Deutschkonservative

Deutschkonservative

Die Deutschkonservative Partei war eine politische Partei im deutschen Kaiserreich.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Die Partei konstituierte sich am 7. Juni 1876 aus sehr verschiedenen Gruppen: Adligen, Großgrundbesitzern, Anhängern der Regierung Bismarck wie Moltke, traditionsorientierten Protestanten und Christlich-Sozialen. Sie erkannte die Verfassung des Deutschen Kaiserreichs an und trat für die Bewahrung der monarchischen Vorrechte, Stärkung der Religion, gegen Zentralismus und Parlamentarismus sowie für Bekämpfung der Sozialdemokratie ein. Eine der wichtigsten Vorgängerparteien waren die preußischen Altkonservativen. Erster Vorsitzender der Partei wurde der Gutsherr und Reichstagsabgeordnete Otto von Helldorff-Bedra. Das Programm der Partei war bis ins Detail mit Bismarck abgesprochen.[1]

Ihr Hauptorgan war die Neue Preußische Zeitung (Kreuzzeitung).

Politik

Zunächst setzte die Partei sich deutlich von Bismarck und der ihn unterstützenden Freikonservativen Partei ab, doch näherte sie sich ab 1877 seiner Politik wieder an - insbesondere, als er zur Schutzzollpolitik überging. Ihre Hochburgen hatte die Partei in Ostpreußen, Pommern, Mecklenburg und Sachsen. Im Preußischen Abgeordnetenhaus war sie, begünstigt durch das Dreiklassenwahlrecht, die stärkste Kraft. Im Herrenhaus war ihre Stellung sogar noch stärker. So hatte sie einen wesentlichen Einfluss auf Offizierskorps, Beamtenschaft und Geistliche und über den Bundesrat auch auf die Reichspolitik.

Die Partei war antisemitisch ausgerichtet, so wurde zum Beispiel im Reichstagswahlkampf 1881 in großem Ausmaß antisemitische Propaganda eingesetzt.[2]

Bei der Schutzpolitik ging sie mit den Freikonservativen, dem Zentrum und mit Teilen der Nationalliberalen Partei zusammen. Doch wandte sie sich gegen den Kulturkampf Bismarcks.

Nach dessen Entlassung gingen die Deutschkonservativen in Opposition zur wirtschaftsliberalen Politik des neuen Reichskanzlers Leo von Caprivi. Das 1892 beschlossene Parteiprogramm (das so genannte Tivoli-Programm) wandte sich beeinflusst von Adolf Stoecker gegen jeden jüdischen Einfluss und gegen die Sozialdemokratie. Ab 1892 kam es auch zu Flügelkämpfen zwischen der größtenteils dem Landadel entstammenden bisherigen Parteiführung und Stoeckers eher bürgerlich-städtisch geprägten Christsozialen. Durch das Aufkommen des Bundes der Landwirte wurde der zunächst unterlegene agrarische Flügel wieder gestärkt[3] und Stoecker veranlasste im Februar 1896 wegen sozialpolitischer Meinungsverschiedenheiten die Abtrennung der Christlich-Sozialen Partei. Die Deutschkonservativen stimmten 1898 und 1899 geschlossen für Flotten- und Militärvorlagen, zeigte sich aber im preußischen Landtag als Gegner des Mittellandkanals („Kanalrebellen“).

Unter Reichskanzler Fürst Bernhard von Bülow näherte sich die Partei wegen dessen agrarprotektionistischer Politik wieder an die Reichsregierung an, doch lehnte sie weiterhin alle Ansätze zu liberalen Reformen in der Innen-, Wirtschafts- und Finanzpolitik ab und trug so 1909 zum Sturz der Regierung v. Bülows bei. Die Deutschkonservativen widersetzten sich jeder Stärkung des Reichs zu Lasten der einzelnen Bundesstaaten, weil sie fürchteten, dass sonst ihr Einfluss im die Bundespolitik beherrschenden Preußen an Gewicht verlöre. Dagegen stimmten sie allen Militär- und Flottenvorlagen zu, während sie die Kolonialpolitik nur zögernd unterstützten. Deshalb gab es auch eine Distanz zum alldeutschen Programm.

Als Partei ohne Massenbasis suchte sie einen Ersatz im Bund der Landwirte (BdL), in dem preußische Großagrarier den Ton angaben. In vielen Fragen wurde sie zur reinen Interessenpartei der Landwirtschaft. Viele preußische Landräte gaben ihr Unterstützung.

Bekannte Vertreter der Partei waren u.a. Wilhelm von Rauchhaupt, Otto von Manteuffel, Ernst von Heydebrand und der Lasa, Kuno Graf von Westarp, Hans Hugo von Kleist-Retzow, Philipp von Nathusius-Ludom, Elard von Oldenburg-Januschau, Heinrich von Salisch, Dr. Georg Oertel oder Wilhelm Joachim von Hammerstein.

Ein Großteil der Mitglieder der Deutschkonservativen Partei beteiligte sich 1918 an der Gründung der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP).

Parteistruktur

Unter dem Vorsitz von Helldorf war die Partei bis 1890 ein "Konglomerat unabhängiger Honoratiorenpolitiker" (Volker Stalmann) mit nur wenigen festen Strukturen. Östlich der Elbe traten die Anhänger der Partei nur vor Wahlen in Aktion, um ihre Kandidaten aufzustellen und den Wahlkampf zu führen, während es in größeren Orten in Westdeutschland häufig teils große konservative Ortsvereine gab, die teilweise zu Landesverbänden (in Baden, Sachsen und Bayern) zusammengeschlossen waren. Erst ab 1902 existierte mit dem "Hauptverein der Deutschkonservativen" eine übergeordnete Parteistruktur auf Reichsebene. Geführt wurde die Partei weniger von ihren Vorsitzenden (bis 1892 Otto von Helldorff, 1892-1911 Otto von Manteuffel, 1912-1918 Ernst von Heydebrand und der Lasa) als von einem Kollektivorgan. Bis 1889 erfüllte diese Funktion der Parteivorstand, danach ein Elfer- bzw. ab 1902 ein Zwölferausschuss aus Reichstags- preußischen und sächsischen Landtagsabgeordneten. Der Ausschuss entschied über die Grundlinien der Parteipolitik und war für die Organisation der Wahlkämpfe verantwortlich. Parteitage fanden 1876, 1892 und erst ab 1912 dann regelmäßig statt.[4] Die Partei erhob keinen Mitgliedsbeitrag, zur Finanzierung war sie auf Spenden angewiesen, Hauptgeldquelle war dabei der ostelbische Großgrundbesitz (Junker).

Presse

Das täglich erscheinende Parteiorgan der Deutschkonservativen war Die Post, die gleichzeitig als offizielles Organ der Regierung Bismarck galt. Weitere Presseerzeugnisse der Partei waren der Reichsbote, die Konservative Monatsschrift und das Deutsche Adelsblatt[5].

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Stalmann, Volker: Vom Honoratioren- zum Berufspolitiker - Die konservativen Parteien (1867-1918). In: Gall, Lothar (Hg.: Regierung, Parlament und Öffentlichkeit im Zeitalter Bismarcks. Paderborn 2003, S.99
  2. Hopp, Andrea: Auf Stimmenfang mit Vorurteil - Antisemitismus im Wahlkampf. in: Gall, Lothar (Hg.): Regierung, Parlament und Öffentlichkeit im Zeitalter Bismarcks. Paderborn 2003
  3. Stalmann 2003, S.104
  4. Stalmann 2003, S. 99 ff.
  5. Stalmann 2003, S. 101

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