Deismus

Deismus
Thomas Hardy: Joseph Haydn, 1791. Der österreichische Komponist beschrieb im Oratorium Die Schöpfung ein deistisches Weltbild: Gott erschuf die Erde, einschließlich des Menschen. Damit endet das Oratorium: Gott greift später nicht mehr in sein Werk ein.

Als Deismus [de'ɪsmʊs] (Gottgläubigkeit, nach lat. deus, „Gott“; oft aber auch mit gr. δεῖ, dei, „es ist notwendig“, in Verbindung gebracht) bezeichnet man den Glauben an einen Gott aus Verstandesgründen im Gegensatz zum Gottesverständnis der Offenbarungsreligionen mit heiligen Schriften. Die Vorstellungen über diesen Gott sind allerdings sehr unterschiedlich. Im engeren Sinne sind Deisten diejenigen, die das Göttliche nur mit dem Ursprung des Universums in Verbindung bringen, aber ein weiteres Eingreifen Gottes bestreiten.[1] Im weiteren Sinne wird der Deismus als freidenkerische Glaubensströmung im Zeitalter der Aufklärung angesehen.

Der Begriff Deismus entstand in der Mitte des 17. Jahrhunderts in England.

Inhaltsverzeichnis

Bedeutung und Abgrenzung

Die Gemeinsamkeit mit dem Theismus besteht darin, dass beide einen Gott annehmen, der die Welt erschaffen habe. Der Unterschied besteht im weiteren Verhalten Gottes. Während der Deismus annimmt, dass Gott nicht weiter in die Welt eingreift, nimmt der Theismus an, dass Gott jederzeit als Kausalursache in die Welt eingreifen kann.[2] Für den Deisten dagegen gibt es keine Wunder (ein Ereignis, das den Naturgesetzen widerspricht), und letztlich auch keine Offenbarung. Ein späteres Eingreifen Gottes würde bedeuten, dass Gott bei der Schöpfung Fehler gemacht habe und daher eingreifen müsse. Dies würde nicht zu einem Gott passen, den man sich als vollkommen denkt. Ein Einfluss nehmender Gott, zum Beispiel wie im Buch Hiob, stünde ferner im Gegensatz zum freien Willen des Menschen. Während der Deismus eine völlige Trennung von Gott und Welt postuliert, nimmt der Pantheismus an, dass Gott und Welt letztendlich eine Einheit bilden.[3]

Gottfried Wilhelm Leibniz sprach von Gott als einem Uhrmacher, der das von ihm hergestellte perfekte Uhrwerk in Gang setzte, welches seitdem von selbst weiterläuft. John Locke, einer der Hauptvertreter des Empirismus, begründete seinen natürlichen Gottesglauben, christlich konnotiert, mit Wahrnehmungen und Nachdenken. Voltaire vertrat einen toleranten rationalistischen Gottesglauben, während Jean Jacques Rousseau seine religiösen Empfindungen angesichts eines unbegreiflichen Gottes artikulierte.

Geschichte

Allgemein

Das Auge Gottes, hier als Auge der Vorsehung (über der Pyramide) auf der amerikanischen Ein-Dollar-Note. Das Symbol ist bereits aus dem alten Ägypten bekannt und stand dann auch für den jüdisch-christlichen Gott. Später wurde es vor allem im Umfeld der Deisten benutzt.

Neben religionsphilosophischen Überlegungen seit der Antike hat der Deismus als wichtige Quelle den Antitrinitarismus oder Unitarismus, der im 17. Jahrhundert als Sozinianismus in Europa weit verbreitet war. Siegfried Wollgast bezeichnete den Sozinianismus als „direkten Vorläufer“ des Deismus.[4] In England, wo seit 1664 die Anhänger des Sozinianismus mit dem Tod bedroht wurden, entwickelte sich die Bewegung der Free Thinker, und am Anfang der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kam der Begriff Deismus auf. Den Hauptvertretern des Deismus, wie etwa John Locke oder seinem Schüler John Toland, ging es vor allem darum, „natürliche“ Gesetze der Vernunft dem Offenbarungsglauben entgegenzustellen.

Isaac Newton erklärte die Naturkräfte durch das Eingreifen Gottes (spirituelle Kräfte). Dagegen wandte Leibniz ein, Newton betrachte Gott als einen schlechten Uhrmacher, der sein Werk nicht vollendet gestaltet habe. Dies war Ausdruck des klassischen Deismus. Das alte Uhrmacherargument, das in der Schöpfung eine Äußerung göttlichen Planens sah, wird verschärft. Gott hat der Welt nur am Anfang einen Plan gegeben. Jedes spätere Eingreifen seinerseits wird als Mangel der ursprünglichen Schöpfung interpretiert.

Für Lord Henry Bolingbroke waren Christentum und Kirche lediglich Mittel, die dem Staat dazu dienen, die Instinkte des Menschen im Zaum zu halten. Nur soweit das Christentum mit den Grundsätzen der Vernunft zu vereinbaren sei, wohne ihm Wahrheit inne. Der Kirchenglaube dagegen sei nichts als Menschenwerk, werde nur aus Gründen der Staatwohlfahrt aufrechterhalten und von gut bezahlten Pastoren dem abergläubischen Volk trügerisch als göttliches Gebot vermittelt.

Matthew Tindal veröffentlichte 1730 sein Werk Christianity as old as Creation; or, the Gospel a republication of the religion of nature, das sehr bekannt wurde und bald als Bibel des Deismus galt. Unter allen Religionen hielt er allein ein von Offenbarung befreites Christentum, die deistische Urreligion, für wahrhaftig. Die Bibel sei das Dokument dieser natürlichen Religion, welches vernünftig zu interpretieren sei. Wunder und Prophezeiungen, die in der Bibel geschildert werden, lehnte er ebenso ab wie jede anthropomorphe Gottesvorstellung. Offenbarung bezeichnete er als Schwindel, der der Welt durch Priester untergeschoben worden sei. Die Religion solle auf moralischen Grundsätzen beruhen und eine tolerante Haltung gegenüber Andersdenkenden einnehmen, ausgenommen Atheisten, die die Religion zerstören wollen. 1741 wurde der Text ins Deutsche übersetzt und gewann danach einigen Einfluss in protestantischen aufgeklärten Kreisen der deutschen Länder.

Auch ein Freund Lockes, Anthony Collins, trat für einen deistischen Gottesglauben ein und wurde deshalb - wie Bolingbroke und Tindal[5] - angefeindet und verfolgt, so dass er in Großbritannien mehrmals zeitweise verlassen musste und in den Niederlanden Zuflucht fand.

Der irische Philosoph und Theologe George Berkeley formulierte, anknüpfend an Locke und René Descartes in Abgrenzung zu Newtons und Leibniz' Uhrmacherbild, idealistische deistische Thesen. Natur und Dasein haben ihren Ursprung in Gott und existieren durch Gott. Der Mensch entwickelt durch seine Wahrnehmungen Ideen, die Gottes Geist in ihm hervorbringt. Auch David Humes religionsphilosophische Werke The Natural History of Religion (Die Naturgeschichte der Religion) 1757 und die posthum veröffentlichten Dialoge über natürliche Religion haben deistische Tendenzen.

In einigen Ländern gab es Deisten in der Freimaurerbewegung, beispielsweise Voltaire in Frankreich, Thomas Paine, einer der Gründungsväter der Vereinigten Staaten sowie Thomas Jefferson, Verfasser der Gründungserklärung und 3. Präsident der USA , der sich für die Trennung von Religion und Staat einsetzte. In seinem Werk Age of Reason (Zeitalter der Vernunft) begründete Paine seinen unitarischen Glauben an nur einen Gott und verband ihn mit der Hoffnung auf „einen glücklichen Zustand nach diesem Leben.“ Laut Paine besteht die wahre Religion darin, gerecht zu handeln, Mitleid zu zeigen und die Mitmenschen glücklich zu machen. Sowohl in England als auch in Frankreich geriet er in Konflikt mit den staatlichen Mächten und war Verfolgungen ausgesetzt, so dass er schließlich in die USA zurückkehrte.

Deutschland

Gerloff Hiddinga: Hermann Samuel Reimarus, 1749.

Der Deismus war im aufgeklärten Absolutismus großer Teile Deutschlands weniger verbreitet als in seinem Herkunftsland. Neben Adam Weishaupt, dem Gründer des Illuminatenordens, ist Hermann Samuel Reimarus zu nennen. Er war ein Wegbereiter der Bibelkritik, hielt sich in der Öffentlichkeit aber zurück. Die von Gotthold Ephraim Lessing zwischen 1774 und 1778 veröffentlichten Fragmente seiner Schriften (Fragmente eines Ungenannten) führten zum so genannten Fragmentenstreit, der wichtigsten polemisch geführten Auseinandersetzung zwischen orthodoxem Luthertum und Aufklärung, mehr oder weniger deistische Positionen - verbunden mit detaillierter radikaler Bibelkritik - auf der einen, und denjenigen der protestantischen Orthodoxie auf der anderen Seite. Die Hauptkontrahenten waren Lessing und Johann Melchior Goeze.

Sonstiges

Im 20. Jahrhundert wurde Albert Einsteins Sichtweise des Universums mit deistischen oder pandeistischen Gottesvorstellungen in Verbindung gebracht. Seine berühmte Aussage, „Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns doch nicht näher. Jedenfalls bin ich überzeugt davon, dass der nicht würfelt“ wird oft verkürzt als Gott würfelt nicht wiedergegeben.

Von der Unterstellung, er vertrete ein theistisches Gottesbild, distanzierte er sich: „Es ist selbstverständlich eine Lüge, was Sie über meine religiösen Überzeugungen lesen, eine Lüge, welche systematisch wiederholt wurde. Ich glaube nicht an einen persönlichen Gott und habe dies niemals bestritten, sondern es klar ausgedrückt. Wenn es etwas in mir gibt, was man als religiös[6] bezeichnen kann, dann ist es meine ungeheure Bewunderung für die Struktur dieser Welt, soweit sie die Wissenschaft erforscht hat.“[7]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Deismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Peter Knauer: Der Glaube kommt vom Hören. Ökumenische Fundamentaltheologie, Styria, Graz - Wien - Köln 1978, S. 50 ff
  2. Peter Knauer, aaO S. 50 ff
  3. Knauer aaO. S. 49f
  4. Siegfried Wollgast.Philosophie in Deutschland zwischen Reformation und Aufklärung 1550-1650, 2. Aufl. Akademie Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-05-002099-7, S.414.
  5. Ein Buch Tindals wurde 1710, vom Unterhaus veranlasst, verbrannt.
  6. die Begriffe Deismus oder Pandeismus verwandte er nicht
  7. Albert Einstein, Helen Dukas, Banesh Hoffmann (Hrsg.): Albert Einstein, the Human Side. New Glimpses from His Archives. Princeton University Press, Princeton 1981. ISBN 0-691-02368-9

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