Cornemuse du Centre

Cornemuse du Centre

Die Cornemuse du Centre ist ein in Frankreich weit verbreiteter Typus der Sackpfeife. Ursprungsregion ist dem Namen entsprechend Zentralfrankreich.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau

Cornemuse du Centre 16p, gespielt von Robert Amyot. (Instrumentenbauer: J. Béchonnet um 1850, mit Spielpfeife von J.-S. Maître)

Die Spielpfeife ist konisch gebohrt, mit Doppelrohrblatt versehen und weist 7 vorderständige, in zwei Gruppen angeordnete, Grifflöcher auf. Bei modernen Instrumenten sind zwei, bei historischen Instrumenten ein hinterständiges Daumenloch zu finden. Das unterste, für den kleinen Finger vorgesehene Loch ist meist zur Seite versetzt, bei historischen Instrumenten sind oft zwei dieser Löcher vorhanden, wovon das nicht benutzte (linke oder rechte Hand unten) jeweils verschlossen wurde.

Die Bordunpfeifen sind zylindrisch gebohrt, mit Einfachrohrblatt und zwei- (kleiner Bordun) bzw. dreiteilig (großer Bordun).

Das Instrument wird über ein mit einem Ventil versehenes Anblasrohr aufgeblasen, das durch einen eigenen zylindrischen Stock mit dem Sack verbunden ist. Der Sack ist aus einem flachen zusammengenähten Stück Leder gefertigt, bei Instrumenten des 18. und 19. Jahrhunderts aus Ziegenhaut, heute oft aus Rindsleder. Die Nähte zentralfranzösischer Dudelsäcke liegen außen und sind mit einem Lederstreifen abgedeckt. Vor allem bei historischen Instrumenten ist der Ledersack zur Dekoration mit einer dem Ausmaß der Verzierungen des Instruments entsprechend aufwändigen Hülle bedeckt.[1]

Die für die mundgeblasene Cornemuse du Centre typische Anordnung der Bordune ist der kleine Bordun in einem mit der Spielpfeife gemeinsamen meist rechteckigen oder ovalen Spielpfeifenstock (boîtier - frz. ‚Kasten‘, ‚Gehäuse‘), während der große Bordun über der Schulter liegt. Diese Anordnung „mit einer Oboenspielpfeife und einem Klarinettenstimmer in gemeinsamer Tülle sowie einem davon getrennten Klarinettenstimmer“ kommt nur in Frankreich vor.[2] Sie wurde in L' Harmonie Universelle (1636) von Marin Mersenne als cornemuse des bergers (‚Sackpfeife der Schäfer‘) beschrieben, und zwar in der Stimmumg C/c/c’-e’’[2] – also eine cornemuse 23 pouces in tief C; siehe Stimmungen.

Dekoration

Zinnverzierte Cornemuse incrustée 23p, Replik eines historischen Instruments, ausgehendes 18. Jh. (B. Jacquemin). Original dzt. im Musée des musiques populaires, de Montluçon
Zinnverzierter boîtier einer Cornemuse 23p. tief-C (B. Jacquemin, n. hist. Vorlage)

Ein typisches Merkmal der Cornemuse du Centre ist die oft reiche Verzierung der Instrumente. Die Techniken dabei reichen von einfachen Zierringen aus farblich abgesetztem Holz, Horn oder Zinn an den Enden von Spielpfeife bzw. Bordunen über dunkel ausgezogene, geschnitzte feine Gravuren in Zickzack- und Dreiecks-Mustern an allen Holzteilen – nach dem Dudelsackbauer Jean Sautivet (1796-1867) benannt – bis zu sehr aufwändigen Zinnverzierungen[3] mit religiösen und weltlichen Symbolen.[1]

Cornemuse Béchonnet

Joseph Béchonnet (1820–1900, ein Drechsler aus Effiat, Puy-de-Dôme) stellte Ende des 19. Jahrhunderts nach dem Vorbild der Illustration in Mersennes Buch Sackpfeifen von sehr hoher Qualität her. Béchonnet versah seine Instrumente mit einer dritten, kleineren Bordunpfeife, der chanterelle, eine weitere Oktave über dem kleinen Bordun klingend. Die chanterelle sitzt hinter der Spielpfeife und dem kleinen Bordun im selben Stock[4]. Die nach ihm benannte Cornemuse Béchonnet ist typischerweise balggeblasenen und oft in G gestimmt (13 bis 18 pouce[5], s.u.).

Funktion und Spielpraxis

Der Tonumfang beträgt bei Instrumenten in hoher Stimmung heute meist eine Duodezime, vom Ganzton unter dem Grundton bis zur Quarte über der Oktave. Die Töne oberhalb der Oktave werden durch Überblasen gespielt, bei tiefen Instrumenten ist dies oft nur bis zur kleinen Terz möglich.[2] Die Spielpfeife moderner Instrumente ist in der Regel ohne Klappen chromatisch spielbar, oft mit der Ausnahme der kleinen Sekunde über dem Grundton sowie deren Oktave. Der Halbton unter dem Grundton ist durch halb Decken des untersten Grifflochs oder mit Hilfe einer Klappe spielbar.

Die Griffweise ist bei Stimmungen höher als D (d.h. kleiner als 20 pouces) meist halbgeschlossen, bei tieferen Instrumenten in der Regel offen.

Der kleine Bordun erklingt eine, der große Bordun zwei Oktaven tiefer als der Grundton der Spielpfeife.

Stimmungen

Cornemuses du Centre 26 pouces (tief A), mit „Sautivet“-Verzierungen (Instrumentenbauer: B. Blanc)

Cornemuses du Centre gab und gibt es in unterschiedlichen Stimmungen, sie werden entsprechend der nominellen Länge der Spielpfeife in pouces (frz. „Daumen“, entspricht der Maßeinheit des französischen Zoll mit 27,07 mm) angegeben.

Grundtöne sind je nach Region oft G (cornemuse 16 pouces) oder D (20 p), bzw. F (18 p) oder C (23 p), wobei auch andere Stimmungen mehr oder weniger häufig anzutreffen sind. Die tiefsten gebauten Instrumente dieses Typs sind Cornemuses du Centre 30 pouces (tief-G), die höchsten ca. 10 pouces (mit Grundton h[1] bis zu d).

Es wurden Paare von Instrumente gefunden, die aufgrund ihrer Herstellung und sorgfältiger Abstimmung aufeinander nahelegen, dass mit Cornemuses du Centre im 18./19. Jahrhundert sowohl unisono, im Oktavabstand als auch polyphon zusammen gespielt wurden.[6]

Häufige Praxis ist außerdem das Zusammenspiel der Cornemuse du Centre mit der Drehleier, einem anderen Borduninstrument.

Es wird der Cornemuse du Centre oft eine enge Verwandtschaft mit der flämischen Sackpfeife oder der Schäferpfeife nachgesagt. Dies ist allerdings nur eine Folge der derzeitigen Praxis der Hersteller, die Standardspielpfeife der französischen Cornemuse du Centre als Vorbild für die sgn. "flämischen" Spielpfeifen zu nehmen. Nach dem einzigen - unter Verschluss liegenden - erhaltenen Exemplar eines solchen Instrumentes zu urteilen, liegen aber beträchtliche Unterschiede in der Konstruktion vor.

Literatur

  • Les cornemuses de George Sand Autour de Jean Sautivet, fabricant et joueur de musette dans le Berry. Ausstellungskatalog zu exposition prés. du 22 juin au 7 octobre 1996 au Musée des musiques populaires de Montluçon. AutorInnen: Sylvie Douce de La Salle, Jean-Michel Renard, Jean-Jacques Smith, Bernard Blanc, Jean-Sylvain Maître [et al.]

Weblinks

  • „virtuelles Museum“ auf pipeshow.net. Bilder von vorwiegend Cornemuses du Centre.

Einzelnachweise

  1. a b c Les cornemuses de George Sand, einführende Kapitel (siehe Abschnitt Literatur)
  2. a b c Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, Friedrich Blume (Hrsg.), unter Mitarbeit zahlreicher Musikforscher des In- u. Auslandes. Kassel; Basel; Tours; London: Bärenreiter. Band 1: 1949 bis Band 17: 1986 ISBN 3476410226, Bd. 17, S. 1623
  3. "Les Maîtres Sonneurs" (1853), Roman von George Sand
  4. CD-Booklet zu Willy Soulette, solo-CD (2005), cinq planètes, CP 06861
  5. Les cornemuses de George Sand, S. 31, (siehe Abschnitt Literatur)
  6. Artikel über Zusammenspiel von Dudelsäcken (in französisch)

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Cornemuse Du Centre — La cornemuse du Centre France ou musette du Centre est une cornemuse à deux bourdons, le premier accordé à une octave et le second à deux octaves en dessous du hautbois. Facture Musette du Centre La cornemuse …   Wikipédia en Français

  • Cornemuse du centre — La cornemuse du Centre France ou musette du Centre est une cornemuse à deux bourdons, le premier accordé à une octave et le second à deux octaves en dessous du hautbois. Facture Musette du Centre La cornemuse …   Wikipédia en Français

  • Cornemuse du Centre — La cornemuse du Centre France ou musette du Centre est une cornemuse à deux bourdons, le premier accordé à une octave et le second à deux octaves en dessous du hautbois. Facture Musette du Centre La cornemuse est constituée de plusieurs éléments …   Wikipédia en Français

  • Cornemuse du Centre — The cornemuse du Centre France or musette du Centre is a type of bagpipe native to Central France. It has two drones, one an octave below, and the other two octaves below, the tonic of the chanter. Facture Musette du Centre The drones consist of… …   Wikipedia

  • Cornemuse —  Pour l’article homonyme, voir Cornemuse (série télévisée).  Sommaire 1 Histoire 2 Facture 2.1 …   Wikipédia en Français

  • Centre-sud Du Québec — Québec  Cet article concerne la province canadienne. Pour l article sur la capitale, voir Québec (ville). Pour les autres significations, voir Québec (homonymie). Québec …   Wikipédia en Français

  • Centre-sud du Québec — Québec  Cet article concerne la province canadienne. Pour l article sur la capitale, voir Québec (ville). Pour les autres significations, voir Québec (homonymie). Québec …   Wikipédia en Français

  • Centre-sud du québec — Québec  Cet article concerne la province canadienne. Pour l article sur la capitale, voir Québec (ville). Pour les autres significations, voir Québec (homonymie). Québec …   Wikipédia en Français

  • pibrock — ⇒PIBROCK, PIBROCH, subst. masc. MUSIQUE A. Morceau de musique classique de cornemuse écossaise généralement composé d un thème et de plusieurs variations. Au moment où ils mettaient le pied sur le pont du Duncan, le bag piper [joueur de cornemuse …   Encyclopédie Universelle

  • highlander — [ ajlɑ̃dɶr ] n. m. • 1688; mot angl. , de highland « haute terre » 1 ♦ Habitant ou natif des Highlands, en Écosse. 2 ♦ Soldat d un régiment écossais. Cornemuse, kilt des highlanders. ⇒HIGHLANDER, subst. masc. A. Habitant ou natif des Highlands… …   Encyclopédie Universelle

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”