Corpus amygdaloideum

Corpus amygdaloideum
Position der Amygdalae im menschlichen Gehirn

Die Amygdala (latinisiert aus griechisch αμυγδαλήTonsillen-Mandel“, abgeleitet vom altgriechischen Neutrum αμύγδαλονMandel“ bezogen auf die so bezeichnete Frucht[1]) tritt jeweils paarig auf (Plural: Amygdalae) und ist ein Kerngebiet des Gehirns im medialen Teil des Temporallappens. Sie wird auch als Mandelkern oder lateinisch-fachsprachlich als das Corpus amygdaloideum bezeichnet und ist Teil des Limbischen Systems.

Die Amygdala ist wesentlich an der Entstehung der Angst beteiligt und spielt allgemein eine wichtige Rolle bei der emotionalen Bewertung und Wiedererkennung von Situationen sowie der Analyse möglicher Gefahren: sie verarbeitet externe Impulse und leitet die vegetativen Reaktionen ein. Eine Zerstörung beider Amygdalae führt zum Verlust von Furcht- und Aggressionsempfinden und so zum Zusammenbruch der mitunter lebenswichtigen Warn- und Abwehrreaktionen. Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2004 [2] deuten darauf hin, dass die Amygdala an der Wahrnehmung jeglicher Form von Erregung, also affekt- oder lustbetonter Empfindungen, einschließlich des Sexualtriebes beteiligt sein könnte.

Inhaltsverzeichnis

Verschaltung der Amygdala

Die Amygdala besteht aus 13 Einzelkernen (die zum Teil noch in Untereinheiten gegliedert werden) und erhält über Faserverbindungen zahlreiche Informationen aus höheren Hirnzentren.

Afferenzen

Im Unterschied zu den Afferenzen des Hypothalamus sind (bis auf eine Ausnahme) alle Afferenzen zur Amygdala hoch prozessiert, die Informationen wurden also bereits in sekundären visuellen, sensorischen und auditorischen Gebieten der Großhirnrinde verarbeitet bzw. thalamisch verschaltet. Die Afferenzen erreichen hauptsächlich den basolateralen Kernkomplex der Amygdala. Die Ausnahme bildet hier der Geruchssinn. Er gibt über den Bulbus olfactorius Kollateralen direkt ohne thalamische Umschaltung zur medialen Amygdala ab.

Efferenzen

Der zentrale Kern der Amygdala erhält den Großteil der Efferenzen des basolateralen Komplexes und sendet seinerseits Efferenzen an:

Medizinische Bedeutung

Fehlfunktionen der Amygdala können beim Menschen zu einer Vielzahl von Erscheinungen führen wie Gedächtnisstörungen, die Unfähigkeit der emotionalen Einschätzung von Situationen, Autismus, Depression, Narkolepsie, Posttraumatische Belastungsstörungen und Phobien. Diese Störungen können durch Beschädigung, Entwicklungsprobleme oder einem Ungleichgewicht der Neurotransmitter hervorgerufen werden, können aber im Gegenteil auch die Folge eines exakten Funktionierens der Amygdala sein. Die Amygdala verknüpft Ereignisse mit Emotionen und speichert diese. Mit der Zeit sinkt die Auslöseschwelle für die Bewertung von Reizen als gefährlich ab, es kommt zu einer Generalisierung. Physiologisch geht dies mit einer Übererregung der Amygdala einher. War ein Ereignis mit einer Gefahr, Schmerz oder Leid verbunden, können als ähnlich erachtete Situationen zum Auslöser einer starken somatischen Reaktion (etwa Panik, Übelkeit, Apathie, Ohnmacht) werden, unabhängig davon, ob sie objektiv vergleichbar sind und sogar unabhängig davon, ob eine (bewusste) Erinnerung an das ursprüngliche Ereignis besteht, daher taucht in diesen Zusammenhängen oft der Begriff „Körpergedächtnis“ auf. Auslösende Situationen für dieses oftmals dramatische Wiedererleben werden Trigger (engl. für „Auslöser“) genannt.

Die Konditionierung von Tieren, bestimmte „neutrale“ Reize mit Angst zu verbinden, verändert die Informationen, die in der Amygdala gespeichert sind, wie Experimente im Labor von Joseph LeDoux und anderen Wissenschaftlern zeigen konnten. In dieser Hinsicht dient sie als eine einfache Pawlowsche Lernmaschine, die Aversionen mit neutralen Ereignissen verknüpft und damit Tieren hilft, auf ihre Umwelt zu reagieren. Tiere mit zerstörter Amygdala verlieren die Fähigkeit zur Konditionierung auf Angst-Reize.

In Tierversuchen haben Forscher auch gezeigt, dass die elektrische Stimulation von unterschiedlichen Punkten in der Amygdala unterschiedlichste Reaktionen hervorrufen kann. Signale in den zentralen Kern führen zu Wut oder Fluchtreaktionen. An anderen Stellen können vegetative Reaktionen, beispielsweise Erhöhung des Pulses, aber auch des Fressverhaltens und der Sexualität ausgelöst werden.

Primaten, denen die Amygdala zu Testzwecken entfernt wurde, können zwar Gegenstände sehen, sind aber nicht mehr in der Lage, deren gefühlsmäßige Bedeutung zu erkennen. Zudem verändert sich ihr Verhalten grundlegend und sie verlieren jegliche Aggression. Nach der Entdeckung dieser Tatsache durch Heinrich Klüver und Paul Bucy 1937 wurde auch diskutiert, ob ein solcher Eingriff zur Behandlung von Kriminalität geeignet sei.

Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2009 [3] zeigen, dass autistische Kinder schon im zweiten Lebensjahr eine vergrößerte Amygdala haben. Die Vergrößerung war auch noch im vierten Lebensjahr erhalten.

Das beim Menschen bekannte Urbach-Wiethe-Syndrom ist eine selektive Verkalkung der Amygdala mit Funktionsausfall. Diese Patienten können der Emotion Angst keine Bedeutung zuordnen. Sie können weder beschreiben, wie ein ängstliches Gesicht aussieht noch verspüren sie selbst Angst. Diese Beeinträchtigung hat starke Auswirkungen auf das soziale Leben, es fällt den Patienten schwer, in kritischen Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Es gibt Überlegungen, dass Erwachsene im Zweitspracherwerb möglicherweise nicht auf das prozedurale Gedächtnis der Amygdala zurückgreifen und deshalb die emotionale Verbindung zu Worten schwerer finden können.

Weblinks

Literatur

  • Principles of Neural Science, Eric R. Kandel, James H. Schwartz, Thomas M. Jessell, McGraw-Hill Medical, 4 edition (January 5, 2000), ISBN 0-8385-7701-6
  • Neuroscience Including Sylvius, Purves et al., 3. Auflage 2004, Sinauer Verlag, ISBN 0878937250
  • Blair HT, Schafe GE, Bauer EP, Rodrigues SM, and LeDoux JE. Synaptic plasticity in the lateral amygdala: a cellular hypothesis of fear conditioning. Learn Mem 8: 229–242, 2001.

Quellen

  1. http://dictionary.reference.com/search?q=amygdala (englisch)
  2. Nature ScienceUpdate - Nature News Service Jan. 2004
  3. Mosconi MW, Cody-Hazlett H, Poe MD, Gerig G, Gimpel-Smith R, and Piven J: Longitudinal study of amygdala volume and joint attention in 2- to 4-year-old children with autism. Arch Gen Psychiatry. 2009;66(5):509-516

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