Dekadent

Dekadent

Dekadenz (v. frz.: décadence; < lat.: de- „ab“, cadere „fallen“) beschreibt einen kulturellen Niedergang. Der Begriff setzt voraus, es gäbe objektiv bessere oder wünschenswertere gesellschaftlich-kulturelle Zustände.

Der Begriff gehörte ursprünglich einer biologistischen Weltsicht an, welche die Existenz von Menschen, Institutionen und Staatsgebilden als einem natürlichen Werde- und Untergangsprozess unterworfen betrachtet. Die ursprünglich zum Aufstieg der Familie, des Staates, der Institution führenden Eigenschaften entarten zwangsläufig ins Feine, Sensible, kurz: Degenerierte. Nicht zuletzt deshalb betrachtete Friedrich Nietzsche die Musik Richard Wagners als dekadent und Wagner selbst als den „Künstler der décadence“.

Inhaltsverzeichnis

Dekadenz in der Geschichtsphilosophie

Dekadenz ist nach Kurt Lenk eine Worthülse, wie Identität, Kommunikation, Information, Dynamik und viele andere alltagssprachliche Begriffe. Sie werden zwar häufig gebraucht, besitzen aber keine Klarheit. Umso stärker ist ihre projektive und scheinbar erklärende Wirkung für beunruhigende gesellschaftliche Erscheinungen. Dabei ist Dekadenz ein zentraler Begriff in konservativen und faschistoiden Geschichtsbildern, dem so genannten zyklischen und kulturpessimistischen Geschichtsbild, von Universalhistorikern wie Polybios, Oswald Spengler, Niccolò Machiavelli, Georges Sorel, Friedrich Nietzsche, Henri Bergson und Helmut Schelsky. Nach Kurt Lenk haben eine Reihe „lebensphilosophisch orientierter Autoren“ wie Oswald Spengler, Ernst Jünger, Gottfried Benn und andere Autoren der „Konservativen Revolution“ die „Attitüde eines faustisch-heroischen Menschen als die einzig angemessene Antwort auf eine zu Dekadenz und Untergang tendierende Welt begreifen wollen“. Alle vorgegebenen gesellschaftlichen Strukturen würden von diesen dabei als Schicksal bejaht. Kurt Lenk: „Zwar sind bei den einzelnen Autoren Ursachen, Symptome und Folgen der Dekadenz variantenreich beschrieben, doch gleichen sie sich in ihrer Dramaturgie. Stets geht es letztlich um eine Entscheidung zwischen Untergang oder Rettung durch irgendwelche heroische Taten.“ Im Zentrum der „faschismus-affinen Krisensemantik, für deren Beginn Sorel steht,“ befinde sich nach Lenk „das Syndrom Dekadenz-Apokalypse-Heroismus, dem die Idee einer Art ‚Wiedergeburt‘ zugrunde“ liege.

Dekadenz in der Literaturwissenschaft

siehe Hauptartikel Dekadenzdichtung

Sprachgebrauch

Im modernen Sprachgebrauch wird der Begriff Dekadenz oder dekadentes Verhalten überwiegend gleichgesetzt mit Verschwendung oder Übermaß im Sinne eines sozial schädlichen Abweichens von einer natürlichen und allgemein üblichen Lebensform. Oft wird der Begriff kritisch angewandt auf das Verhalten von Personen mit Vorbildfunktion, also Personen des öffentlichen Lebens, Medienstars u.ä. Siehe auch: Gier, Mäßigung

Siehe auch

Literatur

  • Karl Heinz Bohrer / Kurt Scheel (Hrsg.): Kein Wille zur Macht - Dekadenz, MERKUR Doppelheft 9/10, 2007, Jubiläumsheft Merkur 700. ISBN 3-60897-094-0
  • Wolfgang Drost (Hrsg.): Fortschrittsglaube und Dekadenzbewußtsein im Europa des 19. Jahrhunderts. Winter, Heidelberg 1986, ISBN 3-533-03662-6
  • Kurt Lenk: Das Problem der Dekadenz seit Georges Sorel. In: Heiko Kauffmann, Helmut Kellershohn, Jobst Paul (Hrsg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt – Analysen rechter Ideologie. Münster, 2005, ISBN 3-89771-737-9
  • Henning Mehnert: Zur Bedeutung der Begriffe "symbolisme", "décadentisme" und "dégénérescence" im 19. Jhdt. In: Wolfgang Drost (Hrsg.): Fortschrittsglaube und Dekadenzbewußtsein im Europa des 19. Jahrhunderts. Winter, Heidelberg 1986, ISBN 3-533-03662-6, S. 75–84
  • Gustav Sichelschmidt: Wie im alten Rom. Dekadenzerscheinungen damals und heute. Arndt, Kiel 2006, ISBN 3-88741-014-9
  • Christiane Barz: Weltflucht und Lebensglaube. Aspekte der Dekadenz in der skandinavischen und deutschen Literatur der Moderne um 1900. Ed. Kirchhof & Franke, Leipzig–Berlin 2003, ISBN 3-933816-20-3

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Weblinks


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