, Wettbewerbsprodukte, Marktentwicklungen, Branchen, neue Patente, neue Technologien und Kundenerwartungen. Durch CI können Unternehmen frühzeitig ihre Strategie und Wettbewerbsstrategie an die sich ändernden Wettbewerbsstrukturen anpassen und aufgrund von besseren Informationen Wettbewerbsvorteile im dynamischen Wettbewerbsmarkt erreichen. Börsennotierte Unternehmen in den USA müssen nach dem Sarbanes-Oxley-Act ihren Aktionären innerhalb von 48 Stunden Informationen über Ereignisse geben, die ihre Wettbewerbsfähigkeit betreffen. Bis spätestens 2005 musste eine formalisierte CI-Funktion innerhalb dieser Unternehmen installiert sein.

Die Begriffe Competitive-Intelligence und Business-Intelligence werden weitgehend synonym verwendet, wobei der Begriff Business-Intelligence etwas allgemeiner gefasst ist und auch die Auswertung firmeninterner Daten einschließt. Im Französischen wird hierbei mit dem parallelen Begriff der veille technologique zudem die Suche nach technischer Innovation verstanden. Der Begriff CI hat sich jedoch nicht zuletzt durch die von der Society of Competitive Intelligence Professionals (SCIP) festgelegten Definition als eigenständiger Begriff etabliert und Eingang in die Curricula von Hochschulen gefunden. Im Gegensatz zur Competitive-Intelligence befasst sich die Marktforschung mit der Informationsgewinnung über den Absatzmarkt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Competitive Intelligence hat ihre Wurzeln sowohl in der Militärgeschichte (vgl. Militärnachrichtendienst) als auch in der Marktforschung.

Militär

Carl von Clausewitz

Bereits der chinesische General Sunzi (um 500 v. Chr.) hat in seinem Werk Die Kunst des Krieges die kriegsentscheidende Wichtigkeit von Informationen über Stärken und Schwächen der eigenen Armee und der des Gegners beschrieben.

Nicht erst seit Carl von Clausewitz´ berühmten Buch Vom Kriege (1852) mit Kapiteln wie Nachrichten im Kriege (Erstes Buch: Über die Natur des Krieges, Sechstes Kapitel) hat Informationsgewinnung in der deutschen Militärgeschichte eine lange Tradition. In Preußen, mit seiner von Kriegen und wechselnden Allianzen durchzogenen Geschichte im 17. und 18. Jahrhundert, war die organisierte Informationsgewinnung neben dem stehenden Heer und den straff durchorganisierten Institutionen eine politische Notwendigkeit. Nach 1945 waren eine militärische Ausdrucksweise und preußisches Gedankengut in Deutschland jedoch wenig gefragt.

Industrialisierung

Nathan Mayer Rothschild

Besonders in industrialisierten Märkten mit wenigen direkten Konkurrenten gibt es seit dem Zeitalter der Industrialisierung eine aggressive Marktforschung. Ohne diese Marktforschung wäre Deutschland nicht zu den führenden Industrienationen der Welt aufgestiegen. Durch die zunehmende Industrialisierung wurde es für die Wirtschaft immer wichtiger, auf dem schnellst möglichen Weg Nachrichten zu erhalten.

Ein frühes Beispiel für CI mit dem berühmten englischen Bankier Nathan Mayer Rothschild ereignete sich 1815 unmittelbar nach der Schlacht bei Waterloo. Vor der Nutzung von Telegrafenlinien wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts Taubenpost zur schnellen Nachrichtenübermittlung genutzt. Nach der Schlacht bei Waterloo kannte Rothschild dank seiner Brieftauben noch vor dem englischen Premierminister den Sieger der Schlacht. Rothschild verkaufte seine Aktien, die Anleger glaubten er sei im Besitz von Information über eine britische Niederlage und verkauften ebenfalls ihre Aktien. Nachdem die Kurse der Wertpapiere erheblich gesunken waren, kaufte Rothschild die Wertpapiere heimlich wieder auf. Als die Nachricht vom Sieg über Napoleon offiziell eintraf, verzeichnete Rothschild durch den folgenden Kursanstieg hohe Gewinne.

20./21. Jahrhundert

In den 1970er Jahren entwickelte sich im angloamerikanischen Raum die Competitive-Intelligence als Bestandteil der Marktforschung. 1980 gilt mit der von Michael Porter veröffentlichten Studie Competitive-Strategy: Techniques for Analyzing Industries and Competitors als der Beginn der modernen Competitive Intelligence. Nach dem Kalten Krieg wechselten in den USA viele (Ex-) Geheimdienstagenten in die private Wirtschaft. 1986 wurde in den USA die Society of Competitive Intelligence Professionals (SCIP) gegründet, mit heute über 6000 Mitgliedern hauptsächlich aus Nordamerika.

Konkurrenzanalyse wurde als Wettbewerbsstrategie in Deutschland bis Anfang der 1990er Jahre vernachlässigt, der Begriff Competitive Intelligence tauchte in der deutschen Literatur erstmals 1997 (Kunze) deutlich in einem Titel auf. 1995 wurde ein SCIP-Ableger in Deutschland gegründet mit den heute zweithöchsten Mitgliederzahlen in Europa nach der Schweiz. 2002 folgte die Gründung des Deutschen Competitive Intelligence Forums durch SCIP-Mitglieder. Im Sommer 2004 wurde das Institut für Competitive Intelligence gegründet, das ein berufsbegleitendes Weiterbildungs-Programm anbietet. Ein weiterer regionaler Verband entstand im Juli 2006 mit der Swiss Competitive Intelligence Association (SCIA). Ende 2008 gründete sich in Hamburg die Competitive Intelligence Research Group (CIRG), die versucht einen neuen Ansatz hinsichtlich der Umsetzung von CI zu entwickeln.

In Frankreich wurde 1997 die École de guerre économique, die „Schule für Wirtschaftskrieg“ gegründet. Japan ist der bisher einzige Staat, der einen Wirtschaftsgeheimdienst (JETRO) unterhält. Er wurde 1958 gegründet und ist dem Handelsministerium (MITI) unterstellt.

Ethische Aspekte

Im Gegensatz zur Wirtschaftsspionage befasst sich CI ausdrücklich nur mit legalen, Datenschutz konformen, öffentlich zugänglichen und ethisch einwandfreien Informationen über die Schwächen, Absichten und Fähigkeiten von Wettbewerbern. Die Übergänge zwischen CI und Wirtschaftsspionage sind wegen oft unterschiedlicher nationaler Gesetzgebung jedoch fließend. Trash-Trawling und Waste-Archeology, zu deutsch etwa die Auswertung des Mülls von Konkurrenten nach brisanten Informationen, galt beispielsweise lange Zeit solange als ethisch vertretbar solange sich der Müll auf öffentlich zugänglichem Gelände befand. Um sich klar von der Wirtschaftsspionage abzugrenzen, entwickelte SCIP (Society of Competitive Intelligence Professionals) den sogenannten Code of Ethics.

Intelligence-Cycle

Der Prozess der Competitive-Intelligence folgt dem sogenannten Intelligence Cycle. Es handelt sich hierbei um ein Konzept der Informationsbeschaffung und Auswertung, das von Nachrichtendiensten in den 1960er Jahren zuerst beschrieben wurde.

Der Prozess besteht aus den folgenden Schritten:

  1. Projektplanung: Formulierung und Definition des Informationsbedarfs (Definition von CIQs - Critical Intelligence Questions & von CITs - Critical Intelligence Topics)
  2. Informationssammlung: basierend auf den CIQs und CITs; Primärquellen sind Branchenexperten, (ehemalige) Mitarbeiter des Wettbewerbers, Kunden, Lieferanten, Händler, Messen, Kongresse; Sekundärquellen sind Geschäftsberichte, Branchenzeitschriften, Zeitungen, Internet, Patente, Fachdatenbanken
  3. Verarbeitung: Übersetzung (bei fremdsprachigen Quellen), Evaluierung, Strukturierung, Interpretation und elektronische Speicherung der gewonnenen Informationen
  4. Interpretation: Analyse der gewonnenen Erkenntnisse Benchmarking, SWOT-Analyse (Stärken-Schwächenanalyse), Wettbewerberprofilierung, Branchenstrukturanalyse, Simulationsmodelle, Wargaming
  5. Verbreitung der Ergebnisse: Übergabe an den Entscheidungsträger, eventuell weitergehendes Informationsbedürfnis mit erneuter Projektplanung

Informationssammlung

Bis zu etwa 70% der durch Competitive-Intelligence gewonnenen Informationen über Wettbewerber stammen aus der Verarbeitung öffentlicher Quellen. Öffentlich verfügbare Informationen, die zukünftig quantitativ zunehmen, werden bei der CI effizient und systematisch selektiert und interpretiert. Spezifische Fragen des Managements benötigen jedoch unternehmensexterne und -interne primäre Quellen. Viele CI-Bedürfnisse jedoch können nur mit Hilfe aufwendiger Analysen aller Quellen zufriedenstellend beantwortet werden. Dies ist insbesondere bei der strategischen Planung der Fall und macht bei CI etwa 10% aller Fragen aus.

Der Competitive Intelligence-Consultant/Broker arbeitet anders als der Information-Broker als direkter Berater von Entscheidungsträgern.

Literatur

  • Johannes Deltl: Strategische Wettbewerbsbeobachtung. Gabler Verlag, 2004, ISBN 3409125736
  • Christian Lux, Thorsten Peske: Competitive Intelligence und Wirtschaftsspionage. Analyse, Praxis, Strategie. Gabler Verlag, Wiesbaden, 2002, ISBN 3-409-12020-3
  • Rainer Michaeli: Competitive Intelligence. Strategische Wettbewerbsvorteile erzielen durch systematische Konkurrenz-, Markt- und Technologieanalysen. 1. Auflage. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-03081-6
  • Michael E. Porter: Wettbewerbsstrategie. Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten. Campus, 1999, ISBN 3-593-36177-9
  • Heidi Heilmann, Hans-Georg Kemper, Henning Baars: Business & Competitive Intelligence ISBN 3-89864-374-3

Weblinks


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