Dankwart Alexander Rustow

Dankwart Alexander Rustow
Dankwart Rustow

Dankwart Alexander Rüstow (* 21. Dezember 1924 in Berlin; † 3. August 1996 in Manhattan, New York) war Professor für Politische Wissenschaften und Soziologie. Er ist vielleicht besser als 'Vater der Transitologie' bekannt, einer Denkschule, die auf dem Gebiet der Demokratisierung Forschungen betreibt. In seiner einflussreichen und grundlegenden Arbeit 'Übergänge zur Demokratisierung: Sichtweise als dynamisches Modell', das 1970 im Original unter dem Namen 'Transitions to Democracy: Toward a Dynamic Model' erschien, brach Rüstow mit den Sichtweisen der vorherrschenden Denkschulen, wie Staaten sich zu Demokratien entwickeln. Nicht soziale und wirtschaftliche Vorbedingungen seien für eine Demokratisierung erforderlich, sondern lediglich eine nationale Einheit. Während des Überganges von autoritären hin zu demokratischen Regeln sei zwischen den Eliten einer Nation der breite Konsens über die neuen Spielregeln erforderlich.

Inhaltsverzeichnis

Seine Hauptleistung

In seiner Argumentation kritisiert Dankwart Rüstow die Modernisierer wie Lipset, die sich die funktionale Frage stellten, was den Zustand einer Demokratie ausbauen oder zumindest bewahren kann. Bei einem Übergang, die von einem Autoritarismus wegführe, sei doch die wesentliche Frage, wie die Demokratie sich in die Bestrebungen aller Kräfte rücken würde.

Anhand von Untersuchungen über die Türkei und Schweden, skizzierte er einen allgemeinen Verlauf, den beide Länder in ihrer Demokratisierung unternahmen.

  • Nationale Einheit: Die Herausbildung eines wechselhaften Gefühls und Sinn für nationale Einheit, die später als Staatsempfinden eine unerlässliche Vorbedingung sei. Bevor das Volk über die Herrschaftsform entscheide, müsse es sich darüber im Klaren sein, wer 'das Volk' an sich sei.
  • Ein langwieriger politischer Kampf ohne Ergebnisse: dieser Kampf unterscheidet sich zwar von Land zu Land, konzentriert sich aber immer um die Macht einer neuentstandenen Gruppe (z.B. die Elite von Industriellen). Demokratie entsteht womöglich erst in diesem Konflikt. Es ist kein 'Ringelpiez mit Anfassen', sondern kann durchaus gewalttätig und blutig von statten gehen. Dieser Kampf kann zu der Vorherrschaft einer der Gruppen führen, die die Tür zu Demokratisierung wieder verschließt. Erreicht der politische Kampf aber eine gegenseitige Lähmung der Kräfte, öffnet sich die Gelegenheit zur Demokratisierung.
  • Entscheidungsphase: Nehmen die Konfliktparteien wahr, dass sie in ihrem ergebnislosen, wie auch langwierigen politischen Kampf über ein politisches Patt nicht hinaus kommen, entscheiden sie sich für die Demokratisierung als Kompromiss. Für Rüstow sind es immer weite Teile der Eliten, die sich bewusst für die Übernahme demokratischer Spielregeln entscheiden.
  • Gewöhnungsphase: Zeit in der demokratische Spielregeln zur Gewohnheit und alltäglichen Praxis werden.

Seine grundlegende Arbeit veranlasste Geisteswissenschaftler zu weiteren darauf aufbauenden Forschungen, die später als Transitologenbekannt wurden. Sie erforschten den Zerfall der autoritären Regime in Lateinamerika und Südeuropas in der Zeit zwischen 1970 und 1990. Geisteswissenschaftler wie Larry Diamond, Lawrence Whitehead und Philip Schmitter erklärten Demokratisierungsbewegungen sich nicht mit sozial-wirtschaftlichen Strukturänderungen, sondern vielmehr durch breite Übereinstimmungen und Bündnisse unter den Eliten eines Landes. Nicht internationale oder sozial-wirtschaftliche Veränderungen waren für sie hierzu der Anstoß, sondern Gruppierungen innerhalb des herrschenden Regimes. Rüstow wird weitgehend als intellektueller Vater der Transitologie angeführt.

Leben und Karriere

Rüstow wurde 1924 in Berlin als drittes Kind des Soziologen Alexander Rüstows und der Lehrerin und späteren Ethnologin Anna Bresser geboren. Sein Vater emigrierte 1933 in die Türkei, wo er in Istanbul einen Lehrstuhl hatte. Dankwart Rüstow wuchs wechselweise in Istanbul als auch in der Odenwaldschule bei Heppenheim auf. 1946 reiste Dankwart Rüstow in die Vereinigten Staaten, studierte im Queens College und promovierte in Politische Wissenschaften 1951 in Yale. Er lehrte nach Princeton University und Columbia University 25 Jahre an der City University in New York. Juni 1995 emerierte er als ordentlicher Professor der Politischen Wissenschaften und der Soziologie. Er war in der Harvard University und anderen Institutionen Gastprofessor, Vizepräsident der Middle East Studies Association of North America und ehemaliger Stipendiat der Guggenheim Fellowship. Er starb 1996 im Alter von 71 Jahren an den Folgen eines Non-Hodgkin-Lymphomes im Krebszentrum der Memorial Sloan-Kettering in Manhattan. Aus drei Ehen gingen zwei Töchter und zwei Söhne hervor. Er lebte in New York an der Upper West Side.

Werke

Primärliteratur

englischsprachig

  • American foreign policy in international perspective. 1971.
  • Comparative political dynamics : global research perspectives / edited by Dankwart A. Rustow, Kenneth Paul Erickson. 1991.
  • Euro-American system : economic and political relations between North America and Western Europe / edited by Ernst-Otto Czempiel and Dankwart A. Rustow. 1971.
  • Freedom and domination : a historical critique of civilization. 1980.
  • Mediterranean challenge. no.5, Turkey and the Community / Dankwort Rustow and Trevor Penrose. 1981.
  • Middle Eastern political systems. 1971.
  • Military in Middle Eastern Society and politics. 1963 .
  • Oil and turmoil : America faces OPEC and the Middle East / Dankwart A. Rustow. 1982.
  • OPEC, success and prospects / by Dankwart A. Rustow and John F. Mugno. 1977.
  • Philosophers and Kings : Studies in leadership / edited by Dankwart A. Rustow. 1970.
  • Political development : the vanishing dream of stability. 1962.
  • Political modernaization in Japan and Turkey / edited by Robert E.Ward & Dankwart A.Rustow. 1964.
  • Politics of compromise : a study of parties and cabinet government in Sweden. 1969.
  • Transitions to democracy: Toward a dynamic model. 1970.
  • Turkey, America's forgotten ally. 1987.
  • World of nations. 1967.

deutschsprachig

Sekundärliteratur

  • Croissant, Aurel: Von der Transition zur defekten Demokratie.: Demokratische Entwicklung in ..., VDS-Verlag, 2002, ISBN 3531137964
  • Muench, Dr. Holger: Legitimität als Schlüsselkategorie der demokratischen Konsolidierung in Polen, Universitaet zu Köln, 1998
  • Gromes, Thorsten: Demokratisierung nach Bürgerkriegen, Studien der Hess. Stiftung Friedens- u. Konfliktforschung, Band: 56 , 2007, ISBN 9783593385563

Weblinks


Quellen

  • Plotter, David (ed.) Democratization. Polity Press, Milton Keynes, 1997.
  • New York Times, Obituary, August 5 1996.

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