Compoundkern-Modell

Compoundkern-Modell

Ein Compoundkern oder Zwischenkern ist ein instabiler, kurzlebiger Atomkern, der durch Beschuss eines (i. A. stabilen) Atomkerns mit einem energiereichen Projektil (Nukleon, Alphateilchen) durch Vereinigung der Reaktionspartner entsteht. Er geht nach sehr kurzer Zeit (etwa 10 − 16 bis 10 − 19 s) unter Teilchenemission in einen neuen, stabilen Endkern über.

Man kann diese Kernreaktion im einfachsten Fall (nur 1 emittiertes Teilchen) wie folgt darstellen:

a + X \rightarrow Y* \rightarrow Z + b

Dabei bedeuten:

  • a: einfallendes Teilchen (Projektil)
  • X: Targetkern
  • Y * : Compoundkern
  • Z: Restkern
  • b: emittiertes Teilchen

Diese Modellvorstellung für Kernreaktionen ist vor allem bei kleinen Einschussenenergien (unterhalb weniger MeV) des Projektils anwendbar. Die Absorption a + X → Y* findet bevorzugt dann statt (ihr Wirkungsquerschnitt ist also besonders groß), wenn die Kollisionsenergie annähernd einem Energieniveau des Kerns X entspricht, wenn es also zu einer Resonanz kommt. Die Anregungsfunktion der Reaktion hat im Gebiet der Resonanz eine Breit-Wigner-Form. Da bei der Absorption des Projektils Bindungsenergie frei wird, ist der Compoundkern hoch angeregt (dies deutet der Stern am Symbol Y an). Sein Zerfall Y* → Z + b ist nicht davon abhängig, auf welchem Wege er entstanden ist, sondern nur von seinen Eigenschaften. Diese Folgerung -- und damit die Gültigkeit des Compoundkernmodells im Einzelfall -- ergibt sich aus dem Resonanzspektrum dann, wenn sehr schmale und dicht beieinander liegende Resonanzen beobachtet werden, denn schmale Resonanzen entsprechen einer langen mittleren Lebensdauer; anschaulich ausgedrückt, hat der Compoundkern bei seinem Zerfall "schon vergessen", wie er entstanden ist. Diese vereinfachende Annahme ist allerdings nur korrekt, wenn bei der Betrachtung die Drehimpulsverhältnisse vernachlässigt werden, denn bei Kernreaktionen bleiben Drehimpuls und Parität erhalten, so dass der Drehimpuls des Endzustandes an den des Anfangszustandes gekoppelt ist. Die Berücksichtigung des Drehimpulses führt außerdem dazu, dass die Winkelverteilungen der Reaktionsprodukte im Schwerpunktsystem (CMS) immer symmetrisch zu 90° sind. Die Beobachtung solcher Winkelverteilungen ist daher ein weiterer Hinweis auf diesen Reaktionsmechanismus.

Geschichtliches

Das Compoundkern-Reaktionsmodell wurde von Niels Bohr 1936 vorgeschlagen. Die weitere Entwicklung der Kernphysik hat später andere Reaktionsmodelle hervorgebracht, die besonders bei höheren Projektilenergien zur Erklärung der Beobachtungen nötig sind.

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